Oberhausen. . Verdi-Bezirkschefin Henrike Greven und der städtische Personalratsvorsitzende André auf der Heiden über ihre Kritik am Stärkungspakt und den Streit in Sachen Transparenz.
Rund 65 Millionen Euro soll Oberhausen jährlich vom Land bekommen, um binnen zehn Jahren seinen Haushalt zu konsolidieren. Trotz der erheblichen Sparzwänge, die durch den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ auf die Kommune zukommen, ist vielerorts die Hoffnung groß, den Knoten der Finanzmisere endlich durchschlagen zu können. Kritik kommt derweil von Gewerkschaften und städtischen Personalvertretern. Ein Gespräch mit Verdi-Bezirkschefin Henrike Greven und André auf der Heiden, Vorsitzender des Personalrats der Verwaltung.
NRZ: Man könnte Ihnen vorwerfen, die Miesmacher zu spielen.
André auf der Heiden: Wir begrüßen die Landeshilfe sehr wohl. Sie ist ein wichtiger Schritt für die Städte, kann aber nur ein Mosaikstein sein. Wir benötigen mehr Geld als das, was derzeit im Raum steht. Ein großer Teil der Unterstützung wäre über den Bund zu organisieren, die ersten Erleichterungen reichen nicht aus, um das Problem der strukturellen Unterfinanzierung zu lösen.
Aber man muss doch irgendwo anfangen.
Henrike Greven: Wir sind doch schon mitten drin. Jedes Jahr gibt es Kürzungsarien, wird das Leistungsangebot eingeschränkt. Es ist schon ganz viel passiert. Für uns ist der Punkt erreicht, wo wir sagen: Wir sehen keine Möglichkeiten mehr. Die Beschlüsse aus 2008 werden in Betrieben immer noch umgesetzt. Wir sehen nicht, dass man 40 Millionen jährlich einsparen kann.
Sie sehen kein Sparpotenzial und wollen sich auch nicht an der Erarbeitung entsprechender Vorschläge beteiligen?
auf der Heiden: Eine Beteiligung kann man von uns in der Tat nicht erwarten. Die Beschäftigten haben in den letzten Jahren bereits einen erheblichen Beitrag geleistet. Hinzu kommt: Wir kriegen ständig neue Aufgaben, das Bildungs- und Teilhabegesetz ist nur ein Beispiel. In vielen Bereichen der Verwaltung gibt es schon jetzt eine erhebliche Arbeitsverdichtung. Wir bekommen Überlastungsanzeigen aus einer Wohngeldstelle, aus dem sozialen Bereich. Im Jobcenter ist Überlastung sowieso das Thema schlechthin.
Oberhausen sollte im Rahmen des „Stärkungspakts“ Ihrer Ansicht nach keinen eigenen Beitrag leisten müssen?
auf der Heiden: Wenn man von anderen etwas haben will, muss man zumindest überprüfen, ob man auch eigene Leistungen erbringen kann – dieser Grundgedanke ist nie in Abrede gestellt worden. Allerdings ist auch nie berücksichtigt worden, dass man bei den unterschiedlichen Kommunen unterschiedliche Herangehensweisen braucht. Wir sparen hier in Oberhausen schon seit 26 Jahren und haben Standards bereits deutlich heruntergefahren. Die Bettdecke ist zu kurz. Da ist es keine Lösung, das Bett zu kürzen.
Welche Auswirkungen befürchten Sie konkret?
auf der Heiden: Wenn wir über Kürzungen bei freiwilligen Aufgaben reden, reden wir zum Beispiel über das Theater. Wir kennen die Diskussion, dass man dort über lineare Kürzungen nachdenkt. Viele in dieser Stadt scheinen vergessen zu haben, dass das Haus bereits massiv gespart hat. Wenn man weiter kürzt, stellt man das Theater in Frage. Die Leute machen dort mittlerweile Zwölf- oder 14-Stunden-Schichten. Wasch‘ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass – das geht nicht.
Der Oberbürgermeister sagt: Wenn wir selbst kein vernünftiges Konzept auf die Beine stellen, schickt das Land eben den Sparkommissar, der eines vorgibt.
auf der Heiden: Der Sparkommissar ist ein Totschlagargument. Selbst beim Land heißt es, man müsse auch prüfen, ob es eine objektive Unmöglichkeit gibt, Sparziele zu erreichen. Öffentliche Daseinsfürsorge muss gewährleistet sein. Überhaupt: Wir haben vorrangig ein Einnahmen-, und kein Ausgabenproblem. Schon gar nicht haben wir ein Personalausgabenproblem.
Sie fordern einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2022.
Greven: Die offizielle Aussage, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll, ist gut und freut uns. Wenn ich mir aber bestimmte Vorschläge anschaue, dann hat das eigentlich zur Konsequenz, dass Personal nicht mehr in dem Umfang gebraucht wird wie bisher. Was soll ich denn mit Busfahrerinnen und Busfahrern machen, wenn ich den Takt bei der Stoag ausdünne? Wo sollen die denn eingesetzt werden?
Sie trauen der Zusage nicht?
auf der Heiden: Wir trauen nicht dem Ziel dieses Stärkungspaktgesetzes, dass das alleine ausreichend sein wird, um in dieser Stadt einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.
Überhaupt gibt es offenbar Abstimmungsprobleme. Sie werfen der Stadt vor, die Arbeitnehmervertreter nicht einzubinden. Die Stadt sagt, Sie wollten nicht an den Sitzungen des Lenkungskreises teilnehmen.
auf der Heiden: Das war eine strategische Entscheidung. Wir machen seit 26 Jahren Haushaltskonsolidierung, wir haben da Erfahrung. Wenn man in den Lenkungsgruppen dabei ist, kommt hinterher oft der Hinweise: Der Personalrat war doch mit am Tisch. Wir wollen nicht dabei sein, wir wollen aber die Informationen.
Greven: Es gab eine klare Zusage, uns frühzeitig zu informieren, und wir haben immer noch keine Protokolle bekommen. Das macht Menschen sauer. Ich kenne bis zum heutigen Tag keinen der Sparvorschläge, obwohl es immer wieder zugesagt worden ist.
Bei der Verwaltung heißt es, man wolle die Vorschläge zunächst sorgfältig prüfen.
auf der Heiden: Das ist die durchschaubarste Ausrede, die man sich ausdenken kann. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass man keine Kühe durchs Dorf treiben und hysterische Debatten auslösen will. Aber darüber, wie wir mit diesen Informationen umgehen, könnten wir Verabredungen treffen.
Wie soll es weitergehen?
Greven: Wir wollen die Tür nicht zumachen und sind bereit, weiter miteinander zu reden. Vorher aber müssen die Sparvorschläge auf den Tisch. Sonst macht es keinen Sinn.