Krakau.
Energiegeladen geht es zu, wenn das Ensemble des Theaters „Laznia Nowa“, zusammengesetzt aus Laien und Profis, über die Bühne wirbelt. „Enter the Dragon. Trailer“ ist der Quotenhit der polnischen Schauspielschar, die am Sonntagabend, 18 Uhr, im Theater Oberhausen das „NRW Theatertreffen“ eröffnet. Es handelt sich um eine Show, die mit Elementen des Kung-Fu-Films spielt und mit Klischees von Männlichkeit jongliert. Das Oberhausener Theater verbindet eine langjährige Freundschaft mit dem Krakauer Ensemble – gegenseitige Besuche inklusive. Beide Häuser stemmen die kreative Arbeit unter schwierigen Bedingungen.
Stadtteil mit bewegter Geschichte
„Laznia Nowa“ versteckt sich hinter Sozialistenschick. Nowa Huta heißt der Stadtteil von Krakau und hat eine bewegte Geschichte. Blockweise hat Stalin hier in den 1950er Jahren Wohntürme hochziehen lassen für Hunderte Menschen. Nach dem Krieg avancierte der Vorort zu einem kommunistischen Vorzeigeprojekt, fast alle Bewohner arbeiteten im benachbarten Stahlwerk. Es sollte ein kommunistisches Gegengewicht zum konservativ-kirchlichen Krakau geschaffen werden. Später spielte indes die Kirche eine große Rolle und unterstützte die Solidarność-Bewegung, die in dem Stadtteil ein Zentrum gefunden hatte. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 haben viele Menschen ihre Arbeit verloren. Entstanden ist ein Stadtteil, grau in grau, mit besonderem Erneuerungsbedarf, den die Unesco zum Teil unter Denkmalschutz gestellt hat.
„Die Menschen hier sind sehr auf Symbole bedacht. All die Jahre stand eine Statue von Stalin im Zentrum von Nowa Huta. Als das System zusammenbrach wurde das Denkmal einfach abgebaut und an einen Privatmann nach Schweden verkauft“, erinnert sich Bartosz Szydłowski. Er leistet Pionierarbeit. In einer ehemaligen Fabrik, in der so gut wie alle Bewohner von Nowa Huta ihr Gesellenstück aus Stahl gefertigt haben, hat er ein Theater etabliert. Es war ein steiniger Weg.
Rückkehr nach dem Studium
„Nach der Wende hat sich das Leben vieler Menschen nur noch zwischen Kirche, Supermarkt und Fernseher abgespielt. Viele jüngere Leute sind weggezogen“, erzählt Bartosz Szydłowski. Auch er gehörte dazu. Er selbst ist hier aufgewachsen, kennt den Stadtteil und seine Probleme. Zum Studium kehrte er Nowa Huta den Rücken, studierte zunächst ein paar Semester Philosophie, um dann auf Dramaturgie umzuschwenken. In den 90er Jahren etablierte er ein kleines Theater im jüdischen Stadtteil von Krakau, Kazimierz. Es war ein Projekt, das von der Kritik gefeiert wurde und beim Zuschauer gut ankam. Doch die ehemals heruntergekommenen Straßenzüge veränderten ihr Bild, nach den Künstlern und Kneipiers kamen die Investoren nach Kazimierz und verlangten mehr Miete. Für Szydłowskis Theater war plötzlich kein Platz mehr.
Ein findiger Lokalpolitiker schlug ihm schließlich die heruntergekommene Fabrik in Nowa Huta vor. Szydłowski schluckte – und sagte zu.
„Als wir hier anfingen, gab es nichts. Wir mussten renovieren und die alten Hallen erstmal herrichten.“ Seine Frau, eine Innenarchitektin, verwirklichte ihre Ideen. An den Wänden zeigen Bilder, wie es früher aussah. Die Halle lässt sich teilen, vor maximal 500 Leuten kann das Ensemble spielen. Doch nicht nur Theater findet in den Räumen von „Laznia Nowa“ statt. Die Schauspieler geben mit Interessierten eine Zeitung für den Stadtteil heraus. Es gibt Workshops und eine Zusammenarbeit mit Jugendlichen. So oft es geht beziehen die Darsteller auch Laien in ihr Spiel ein.
Zeit, etwas zurück zu geben
Und siehe da, auch in Nowa Huta wird das Ensemble immer beliebter. Manchmal spenden die Kirchen aus der Umgebung sogar ihre Kollekte ans Theater. Die Kritik feiert „Laznia Nowa“ ohnehin. Bartosz Szydłowski wurde neulich sogar gefragt, ob er nicht ein großes Festival in Krakau kuratieren möchte. Eine große Ehre, insgesamt gibt es neun Häuser in der Stadt. Der Regisseur bleibt dennoch bescheiden und besinnt sich auf seine Wurzeln: „In den 90er Jahren haben die Eliten Nowa Huta verlassen, sind in die Welt gezogen und haben Karriere gemacht. Es wird Zeit etwas zurück zu geben.“
Für die Aufführung am Sonntag, 18 Uhr, gibt es noch Karten an der Abendkasse. Die Tickets kosten zwischen 5 Euro und 22,50 Euro. Im Anschluss wird eine polnische Party mit Unterstützung des Gdanska gefeiert.