Oberhausen. Ertekin Aksünger verstärkt seit Kurzem die Ratsfraktion der Grünen.Der Deutsch-Kurde fordert mehr Engagement von Jugendlichen und Migranten.
Es gibt zwei Dinge, die in Ertekin Aksüngers Leben wichtig sind: Familie und Politik. Erst waren es die Vorgänge in seiner türkischen Heimat, die ihn interessierten, später dann auch die vor der eigenen Haustür. „Politik geht uns alle an“, sagt der 44-Jährige. „Wir leben doch alle hier.“ Seit Ende Juni kann der Alstadener auch mitgestalten – als neues Ratsmitglied der Grünen.
Erste Station Integrationsrat
Schon seit 2004 beschränkt sich Ertekin Aksünger nicht darauf, Nachrichten zu lesen und darüber zu diskutieren, er macht selbst mit. Zunächst im Integrationsrat als Mitglied der multikulturell aufgestellten Demokratischen Immigrantenliste (DIL). Die einzige, die den Politiker angesprochen hat. „Eine rein türkische Liste hätte mich nicht interessiert“, sagt er. Sein Wunsch sei es schon immer gewesen, dass im Integrationsrat alle Nationen vertreten sind.
Doch Aksünger sieht das Gremium, dem er bis heute die Treue hält, auch kritisch. „Es beteiligen sich viel zu wenige an den Wahlen.“ Er glaubt, dass mehrsprachige Werbung für mehr Resonanz sorgen könnte. Aksünger weiß aus eigener Erfahrung, dass Migranten schwer zu erreichen sind: „am besten über die Vereine“. Dabei wünscht der frischgebackene Ratsherr sich eine viel größere Beteiligung und Präsenz von Menschen mit Migrationshintergrund, „in der Stadtverwaltung, bei der Polizei, in der gesamten Stadtgesellschaft“. Hierfür sei jedoch vor allem wichtig, dass Zugewanderte und deren Kinder die deutsche Sprache beherrschen. „Ich habe auch Verwandte, die nicht richtig Deutsch sprechen“, sagt Aksünger. „Das kritisiere ich immer wieder.“
Deutsch-türkischer Alltag
Fünf Jahre alt war der heutige Ratsherr, als er seinem Vater ins fremde Deutschland folgte. „In den ersten Jahren wollten meine Eltern noch zurück“, erinnert er sich an die Zeit auf gepackten Koffern. Doch die Aksüngers blieben und wurden in Oberhausen heimisch: Vater, Mutter und sieben Kinder, von denen inzwischen eines verstorben ist.
Heute könne er gar nicht mehr in der Türkei zurechtkommen, sagt Aksünger, „ich hätte Schwierigkeiten.“ Dennoch lebt er tagtäglich nicht nur deutschen Alltag als Industriemechaniker, der bei Mercedes in Düsseldorf die Sprinter herstellt, sondern auch ein großes Stück seiner türkisch-kurdischen Herkunftskultur beim Zusammenleben mit seinem 72-jährigen Vater, der vor zwei Jahren verwitwet ist.
Schon als Kind auf Demos
„Familie ist sehr wichtig“, sagt Aksünger. „Egal, was passiert, der Halt ist die Familie.“ Und so kümmert er sich liebevoll um die Kinder seiner Geschwister und hilft Verwandten dabei, mit der deutschen Bürokratie zurechtzukommen. Auch die Religion ist dem Aleviten wichtig, in seiner Freizeit engagiert er sich in dem Kulturverein, dessen Vorsitzender sein Bruder ist.
Ob es sein politisches Engagement verstärkt hat, dass er als Kurde und Alevit gleich zwei Minderheiten angehört, die in seinem Heimatland bis heute unter Repressalien zu leiden haben? „Bestimmt“, sagt Aksünger und schaut nachdenklich. Das sei zuhause immer Thema gewesen. „Wir waren schon als Kinder mit auf Demos, das prägt einen schon.“
Zu den Grünen kam Aksünger 2004. „Ich habe damals Unterstützer für den Integrationsrat gesucht.“ Er scheint Eindruck gemacht zu haben. Einer Einladung zur Fraktionssitzung folgt 2005 der Eintritt in die Partei. Als Volker Wilke zurückgetreten war, konnte er jetzt in den Rat aufrücken. Einen Vorgeschmack auf die Arbeit, die auf ihn zukommt, bot Aksünger seine erste Ratssitzung: „sechs Stunden“. Abschrecken kann ihn das nicht, auch wenn er noch nicht so recht weiß, wie er sein neues Ehrenamt mit Arbeit, Familie und Freizeit vereinbaren soll. „Alles eine Frage der Organisation“, sagt er lächelnd. Die Freude überwiegt: endlich Politik zum Mitmachen.