Oberhausen. Nüchtern weiß war die Hausfassade des Espi-Tonstudion im beschaulichen Oberhausen-Holten bisher. Peter Wingender hat sie in ein karibisches Farbenmeer verwandelt. Und das, obwohl er fast nichts mehr sieht.

Die Geschichte ist in vielerlei Hinsicht so erstaunlich wie farbenfroh. Im beschaulichen, geschichtsträchtigen Holten, schräg gegenüber von zwei Fachwerkhäuschen, erglüht an der einst weißen Hausfassade des Espi-Tonstudios die Karibik. Peter Wingender verwandelt die einst weiße Hauswand in ein Farbenmeer aus glutrot, strandweiß, palmengrün, meerblau oder nachtlila. Er besprüht das Haus im Auftrag des Besitzer mit Graffiti-Farben – und das, obwohl er fast nichts mehr sieht. „Ich habe noch eine Sehkraft von zwei Prozent“, sagt der 35-jährige Mülheimer.

Autounfall kostete Augenlicht

Während er an seiner Arbeit entlang läuft, sagt Wingender: „Bei diesem Licht sehe ich gar nichts.“ Am Himmel schickt gerade eine verdeckte Sonne grelles Licht durch Wolken. Wingender braucht mildes Licht, um arbeiten zu können. Aber ganz gleich wie günstig die Bedingungen auch sein mögen, das Malen ist für ihn sehr, sehr anstrengend.

Warum tut er es dann – mit so wenig Sehkraft? „Ich war mal selbstständig damit“, sagt er. Und meint die Graffiti-Malerei. Dass er mit den Graffitifarben malt und nicht sprüht, ist ihm wichtig. Von Sprayern, die teuer renovierte Hausfassaden verschandeln, distanziert sich Wingender. Das Malen habe er sich selbst beigebracht. Inspiriert durch den Vater, der gezeichnet und Musik gemacht hat. „Er war sehr kreativ“, erzählt Wingender. Wie sein Vater liebt er neben der Malerei auch die Musik, spielt Querflöte, singt, arbeitet mit Synthesizer-Effekten.

Vegane Ernährung und Gymnastik

Diese beiden Künste halfen ihm in schweren Zeiten. Schon als Kind sei er immer wieder krank gewesen. „Dann habe ich gezeichnet“, erzählt Wingender. Als er dann vor einigen Jahren einen tragischen Autounfall hatte, dessen Folgen ihn zusammen mit einer Diabetes das Augenlicht kosteten und schlimme Schmerzen mit sich brachten, half ihm die Musik.

Die Schmerzen hat er mit veganer Ernährung und Gymnastik in den Griff bekommen. „Ich bin wieder ein sehr glücklicher Mensch“, sagt er. Vielleicht fliegen deshalb so viele Phönixe durch sein Bild. Und dass einer davon eine Rose im Schnabel trägt, ist einer Passantin zu verdanken. Die hatte irgendwo im Bild etwas Schönes, eine Rose, gefordert. Überhaupt etabliert sich der Farbrausch so langsam im Dorf. Kaum noch einer wirft Wingender vor: „Jetzt verschandeln Sie das ganze schöne Weiß.“