Oberhausen. . Die Busfahrt dauert eine Stunde, zehn Minuten. Und liefert Entspannung pur: Hier grasen Kühe

„Und hier grasen die Kühe.“ Bei diesem Hinweis kann sich meine Busfahrerin ein Lachen nicht ganz verkneifen. Ich sitze in der Linie 954 von der Hirschkampstraße in Richtung Sterkrade Bahnhof, gleite mit vielleicht 40 km/h über die Emmericher Straße und komme zu einer weittragenden philosophischen Erkenntnis: Das Leben ist eine lange ruhige Busfahrt.

Zu beneiden sind meine Kolleginnen im Auto und auf dem Rad nicht. Schalten, Gas geben, bremsen – ach nö. Ist das nicht Verschwendung von Lebenszeit? Geradezu verschwenderisch schön breitet sich hingegen Oberhausen an der riesigen Glasscheibe meines Busses aus. Zu Beginn an der Walsumermark führt er mich über die Franzosenstraße durch einen Wald, links entlang an Maisfeldern und Weiden.

Die Seele atmet durch

Die Seele atmet durch, „herrlich“, kommentiert die Busfahrerin so viel Idyll. Beneidenswert, denke ich, sie darf diese Strecke fast jeden Tag entlang gondeln, und wird dafür auch noch bezahlt. Die gebürtige Jugoslawin ist Oberhausenerin aus Überzeugung. Seit 30 Jahren lebt sie hier, seit zehn Jahren fährt sie Bus in Oberhausen, Duisburg und Bottrop.

Der 954 ist nichts für kurzatmige Hektiker. Allenfalls zum Schulverkehr wird’s hier stressig. Wer ihn nimmt, will eigentlich so bald nirgendwohin, sondern sehen und genießen. Oder er steigt am Bahnhof Holten aus. Wenn’s gut läuft, ist man dann nach zehn Minuten in der Oberhausener City: Gesamtfahrzeit 33 Minuten. Wer sitzen bleibt, legt 40 Minuten drauf, erfährt eine Menge mehr, zum Beispiel wie sich die Siedlung an der Hühner- und Antwerpener Straße entwickelt. „Hier wurde schnell gebaut“, zeigt die Fahrerin, dort ist endlich die Garagenzufahrt fertig, hier bekam die Fassade einen frischen Anstrich.

"Wer einmal Schmachtendorf genossen hat..."

Am Buchenweg rasen die Boliden über die A3. Entspannt schlendern wir unter der Brücke her. Da vor uns ein Kehrmaschinenwagen so manierlich die Straße schrubbt als stünde ihm dafür nur eine weiche Zahnbürste zur Verfügung, bleibt Zeit für Muße. Und die giftgrünen Graffitifrösche nebst Fliegenpilzen, die Schmachtendorfer Jugendliche womöglich als augenzwinkernde Botschaft hinterließen. „Wer einmal Schmachtendorf genossen hat...“, grübele ich über einen werbeträchtigen Sinn der Brückenkunst nach.

Apropos Frosch: durch Holten und Biefang führt der Weg auch. Erst nach etwa 40 Minuten kündigen sich urbanes Flair und die Neumühler Straße an. Am Sterkrader Bahnhof wechsel ich auf ein Gefährt in Richtung Trasse, der Rest zwischen dort und Hauptbahnhof ist schnell im Takt einer Großstadt erzählt: rein, raus. Meine Bilanz: Mit einer Stunde zehn Minuten lande ich in Sachen Tempo zwar auf Platz drei, doch ich habe mindestens sieben Stadtteile nicht nur durchquert sondern gesehen. Neben dem Fahrrad ist der Bus deshalb mein Favorit.

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