Oberhausen. .
„Don’t cry, work!“ „Heul nicht, arbeite!“ Der Titel der Podiumsdiskussion über die Zukunft der Theater klingt zwar provozierend, passte aber nicht, denn: Alle, die an dem Gespräch in der Theater-Bar teilnahmen, das WDR 3 fürs Radio aufzeichnete, geben bereits alles für den Erhalt der Theater-Kultur.
Ob Intendant (Peter Carp, Oberhausen und Sewan Latchinian, Senftenberg), Kämmerer mit Affinität zur Kunst (Apostolos Tsalastras, Oberhausen und Rainer Häusler, Leverkusen), Regisseur (Schorsch Kamerun) oder Festival-Leiterin (Anja Dirks) – die feste Überzeugung, dass Theater unverzichtbar sind, spornt sie täglich an zu harter Arbeit.
Tsalastras: „Theater sind ein zukunftsorientierter Wert, denn hier wird diskutiert über die Gesellschaft und das, was einen selbst betrifft. Für intellektuelle Auseinandersetzungen haben wir hier nicht so viele Orte.“ Intendant Latchinian: „Jedes Theater, das geschlossen wird, ist eine Gefahr für die Demokratie!“
Der Apparat ist wichtiger als der Inhalt
Gleichwohl für die Bildung: „Für mich war Kultur etwas Selbstverständliches, was ich nicht durch die Stadt (Hamburg) lernen musste. Doch wir müssen jungen Menschen was beibringen, damit wir keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bekommen“, sagte Intendant Carp. Die ohnehin in armen Städten droht, möchte man hinzufügen.
Hier kommt die Ökonomie ins Spiel. Knappe Kassen zwingen zu Veränderungen, die mit künstlerischer Qualität nichts zu tun haben. Carp: „Es wäre doch total verlogen, wenn ich sagte, es sei gemein, dass wir sparen müssen. Es ist aber auch erstaunlich, dass es uns noch gibt. Ich muss nach vorne denken!“ Für ihn bedeutet das, die Strukturen zu hinterfragen.
Der Apparat sei mittlerweile wichtiger geworden als der Inhalt. Es sei an der Zeit, alles zu überdenken. „Muss es einen Intendanten geben, einen Dramaturgen, einen Verwaltungsleiter?“ Kämmerer Häusler will hingegen mehr Geld: „Sie fordern neue Modelle, ich fordere eine Umverteilung.“ Dass den Kommunen die Finanzierungsgrundlage entzogen werde, sei der Kern allen Übels.„Immer nur auf Sparzwänge reagieren zu müssen, behindert die Kunst“, ergänzte Schorsch Kamerun.
Was einmal geschlossen wurde, kommt nicht mehr in Gang
Erstaunlich vehement und einstimmig fiel die Verteidigung der Ensemble-Theater aus. Sie seien Institutionen, um die Theaterleute in Ländern wie Frankreich, England oder auch in den Niederlanden Deutschland beneide.
Kamerun: „Wenn die verschwinden, dann war’s das. Ich glaube, sie rechnen sich sogar.“ Dort, wo man feste Spielstätten durch Festival-Theaterformen ersetzte, sei das Publikum verloren gegangen, sagte Anja Dirks. „Die Kontinuität und die Beziehung zum Publikum sind wichtig. Was man einmal geschlossen hat, kommt nicht mehr in Gang.“
Einer, der bereits Neues wagt, ist Sewan Latchinian, Intendant der Neuen Bühne im brandenburgischen Senftenberg: „Es kann gar nicht genug Theater geben und Kooperationen sind in den meisten Fällen nicht zwingend nötig.“ Sein Haus, das 2005 bei der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Theater heute“ als „Theater des Jahres“ ausgezeichnet wurde und durchaus mit dem Oberhausener Theater vergleichbar ist, sei „nicht mehr erpressbar durch die Struktur“.
Der Geheimtipp: Abkopplung von der Tarifbindung. Denn: „Es geht um Leidenschaft und nicht ums Geldverdienen“ und es gehe nicht an, dass ein Techniker doppelt so viel Gehalt bekomme wie ein Schauspieler. „Eine Schräglage“, die man korrigieren könne, wenn es gelinge, künstlerisches und technisches Personal davon zu überzeugen, dass es nicht gegeneinander, sondern miteinander spielt. Latchinian: „Natürlich muss das kommuniziert werden, im Betrieb und in der Politik.“ Offensichtlich sind die Gehälter der Festangestellten eine heilige Kuh, denn in der Diskussionsrunde ging niemand auf Latchinians Tarifautonomie ein.