Oberhausen.

Zwei arme Seelen könnten zueinander finden, schaffen es aber nicht, scheitern am Leben. In Tom Waits’ Woyzeck-Opera, die 2008 wie ein Paukenschlag die erste Carp-Spielzeit eröffnete, war Jürgen Sarkiss der gescheiterte Held, der seine geliebte Marie tötete. „Die Musik macht mich an“, outete er sich damals als Fan des US-amerikanischen Sängers und Komponisten. Seither ging er schwanger mit der Idee, ein Waits-Projekt auf die Bühne zu bringen.

Mit der Produktion von „Wild ­Ye­ars­“, einer eigenwilligen Komposition aus Konzert und Schauspiel, ist ihm das nun gelungen. Premiere war am Mittwochabend im Malersaal. Das Publikum war hingerissen, applaudierte extrem lange, verlangte Zugaben.

Sehnsucht nach Liebe

Als Frank ist Sarkiss wieder ein scheiternder Held. Er entführt die Zuschauer auf eine nächtliche Reise voller Gefühle, getragen von dem großartigen Sound einer Band und der Sehnsucht nach Liebe, die unerfüllt bleibt. Susanne Burkhard spielt und singt die Unerreichbare, die es ihrerseits nicht schafft, der Einsamkeit zu entfliehen, wunderbar in unterschiedlichen Frauenrollen.

Von der Machart her ist die Inszenierung ein Jim Jarmusch-Film: Erst kommt der Star, dann die Geschichte. Der Star ist hier Waits’ einzigartige Musik, die keine Genres kennt, die eingängig ist, Assoziationen weckt und Stimmungen erzeugt wie Trauer, Freude, Übermut, ja auch Wut. Mal klingt es rockig, mal groovig, mal Tango-like, mal ist es eher Blues, mal Jazz. Entscheidend sind die krassen Tempo- und Rhythmuswechsel. Otto Beatus (Akkordeon, Klavier) und die Band mit Peter Engelhardt (Gitarre), Volker Kamp (Bass, Tuba), Axel Lindner (Geige, Orgel, Percussion) bringen nicht nur Instrumente zum Klingen, sondern auch Gegenstände, so dass eine Geräuschkulisse entsteht, die stampft, pfeift, klirrt oder dröhnt. Beeindruckend ist die Kommunikation zwischen den Musikern und den singenden/spielenden Darstellern, wobei Sarkiss zur absoluten Höchstform aufläuft, die Songs herausbrüllt, liegend, hockend, stehend, einen Regenschirm um sich herumwirbelnd passend zu dem Lied „More Than Rain“.

Von Musikalität inspiriert

So eindringlich und flehend, dass man ihn am liebsten umarmen würde, kommt rüber, wenn er bittet: „Please wake me up in my Dreams“. Doch auch Burkhard in der etwas leiseren, manchmal fast gespenstig wirkenden Rolle, besteht. Besonders klasse ist ihre Interpretation von „Yesterday is here“.

Als wäre es von Musikalität inspiriert, gibt es auch im Bühnenbild (Stefanie Dellmann, Mona Ulrich) Tempi und Rhythmen. Durch durchsichtige Vorhänge, die verschiebbar sind, entstehen unterschiedliche räumliche Illusionen. Die Zeitlosigkeit dieses musikalisch-theatralischen Erlebnisses unterstreicht Kostümbildnerin Mona Ulrich, die die Helden der 80er Jahre-Songs in Outfits, die an die wilden 20er erinnern, agieren lässt.