Oberhausen. . Für erheblichen Diskussionsstoff hat das Interview des Oberhausener CDU-Parteivorsitzenden und Landtagsabgeordneten bei Bürgern und Stadtoberen gesorgt. SPD, Grüne und Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier haben die kritischen Äußerungen von Hausmann zur Arbeit von Sozialdemokraten, Grünen, Polizei und Justiz mit teils heftigen Worten zurückgewiesen. Wir dokumentieren hier das vollständige Interview im Wortlaut.

Herr Hausmann, seit fast 50 Jahren kommt die CDU in Oberhausen nicht auf einen grünen Zweig: Die SPD regiert und regiert. Warum versagt hier Ihre Partei von Wahl zu Wahl?

Wilhelm Hausmann: Versagen will ich das nicht nennen. Wir haben es hier schwer, weil sich eine Partei die Stadt angeeignet hat. Die SPD hat hier allumfassend in Verwaltung und in Vereinen alles mit ihren Leuten besetzt. So gehen wir nicht vor: Wir wollen ja nicht den roten durch einen schwarzen Klüngel ersetzen. Aber die Macht der SPD bröckelt: Von der absoluten Mehrheit haben wir sie auf 44 Prozent gedrückt.

Na ja, bei der Landtagswahl im Mai dieses Jahres sackte die CDU in Oberhausen im Vergleich zu vorherigen Wahlen wieder stark ab. Das zeigt: Die Oberhausener sind von der Arbeit der SPD überzeugt.

Hausmann: Die Auswertung der Landtagswahl hat gezeigt, dass die Gründe für die Niederlage der Partei nicht bei der Oberhausener CDU zu suchen sind, sondern dass es die NRW-CDU nicht geschafft hat, den Bürgern zu erklären, was sie im Land besser machen will. Gerade das versuchen wir hier aber vor Ort: Wir erklären auch, welche Alternative uns vorschwebt.

Wenn man Sie so reden hört, hat die CDU in Oberhausen keine Fehler gemacht. Aber dann hätte sie die Regierung hier ja mal errungen. Was hat die CDU also falsch angepackt?

Hausmann: Ich würde nicht von falsch reden. Aber wir nehmen nicht wie die SPD eine Verwaltung mit Mann und Maus so in Gefangenschaft. Für uns heiligt nicht der Zweck die Mittel, wir gehen nicht in dieser Härte wie die SPD vor. Man sieht doch überall in Deutschland: Wenn die CDU in einer Stadt an der Macht ist, dann geht es dieser Stadt besser. Wenn die CDU eine Stadt 50 Jahre regiert hat, dann ist sie nicht pleite und ruiniert. Wenn die SPD so lange regiert, wie in Oberhausen, dann ist die Stadt immer am Ende.

Das konnte die CDU hier ja nie zeigen. Ist die CDU hier in Wahrheit nicht einfach viel zu bequem? In der Opposition gibt es doch auch Dienstwagen und Aufsichtsratsmandate.

Hausmann: Nein, wir haben doch nie Rücksicht genommen darauf, ob für uns ein paar Brocken abfallen. Wir haben etwa unseren früheren Ordnungsdezernenten Dirk Butler gegen den Oberbürgermeister kandidieren lassen, obwohl wir wussten, dass das seinen Job kosten kann. Wir haben doch deshalb keinen Beigeordneten mehr, weil wir so unbequem waren. So geht man hier mit Andersdenkenden um. Wir zögern nicht, den Mund aufzumachen.

Warum fallen dann aber die Angriffe von CDU-Politikern so zahm aus? Scheuen Sie in Wahrheit den Konflikt mit den Mächtigen?

Hausmann: Nein, wir nehmen den Konflikt in der Sache auf. Wir sind gegen Personen verbindlich, aber wir sind hart in der Sache. Wir werden nicht Personen angreifen, denn Krawallmacher mögen unsere Wähler auch nicht.

Enttäuscht von den Grünen 

Sie sind ja seit 2003 CDU-Chef in dieser Stadt, aber führen zugleich ein Architektenbüro in Oberhausen, das auch von öffentlichen Aufträgen lebt. Da will man es sich vielleicht nicht mit Stadtoberen verderben und hält sich mit lautstarker Kritik lieber zurück, oder?

Hausmann: Nein, da gibt es keinen Interessenkonflikt. Wie viele andere im Rat bin ich hier berufstätig und die Vergabe-Richtlinien sind streng und transparent, die gelten für alle. Es wird ja nicht heimlich gebaut. Ich sage trotzdem immer meine Meinung, selbst wenn sich der Oberbürgermeister darüber laufend aufregt.

Können Sie sich noch ein Bündnis mit den Grünen vorstellen, um die SPD-Mehrheit hier zu knacken? Oder ist die Chance dafür vorbei?

Hausmann: Das muss nicht endgültig vorbei sein. Die Grünen hatten vor der letzten Kommunalwahl im Jahre 2009 eine klare Koalitionsaussage zugunsten der CDU gemacht, leider reichte es dann rechnerisch nicht für Schwarz-Grün. Die Grünen hätten sich nach der Kommunalwahl nicht mit der SPD vor Ort zusammengeschlossen, wenn nicht Bärbel Höhn aus rein landespolitischen taktischen Erwägungen hohen Druck auf die Grünen hier ausgeübt hätte.

Sind Sie von den Grünen enttäuscht, seit sie an der Macht beteiligt sind?

Hausmann: Ich bin schon enttäuscht. Grundsätzlich sind die Grünen eine Klientelpartei, die vor allem ihre Stammwähler absichern will. Sie denken sich eine Menge an teuren bürokratischen Vorschriften und Auflagen aus, die vor allem die kleinen Leute, Handwerker und Mittelständler bezahlen müssen. Und jetzt haben Sie sich der SPD angepasst. Die einzigen, die noch mahnen, man muss auch mal an die kleinen Leute und Betriebe denken, sind wir Christdemokraten.

Sie sind ja seit Mai neuer Landtagsabgeordneter. Jetzt geben Sie Ihr Ratsmandat wegen der Vierfach-Belastung von Beruf und Politik ab. Warum haben Sie nicht Ihr Landtagsmandat niedergelegt?

Hausmann: Für die CDU Oberhausen ist es enorm wichtig, in Düsseldorf einen Landtagsabgeordneten zu haben. Bei der Entscheidung haben jedenfalls finanzielle Gründe keine Rolle gespielt. Man erhält als Abgeordneter zwar rund 10.000 Euro brutto im Monat, doch für mich bleibt da praktisch nichts übrig. Da geht der Altersvorsorge-Beitrag von über 2000 Euro ab, die Partei erhält bis zu 1000 Euro, ich zahle einen Steuersatz von 40 Prozent und musste nun in meinem Architektur-Büro für die laufende Arbeit extra eine Kraft einstellen.

Wie empfinden Sie denn die Atmosphäre in Düsseldorf?

Hausmann: Ich habe an Fraktionssitzungen und Arbeitskreisen teilgenommen und das tägliche Brot eines Abgeordneten kennengelernt. Die Fraktion ist sehr gut aufgestellt und wir haben uns mit dem schlechten Wahlergebnis der CDU bei der Landtagswahl auseinandergesetzt.

"Umbau der JVA finanziell und politisch falsch" 

Ihre Landespartei ist ja momentan noch in einem desolaten Zustand. Welche Defizite machen Sie denn in der NRW-CDU aus?

Hausmann: Ja, wir haben Probleme, die wir angehen müssen. So haben wir zu wenig dargestellt, wofür wir stehen. Wir wollen nicht mehr diese hohe Verschuldung des Staates, vergaßen aber, zu zeigen, wie wir das anpacken wollen. Wir kämpfen für industrielle Projekte doch nicht, um der Großindustrie einen Gefallen zu tun, sondern weil wir für Arbeitsplätze kämpfen. Wer uns wählt, ist fleißig, hält seine Familie in Ordnung, hat keine Schulden. Er will Beständigkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit. Und da haben wir den Fehler gemacht, uns von Themen treiben lassen, wie bei der Kernenergie oder dem Nein zu Studiengebühren.

Viele Bürger ärgern sich über die Leistungen der Stoag. Das Netz wird immer weiter ausgedünnt, die Ticket-Preise steigen von Jahr zu Jahr ins Uferlose. Was muss passieren?

Hausmann: Wir haben immer noch ein besseres dichteres Busliniennetz als in anderen Städten. Aber in Oberhausen passen Stadtentwicklungsplanung und Nahverkehrsplanung nicht zusammen. Viele Klaviere spielen, aber jeder spielt eine eigene Melodie. Zudem wird das Netz nicht ständig überprüft und nach dem Bedarf angeglichen.

Eltern, Schüler, Lehrer ärgern sich über den Zustand der Schulgebäude. Kaputte Toiletten, zugige Fenster. Haben die Kritiker hier Recht oder ist das Wehklagen auf hohem Niveau?

Hausmann: In der Bestandsaufnahme haben die Kritiker sicherlich Recht. Aber es gibt ja zwei Ursachen dafür: Die Gebäude werden schlecht unterhalten und die Nutzer haben sich schlecht benommen. Grundsätzlich stimmt die Richtung in dieser Stadt nicht: Man sollte doch die Schulen schließen, die einen hohen Sanierungsbedarf haben und die nur teuer barrierefrei umzubauen wären. Aber eine solche Bestandsaufnahme gibt es hier nicht, auch die OGM-Experten haben hier kein Konzept vorgelegt.

Die für gut eine Million Euro zum Therapiezentrum umgebaute JVA soll abgerissen werden. Warum haben Sie diese Steuerverschwendung nicht gestoppt?

Hausmann: Wenn es einen Weg gegeben hätte, wie das gegen die Mehrheiten gehen könnte, hätten wir das gemacht. Immerhin haben wir dafür gesorgt, dass die Unterbringung von Gewalttätern in Oberhausen in der Öffentlichkeit breit diskutiert worden ist. Und wir haben Alternativen aufgezeigt: Man hätte diese Täter doch auch, wenn ein Gericht die Therapie-Unterbringung anordnet, in eine bestehende Forensik oder in eine Anstalt eines anderen Bundeslandes bringen können. Der Umbau der JVA war jedenfalls finanziell und politisch falsch. Denn die Entscheidung der rot-grünen Landesregierung und des Oberbürgermeisters hat Oberhausen bundesweit wieder in ein negatives Licht gerückt. Hier haben weder Sozialdemokraten noch Grüne Fingerspitzengefühl gezeigt.

Konsequenter Umgang mit jungen Straftätern 

In Oberhausen erleben wir gerade eine Welle an Taschendiebstählen und Wohnungseinbrüchen. Muss die Polizei hier mehr tun?

Hausmann: Nach meiner Auffassung muss die Polizei deutlich stärker handeln als bisher. Vor allem Wohnungseinbrüche bedeuten eine Verletzung des persönlichsten Bereiches einer Familie – und trotzdem sind hier die Aufklärungsquoten besonders schlecht. Meine Familie ist ja selbst Opfer eines Einbruches geworden, wir hatten sogar die Personalien und Wohnort des Täters. Doch selbst in einem für die Polizei so idealen Fall ist der Täter am Ende den Ordnungshütern entwischt.

Also ist die Polizei zu schwach aufgestellt?

Hausmann: Ich will nicht die gesamte Schuld der Polizei geben. Im Strafrecht sind auch die Justizminister gefragt: Bei eindeutigen Vergehen muss die Bestrafung durch den Rechtsstaat umgehend erfolgen. Und wir benötigen einen konsequenten Umgang mit jungen Tätern: Es kann nicht sein, dass Bürger ab 16 Jahren wählen können, aber bei Rechtsverstößen nach dem milden Jugendrecht verurteilt werden. Da muss dann das Erwachsenenstrafrecht gelten. Wir können doch 16-jährigen nicht einerseits die vollen Recht von Erwachsenen geben, aber bei Verstößen so tun, als seien sie nicht mündig. Da sagen wir den Jugendlichen doch: Du hast alle Rechte, aber wenn Du gesellschaftsschädlich handelst, dann zieht das keine entsprechenden Konsequenzen nach sich. Das ist doch ein völlig falsches Signal.

Ein Aufreger-Thema unter den Oberhausenern ist die Frage, ob die Müllverbrennungsanlage GMVA der Stadt und den Bürgern zu hohe Müllkosten berechnet hat. Da läuft derzeit das Preisüberwachungsverfahren, das bisher aber noch nicht vorangekommen ist. Was erwarten Sie da?

Hausmann: Das Verfahren müssen wir abwarten. Aber unter Rot-Grün im Rathaus hat sich niemand als Anwalt der Bürger verstanden, um dafür zu sorgen, dass die Müllgebühren gerecht und nicht zu hoch sind. Nach unserer Auffassung sind diese beiden Punkte nicht erfüllt. Die Oberhausener zahlen leider die höchsten Müllgebühren, die höchsten Kita-Beiträge und bald auch die höchsten Grundsteuerbeträge. Jedem Bürger, jedem Kleinstverdiener in Oberhausen kostet das Vergnügen von SPD und Grünen regiert zu werden, einige hundert Euro mehr im Jahr. Da werden die Oberhausener sicher mal drüber nachdenken, wer hier in dieser Stadt besser regieren würde.

Oberhausen erlebt derzeit einen Höhenflug bei Bauinvestitionen: Rund 200 Millionen Euro stecken Privatunternehmen in Bürogebäuden, Freizeitparks und Einkaufszentren. Da hat die Stadtspitze also alles richtig gemacht?

Hausmann: Was hat denn die Stadtspitze damit zu tun, was hat sie denn dafür getan, dass das hier passiert? Ich sehe da nichts

Das Interview mit CDU-Parteivorsitzenden Wilhelm Hausmann führte
WAZ-Redakteur Peter Szymaniak