Oberhausen. .

Wenn alles nichts mehr ist, und dieses Nichts zum Alles wird – läuten bei Ingolf Willuweit die Alarmglocken. Dann weiß der 50-Jährige: „Die Depression ist zurück.“ Mittlerweile hat er diese schwere Krankheit überwunden.

Um anderen Betroffenen Mut zu machen, bekennt er sich nun öffentlich dazu und läuft vom 21. bis 31. Juli bei der vierten Etappe der Mood-Tour mit. „Bei der Mood-Tour geht es darum, mit Menschen mit und ohne Depressionserfahrungen quer durch Deutschland zu fahren“, erzählt Willuweit. Die Streckenlänge beträgt insgesamt 4500 Kilometer. Stationen sind unter anderem: Köln, Bochum, Münster.

Die Mood-Tour macht Mut

Die Mood-Tour 2012 ist in sieben Etappen aufgeteilt und wird auf drei Tandems bewältigt. „Das Team besteht aus jeweils drei bis vier Menschen mit Depressionserfahrungen und drei weiteren ohne“, führt der Oberhausener aus. Begleitet wird die Tour von Wissenschaftlern der Sporthochschule Köln und einem Ärzteteam aus Freiburg. Ihr Ziel: Eine lange tabuisierte Erkrankung ins Licht der Öffentlichkeit rücken.

Nicht gut gefühlt

Nötig ist es noch immer. Auch nach dem tragischen Freitod von Bundesliga-Torwart Robert Enke. Wie heimtückisch diese Erkrankung ist, hat Ingolf Willuweit am eigenen Leib erfahren. „Zum ersten Mal hat es mich vor rund zehn Jahren im Türkei-Urlaub erwischt“, erinnert er sich. Auch vorher habe er sich ab und an schon mal irgendwie nicht gut gefühlt. Aber diesmal war es heftiger: „Ich war nur auf dem Zimmer, war sogar zu schlapp um Essen zu gehen.“ Zum ersten Mal brannten sie sich in seine Hirnwindungen diese, er nennt es selbst, Lebensüberdrussgedanken. „Mein Leben war scheiße, ist scheiße und wird auch scheiße bleiben.“ Keine Hoffnung mehr.

Keine Erinnerung mehr

Keine Erinnerung an all die Erfolge. An den Hauptschulabschluss, an die abgeschlossene Schlosserlehre. An die Zeit unter Tage als Maschinenhauer in Sterkrade. An den Entschluss, das Abi am Berufskolleg nachzumachen. An das halbe Jahr in Indien. An das Studium, den Abschluss in Sport und Gestaltung. An die Anstellung als Lehrer, an die Freude am Unterrichten.

Vier Jahre ein ständiges „Ich will nicht mehr“, gefolgt von, „Es geht wieder“. Dann saß Ingolf Willuweit vor dem Computer und recherchierte, wie er seinem Leben ein Ende bereiten könnte. Doch irgendetwas hielt ihn zurück, ließ ihn doch den Weg zum Psychiater finden. „Als der mir dann eine handfeste Depression bescheinigte, dachte ich nur, quatsch, ich doch nicht.“ Er wollte den „Stempel Krankheit“ nicht. Und kam doch nicht daran vorbei.

Medikamente halfen ihm über schwere Tage hinweg. „Aber die Pillen machten mich dick und müde.“ Immerhin ließen sie ihn auch wieder fühlen: „Ach, so ist das Leben?“

Dank Therapie und Rehamaßnahmen weiß er heute: „Ich wollte zu viel, habe immer nur geguckt, was ich nicht habe.“ Ein Jahr lang kämpfte er, auch mit den ständig zurückkehrenden Gedanken, dass ja doch alles keinen Zweck hat, alles keinen Spaß mehr macht. „Der erste Schritt ist, die Krankheit anzunehmen“, weiß er jetzt. Dabei habe ihm die Reha geholfen. Sie hat ihn gestärkt. Auch für den Rückfall nach zwei Jahren.

Seitdem geht es bergauf

„Aber seitdem geht es bergauf“, sagt Willuweit. Zwei Bücher („Mein Weg aus der Depression“ von Patrick Kraft und „Das Monster Die Hoffnung und ich“ von Sally Brampton) haben ihn erkennen lassen: „Ich bin nicht alleine“. Aber auch der Sport hat ihm geholfen. „Ich habe wieder angefangen zu laufen und Krafttraining zu machen.“ In Bewegung kommen, so spürte er, ist das Beste, um die seelische Lähmung zu überwinden. Irgendwann will er wieder einen Marathon laufen, bei einem Triathlon mitmachen – so wie früher. Dranbleiben, loslassen, vor allem die hohen Erwartungen an sich selbst. Das Leben läuft wieder – und Ingolf Willuweit läuft mit.