Oberhausen. . Die Anwendung von Gewalt gegen Bewohner von Pflegeheimen durch Pfleger ist mittlerweile erschreckend weit verbreitet. Der Schrei nach mehr Kontrolle wird lauter. Die Behörden arbeiten zwar an einer Charta, um die Zustände zu verbessern, deren Umsetzung bleibt jedoch freiwillig.

Jeder zehnte ältere Mensch hat bereits Gewalt in den eigenen vier Wänden erfahren, in Pflegeheimen sogar jeder fünfte. Das sind alarmierende Zahlen. Und auch, wenn es für Oberhausen keine konkrete Erfassung gibt, die erschreckende Quote dürfte hier nicht weniger zutreffen. Davon geht Christel Hechler aus, die in der Pflegeberatung der Stadt arbeitet. „Es gibt in der Praxis schwierige Beziehungen zwischen Pfleger und Bedürftigen. Betroffene sind oftmals ratlos, es gibt für sie keine benannte Anlaufstelle und kein benanntes Hilfsangebot.“ Das soll sich nun ändern.

Von scharfer Kontrolle öffentlicher Pflegeeinrichtungen, ambulanter Dienste oder gar häuslicher Pflege durch Angehörige ist man – trotz bedenklicher Statistik – in Deutschland immer noch weit entfernt. Und auch in Oberhausen setzt man auf „Handlungsempfehlungen zur Reduzierung von Gewalt“. In einem Arbeitskreis „Pflege“ sitzen Stadt, Polizei, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zusammen, um eine Charta auszuarbeiten.

Die Zusammenarbeit der Einrichtungen mit den Behörden ist allerdings rein freiwillig, die Umsetzung nur eigenverantwortlich. „Es ist ein sensibles Thema“, räumt Hechler ein. Es erfordere „Vertrauen seitens der Einrichtungen. Ich habe aber festgestellt, dass sie sehr interessiert sind an der Weiterentwicklung“, nimmt Hechler sie in Schutz.

Alarmierende Zahlen

Hinter die Kulissen lassen sich diese aber kaum blicken, geredet wird über Gewalt in der Altenpflege immer noch selten. Die Furcht, in Verruf zu geraten, ist groß. Dabei ist Gewalt längst Alltag, was die bundesweite Zahl der gerichtlich genehmigten Fixierungen untermauert: Laut Bundesjustizamt haben sich diese in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Zehn Prozent aller Fixierungen in Heimen sollen ohne rechtliche Grundlage geschehen. Und es wird länger, nicht selten über den bewilligten Zeitraum hinaus fixiert. Die Mittel der Gewalt sind bisweilen subtil: Krücken, die für den Patienten nicht erreichbar sind, festgestellte Rollstuhlbremsen, Sedierung, Bettgitter, Gurte, Vernachlässigung und auch Schläge.

Mehr als ein Drittel der Pfleger gab in einer anonymen Befragung zu, im vergangenen Jahr wenigstens eine Form problematischen Verhaltens gezeigt zu haben. Ein Drittel waren allerdings auch Opfer von Gewalt durch Pflegebedürftige. Wären mehr staatliche Kontrollen dann nicht sinnvoll? Hechler ist skeptisch: „Eine Heimbegehung gibt es schon. Im Privatbereich müssen wir eher die Beratungstätigkeit verstärken. Gewalt in der Altenpflege ist häufig ein Zeichen von Überforderung. Wir müssen bewusst machen, dass man deshalb nicht gleich ein schlechter Mensch ist.“