Oberhausen. .
Zum ersten Mal nach 67 Jahren öffnen sich für Klara Rebbelmund die Türen des Luftschutzbunkers an der Bahnstraße in Holten. Sohn Bruno und die Feuerwehr Oberhausen erfüllten der Dame damit einen Herzenswunsch zum 97. Geburtstag.
Frisch gestrichen fügt sich der Betonklotz fast unscheinbar in die Siedlung. Dichte Efeuranken verleihen dem 41,5 Meter langen, 20,6 Meter breiten und 13 Meter hohen Gebäude einen Hauch von Harmlosigkeit. Doch damals war alles anders. Da ließ Klara Rebbelmund in der Gastwirtschaft am Marktplatz, die sie mit ihrer Schwiegermutter und Schwägerin führte, alles liegen und stehen, wenn der Voralarm durch die Straßen schrillte. „Ich schnappte mir nur meinen Bruno.“ Bruno, heute ein stattlicher Mann von 67 Jahren, war damals erst wenige Wochen alt.
Lange, leere Gänge liegen vor uns
Ulrike Will (42) – bei der Feuerwehr Oberhausen für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständig – öffnet die erste der beiden schweren Stahltüren. Etwas muffig, aber weiß gekälkt liegen lange, leere Gänge vor uns. Seitlich abgetrennt ein kleines Waschbecken, zwei, drei Toiletten. „Ja, Toiletten hat es hier unten früher auch gegeben“, reist Klara Rebbelmund in Gedanken zurück. „Nur waren die nicht so sauber.“ Und eine Küche. Da habe sie immer das Wasser für die Säuglingsmilch warm gemacht. Ihre Familie habe im ersten Obergeschoss einen Platz in einer kleinen Kammer gehabt. „Das war gleich die zweite Tür von rechts.“
1944 und 1945 seien die meisten Luftangriffe auf Oberhausen geflogen worden, erzählt Klara Rebbelmund. Die Ruhrchemie in Holten sei eines ihrer Ziele gewesen. Manchmal habe sie Tag für Tag auf dieser Notpritsche in der schmalen, dunklen Kammer gesessen. „Die Angst war furchtbar“, erinnert sie sich. „Wir wussten ja nie, was uns draußen erwartet.“ Glück hatte, wer den Weg zum Bunker schaffte. „Mein Cousin, seine Frau und die drei Kinder kamen nicht weit von hier im Keller ihres Hauses an der Kastellstraße um Leben.“ Das jüngste Kind sei gerade sieben, acht Jahre alt gewesen.
Wegen der vielen Angriffe habe sie ihren Bruno im Januar 1945 lieber in Wesel zur Welt gebracht. „Dort ging es ruhiger zu.“ Wenig später aber sei sie schon wieder nach Oberhausen zurückgekehrt. „Das war wohl Schicksal, denn im März wurde Wesel wegen der letzten Rheinbrücke Ziel eines großen Luftangriffes.“ 98 Prozent der Stadt wurden dem Erdboden gleichgemacht. „Damit gilt Wesel als die im Zweiten Weltkrieg am schlimmsten zerstörte Stadt Deutschlands“, erzählt Bruno Rebbelmund.
Luftschutzkeller unter dem Festsaal
Während die Holtener alle Stammplätze im Bunker hatten, mussten die ausländischen Zwangsarbeiter in den Luftschutzkellern Zuflucht suchen. „Einer davon befand sich unter dem Festsaal unserer Gastwirtschaft“, erinnert sich die 97-Jährige. Bei einem Bombenangriff im August 1944 wurden Hauswand und Saal getroffen: „18 Niederländer verloren ihr Leben.“
Der damalige Ortsgruppenleiter habe der Familie dennoch nur „einen leichten Schaden“ attestiert. „Der konnte uns nicht ausstehen, weil wir eine katholische Wirtschaft führten und weder mein Mann noch mein Schwiegervater Mitglied in der NSDAP waren“, sagt die 97-Jährige. Bei einem schweren Schaden hätte ihr Mann von der Front zurück nach Hause kommen dürfen. „So aber geriet er in russische Gefangenschaft, die er nicht überlebte – seinen Sohn hat er nie gesehen.“ Der Bunker an der Bahnstraße ist in den 1990er Jahren inklusive der sanitären Anlagen komplett saniert worden. Er wird für den Katastrophen- und Kriegsfall vorgehalten. Der dreigeschossige Bau mit bis zu 4 Meter dicken Wänden bietet Platz für 1650 Menschen.