Oberhausen. Der Anteil an Atomenergie im Strommix des Oberhausener Energieversorgers EVO ist von vier Prozent im vergangenen Jahr auf nun satte 17 Prozent gestiegen. Der Stadtrat hatte nach der Katastrophe von Fukushima eigentlich das Ziel formuliert, ihn auf Null zu senken. Wird der politische Wille ignoriert?

Noch unter dem Eindruck der atomaren Katastrophe von Fukushima verabschiedete der Rat im Juni 2011 einstimmig ein Grundsatz-Energiepapier mit dem Titel „Oberhausen verzichtet auf Atomenergie“. Damals bot der städtische Energieversorger EVO in seinem Normaltarif Strom mit einem geringen Atomstrom-Anteil von vier Prozent an. Das reichte den eifrigen Ratsleuten aber nicht: „Nun gilt es, den Anteil von Atomstrom bei einer weitgehenden Kostenneutralität schnellstmöglichst auf 0 Prozent zu reduzieren.“

Jetzt stellt sich nach offizieller Kennzeichnung der EVO im Internet heraus: Der Anteil an Atomenergie im Strommix der EVO hat sich von vier Prozent nicht nur nicht abgesenkt, sondern auf 17 Prozent hochgeschraubt. Das ist nur wenig geringer als der Anteil der Kernenergie an der gesamten bundesdeutschen Stromerzeugung (25 Prozent).

Was ist da los? Ignoriert EVO-Chef Hartmut Gieske etwa den politischen Willen im Rat? Zumal sich Gieske im Sommer 2011 kritisch zum Ratsbeschluss äußerte: Das Ziel der Atomstromfreiheit sei nur langfristig und schon gar nicht kostenneutral erreichbar. Bekanntlich ist Strom aus Wasserkraft oder Windenergie deutlich teurer als der billig zu produzierende Atomstrom.

"In der Praxis äußerst schwierig"

„Wir wollen den Ratsbeschluss umsetzen, aber dies ist in der Praxis äußerst schwierig“, erläutert nun EVO-Sprecherin Birgit Konopatzki. Und das sei durch Entscheidungen in Oberhausen selbst nicht einfacher geworden.

Denn der Atomkraftanteil im Energiemix der EVO sei allein deshalb geklettert, weil die EVO im Unterschied zu vergangenen Jahren keinen Umwelt-Strom aus der Müllverbrennungsanlage GMVA in Oberhausen-Buschhausen mehr bekomme.

Das macht viel aus: Denn die GMVA erzeugte mit ihrer bei der Müllverbrennung entstehenden Hitze noch 2009 rund die Hälfte des Stroms, den die EVO für ihre Kunden benötigt. Doch dann schrieb die GMVA, an der die Stadt Oberhausen einen Anteil von rund 15 Prozent hält, diese riesige Strommenge von 335 Millionen Kilowattstunden europaweit neu aus. Auch deshalb, um den höchstmöglichen Preis für ihr Produkt herauszuschlagen, heißt es. Nun nutzt ein anderer Stromversorger als die EVO den GMVA-Strom.

Hoher Anteil an Kernenergie auf dem Markt

„Wir müssen deshalb diese Menge ersetzen - durch Käufe auf dem Strommarkt, an der Strombörse“, erklärt Konopatzki. „Und dieser Strom wird mit einem hohen Anteil von bis zu 30 Prozent durch Kernkraftwerke erzeugt.“ Also stieg die Atomstrommenge der EVO von vier auf 17 Prozent.

Nun könnte die EVO ja auch Strom auf dem Markt einkaufen, der ausschließlich mit Wasserkraft aus der Schweiz oder Norwegen erzeugt wird - falls diese Mengen überhaupt auf dem Markt noch frei verkäuflich sind. Doch: „Diese Produkte sind deutlich teurer, unser Strompreis müsste dann kräftig steigen - und wir bezweifeln, ob dies unsere Kunden mitmachen würden.“ Deshalb sei es nur langfristig denkbar, den Anteil der Kernenergie abzusenken - etwa durch verstärkte Eigenproduktion von Strom aus erneuerbaren Quellen.