Köln. . Mit „I’m Taking Off“ meldet sich ein gereifter Teenie-Schwarm zurück. Nick Carter hat die Backstreet Boys längst hinter sich gelassen und will nun als angehender Dreißiger durchstarten. Die (fast ausschließlich weiblichen) Fans sind mit ihm gealtert.

Es dauert nur eine Minute, da ist der Teenager-Traum von einst geplatzt. Nick Carter, früher besser bekannt als ein Fünftel der Backstreet Boys, der in fast jedem Mädchenzimmer vom Poster lächelte, ist auch nur ein normaler Durchschnitts-Einunddreißiger. Die Haare verwuschelt, der Drei-Tage-Bart verwegen, gleichmütiger Blick, müdes Gesicht. Er begrüßt die Journalisten mit schlaffem Händedruck. Der Come-Backstreet-Boy Carter ist auf Tour durch Deutschland, macht Werbung in eigener Sache. Er hat seine neue Platte dabei, „I’m Taking Off“ heißt die Scheibe. Durchstarten will er in Deutschland zum zweiten Mal. Diesmal alleine.

So süüüß!

„Er ist voll locker. Aber nicht nach seinem ehemaligen Flirt mit Paris Hilton fragen“, bittet die Pressefrau an der Bar und ordert eine Flasche Wasser für die Gäste. Lieber will er über seine deutschen Fans sprechen. Dann sagt er Sätze wie: „In Deutschland zu sein, ist wie nach Hause kommen.“ Tatsächlich haben ein paar gealterte Mädchen Wind von der Sache bekommen und warten vor dem Hotel, um einen Blick zu erhaschen. Ganz so wie damals.

Als Carter das erste Mal in Köln landete, war er 16. Er hatte nicht die beste Stimme der Band, war aber jung, blond und „so süüüß“. Der amerikanische Geschäftsmann Lou Pearlmann brachte die Gruppe 1993 an den Start. Er brachte Howie, AJ, Kevin, Brian und Nick als Konkurrenz zu New Kids On The Block auf den Markt. Die Fünf verkauften mehr als 100 Millionen Platten und landeten dabei zahlreiche Nummer-1-Erfolge in den Charts. Sie gehörten zu den besseren Boybands unter all den Caught In The Act, Worlds Apart und East 17, die auch um Plattenkäuferinnen und Mädchenherzen warben. 2001 wurde es dann ruhiger um die Band, Trennungsgerüchte machten die Runde.

2002 nur ein Achtungserfolg

„Wir waren damals die ganze Zeit in den USA auf Tour und waren auch dort voll erfolgreich“, erklärt Nick Carter, warum er und die anderen nach 2001 in Europa plötzlich von der Bildfläche verschwunden sind. Mit den ehemaligen Kontrahenten New Kids On The Block machten sie gemeinsame Sache und verzückten die amerikanischen Mädels. Wahr ist aber auch, dass Carter der frühe Erfolg nicht bekommen ist, er Drogen und Süßigkeiten in sich hineinstopfte. Mit seinem ersten Solo-Album „Now Or Never“, das er 2002 aufnahm, verbuchte er lediglich einen Achtungserfolg.

Nick Carter. Foto: Warner
Nick Carter. Foto: Warner © Warner

Nun also „I’m Taking Off“. Als erste Single daraus erscheint der Schmachtfetzen „Just A Kiss“. Das Lied hört sich verdächtig nach Backstreet Boys an – eingängig, seicht, mit ein paar Keyboard-Klängen tanzbar gemacht. Damit ein paar Hits herausspringen, hat sich der gereifte Teenie-Schwarm zahlreiche Produzenten, etwa Toby Gad (Beyoncé), Brent Kutzle (One Republic) oder Rami (Celine Dion), ins Studio geholt. „Ich habe genau mein Ding gemacht. Jeder Produzent ist ein Coach, der das Beste aus einem herausholen soll.“ Damals beim ersten Solo-Versuch sei er noch nicht bereit gewesen. Doch jetzt habe er an allen Songs mitgearbeitet.

German Schnitzel

Am Abend gibt Nick Carter ein Konzert im Kölner E-Werk. Seine Fans sind gereift, genau wie er. „Aber ich fühle mich immer noch jung. Ich bin im besten Alter.“ Zum Aufwärmen gibt’s ein paar Stimmungsgaranten von den Backstreet Boys. Die Mädchen, pardon: Frauen, kreischen wie eh und je. Sie halten ihre Handys in die Luft, um einen Hauch von Nick Carter im Display mit nach Hause zu nehmen. Die Poster zu Hause werden die meisten wohl eingemottet haben. Zwischendurch verrät er sogar sein Lieblingsgericht: „German Schnitzel mit Kartoffelsalat“, ausgerechnet. „Das war eines der ersten Essen, die ich damals hier probiert habe.“

Der Sänger überlässt nichts dem Zufall. Sogar eine Choreografie hat Carter einstudiert. Die Tanzschritte sitzen wie früher. Er ist im Training – wenn er zurückkehrt geht’s wieder mit den Jungs auf Tour. „Die Musik ist mir wichtig, aber ich möchte auch noch andere Sachen ausprobieren.“ Filmemachen zum Beispiel. „Ich versteh’ mich mehr und mehr als Entertainer.“ Zu dumm, dass „Let Me Entertain You“ schon sein Rivale Robbie Williams gesungen hat.

  • Nick Carter „I’m Taking Off“ (Glor Music/Warner). Anspieltipp ist neben der Single „Just One Kiss“ auch der Titelsong „I’m Taking Off“. Zum CD-Paket gehören, für alle, die lieber gucken als hören, auch Videos und ein Poster