Düsseldorf.. Große Hits und großer technischer Aufwand: Die gefeierte Wiedervereinigung der einstigen Boyband „Take That“ sorgte in der Düsseldorfer Arena für einen spektakulären Konzertabend – mit Riesenroboter und einem Solo für Robbie Williams.
Spinnenmann, steh du voran! Am Ende reckt sich dieser 20 Meter hohe, dem Marvel-Comic-Helden nicht ganz unähnliche Show-Roboter bis unter die Decke der Düsseldorfer Arena. Ein lichterblinkender, computerdirigierter Koloss des Pop, der mit seinen ruckelnden Riesenarmen tanzende „Take That“-Mitglieder balanciert wie King Kong einst die weiße Frau. Ist das Nostalgie? Ist das Fortschritt? Es ist wohl von beidem ein bisschen, wenn „Take That“ ihre lang ersehnte Wiedervereinigung derzeit auf den großen Konzertbühnen feiern - mit einer perfekten Show, die Gigantomanie und große Gefühle kennt.
„Progress“, Fortschritt, heißt ihr neues Album. Wobei man sich als wirklich zukunftsorientierte Band vielleicht nicht unbedingt für eine altgedienten Vorgruppe wie die „Pet Shop Boys“ entschieden hätte. Aber die sind eigentlich auch nur Vorspiel. Denn „Take That“ scheinen auf den ersten Blick als Vorgruppe für einen Mann zu fungieren, der das Gruppensingen vor 16 Jahren im Zorn quittiert hat: Robbie Williams.
Onkel Robbie macht Erwachsenenunterhaltung
Nach einer harmonischen halben Stunde mit Songs wie „Patience“ und „Shine“, mit gelbem Konfetti-Regen und Nationalhymne singen, mit Hoppelhasen, Biene Maja und der Riesenraupe endet deshalb zunächst der familienfreundliche Teil des Take That-Programms und Onkel Robbie macht Erwachsenenunterhaltung. Solo.
Dass die Hallentemperatur gleich um gefühlte 20 Grad steigt, liegt nicht nur daran, dass die Flammenwerfer plötzlich Feuer spucken wie verrückt. Robbie Williams ist immer noch der geborene Pulswärmer und Herzrhythmusbeschleuniger, der sein vornehmliches weibliches Publikum gleich mit der großen Caterpillar-Schaufel anbaggert. Sein „Let Me Entertain You“ ist da kein unverbindliches Angebot, sondern eine Vorgabe. Und den „Rock DJ“ stampft er so tief in die Gehörgänge, als dürfe der Song nie mehr entweichen.
Grandiose Ego-Show von Robbie Williams
Zwischendrin wackelt der 37-Jährige mit Hintern und Finger, sagt ein paar unartige Wörter und „danke, danke, danke“. Wie seine Kollegen das an diesem Abend auch tun, nur hat diese Großmaul-Demut bei ihm etwas Eigenwillig-Berührendes. Und wenn Williams den Song „Angels“ schließlich den Opfern von Oslo und der toten Amy Winehouse widmet, dann glaubt man in diesem verlebten Gesicht, in das sich Sex and Drugs and Depression auf Immer-Wiedersehen gegraben haben, tatsächlich so etwas wie Glück darüber zu erkennen, dass dieser Abend überhaupt noch möglich ist.
Die heiß ersehnte Wiedervereinigung gibt’s dann schließlich auch, mit neuen Songs in bewährter Machart. Obwohl man sich nach Williams grandioser Ego-Show kaum vorstellen kann, dass sich dieser Rüpel-Rüde noch mal ins Boyband-Rudel eingliedert. Natürlich stürzt er sich dann bei „The Flood“ auch kopfüber vom meterhohen, mit Wasserkaskaden umspielten Kulissenhimmel ins Bühnengetümmel, während die anderen vier Bandmitglieder Aufzug fahren.
Milch für Robbie, Rotwein für den Rest
Aber die Zeichen dieser spektakulären, angeblich 56 Millionen Euro teuren Verbrüderungstour von „Take That“ stehen ganz auf Einklang. Allen Beteiligten dürfte dabei klar sein, dass man Megahallen wie die Düsseldorfer Arena nur noch mit gemeinschaftlicher Anziehungs-Kraft in brodelnde „Take That“-Tempel verwandelt, in denen sich wohl situierte Um-die-Vierzigerinnen noch einmal in kreischende Fans verwandeln. Für das Rumpf-Quartett Mark Owen, Gary Barlow, Jason Orange und Howard Donald ist Williams’ Flegelcharme dabei immer noch Gold wert, während der begnadete Entertainer zwar jede Menge Charisma, aber keine neuen Hits beizusteuern hat.
Und so flachst man ein bisschen über alte Zeiten, trällert ein paar alte Songs am Klavier und prostet sich mit einem Gläschen Rotwein zu. Milch für Robbie! Diese leisen Anflüge von Selbstironie tun dem Abend gut, der sonst schon mal in pathetischen Plüsch und musicalische Materialschlachten mündet. Für den neuen Song „Kidz“ verwandelt sich „Take That“ sogar in schwarz-weiß kostümierte Schachfiguren auf einem aberwitzigen Schlachtfeld. Aber die alten Songs, sie bestehen auch ohne Spektakel. „Back For Good“, „Pray“ oder „Relight My Fire“ werden zu von Band und Publikum geschmetterten Hymnen auf eine gemeinsame Vergangenheit, in der man Gruppengesang und rasante Tanzeinlagen mühelos zusammenbrachte.
Die Puste geht „Take That“ dabei auch heute nicht aus. Und sie laufen viel an diesem Abend. Aber sie laufen ihrer Zeit noch nicht hinterher.