Oberhausen. .
„In Europa schlagen die Flammen hoch - die Euro-Feuerwehr malocht.“ So lautet das diesjährige Motto des Frauenwagens der KG Weiß-Grün Hoag. Der Karnevalswagen zeigt die Akropolis und die griechische Flagge. Von lodernden Flammen umzüngelt, sind auch die Fahnen anderer südeuropäischer Länder zu sehen, die von der Finanzkrise betroffen sind.
Über diese Fahnen hinweg versprüht eine Feuerwehrfrau – ihre Gesichtszüge sind denen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht unähnlich – viele Euros auf die Akropolis.
Griechische Familie führt Imbiss
Unweit des Geschehens an der Gabelstraße, wo der Wagen präsentiert wurde, und ebenfalls in Schmachtendorf, nämlich an der Straße Bergische Hufe, liegt das Schnellrestaurant „Schmachtendorfer Kochpott“. Über dem alteingesessenen Imbiss flattern seit der Übernahme durch die griechische Familie Karipoglou als Zeichen der Verbundenheit die deutsche und die griechische Flagge einträchtig nebeneinander im Wind.
Wie hat sich der Alltag einer griechischen Familie in Oberhausen seit der drohenden Staatspleite von Griechenland verändert?
Stabiles Umfeld in Oberhausen
„Ich bin als Gastronom Anfang der siebziger Jahre zunächst nach Bremen gegangen, um dort einen Betrieb zu übernehmen“, schildert Stilianos Karipoglou (64) seinen Start in Deutschland. „Da ich mich weiterentwickeln wollte, habe ich deutschlandweit nach einem vielversprechenden Objekt Ausschau gehalten und bin dann in Oberhausen Stadtmitte fündig geworden. Ich wollte meiner Frau Christodoula und meinen Kindern Ekaterini und Antonios, heute 38 und 34 Jahre alt, ein stabiles Umfeld bieten, um vor allem die Zukunft unserer Kinder nicht durch ständige Schulwechsel zu beeinträchtigen. Kurz: Wir wollten hier in Oberhausen sesshaft und heimisch werden.“
Sohn Antonios, Finanz-Betriebswirt, wirft ein: „Ich spreche auch für meine Schwester Ekaterini, die als Architektin in Griechenland lebt: Wenn wir beide von ‘Heimat’ sprechen, dann meinen wir Oberhausen.“ Mutter Christodoula ergänzt: „Wir haben uns nie als Ausländer gefühlt.“
Nicht böse gemeint
Die herzliche Frau fährt fort: „Wir Griechen sind weltweit stets Teil der ansässigen Bevölkerung geworden und haben uns nie abgesondert. Ich glaube aber, dass sich jetzt der eine oder andere im Windschatten von Politik und bestimmten Medien ermutigt fühlt, auch gegen lange rechtschaffen hier lebende Griechen zu wettern“, meint Frau Karipoglou (55).
Ob im „Kochpott“ oder woanders, die Imbiss-Wirtin hat sich in den letzten Monaten einiges anhören müssen, manches davon schmerzt. „Da wird uns beispielsweise gesagt, dass Griechenland über kurz oder lang das nächste deutsche Bundesland wird“, erzählt Christodoula Karipoglou. „Oft macht der Ton ja die Musik. Aber auch wenn es eigentlich nicht böse gemeint ist, nach täglichen, wenn auch teils lustig gemeinten Sprüchen, ist es dann auch nicht mehr witzig, gefragt zu werden, ob man noch in Euro oder in Drachmen bezahlen soll.“
Entwürdigende Sprüche
Ausgerastet sei sie aber, als jemand nicht gerade freundlich forderte: „Mach mal mehr auf den Teller, ich hab’ es ohnehin über meine Steuern für Griechenland mitbezahlt!“ „Da hab’ ich in Kauf genommen, dass ich einen Kunden verliere, als ich mir solche Sprüche in diesem entwürdigendem Ton verbat.“
Hier mischt sich Vater Stilianos wieder ein: „Als langjähriger Vorsitzender der griechischen Gemeinde in Oberhausen habe ich mich immer für die Einheit von Ausländern und Deutschen zum Wohle aller Oberhausener Bürger eingesetzt“, bekräftigt er. Natürlich gebe es in Griechenland Missstände, wie überall in Europa. Aber in erster Linie handele es sich doch um die Krise der Finanzakteure: „Die Arbeitnehmer sollten sich von Politik und bestimmten Medien nicht spalten und gegeneinander ausspielen lassen.“
Spende für Griechenland
Sohn Antonios erzählt, wie sich Mutter Christodoula einen Spaß erlaubt habe. Sie hat absichtlich Imbiss-Plastiktüten mit der großen Aufschrift „Der Grieche“ bestellt und sie einem Kunden angeboten. Der wollte sie auch nehmen. Als sie ihm aber eröffnete, dass die Tüte zehn Cent koste und dies eine Spende für Griechenland sei, gab der Kunde sofort die Tüte zurück.
Mutter Christodoula ist in letzter Zeit gar nicht mehr so oft wie früher zum Lachen zumute: „Ich habe mich in den vielen Jahren hier noch nie so mies gefühlt, wie heute. Obwohl wir doch schon jahrzehntelang in Deutschland Steuern zahlen – auch die Solidaritätssteuer für die neuen Bundesländer haben wir selbstverständlich mitgetragen. Aber“, so fragt sie enttäuscht, „wo bleibt die europäische Solidarität denn jetzt mit uns?“
Vielleicht ein wenig trotzig, auf jeden Fall aber nicht ohne Stolz resümiert die Oberhausenerin: „In unserer Hymne heißt es sinngemäß, dass die Gebeine der alten Griechen aus den Gräbern wieder zu neuem Leben erwachen werden. Wir Griechen lassen uns nicht unterkriegen, wir werden uns wieder erholen und endlich wieder unseren Frieden haben!“