Oberhausen.
In Schlangen standen die Besucher am vergangenen Sonntag bereits im kalten Wind vor dem Sterkrader Bürgersaal, um die Premiere des neuen Stücks der Kleinstädter Bühne mitzuerleben. Die Komödie „Der Mann, der sich nicht traut“ von Curth Flatow füllte den Theatersaal bis auf den letzten Platz.
Als Wolfgang Jäger (Michael Oslislo) erklärt, „Eheringe sind die Handschellen der modernen Gesellschaft“, ist klar, dass in den folgenden drei Stunden kein Auge trocken bleiben wird. Eine Meinung, die so gar nicht zu Jägers Beruf passen will. Er ist Standesbeamter und beliebt noch dazu. Bei ihm aber, der selbst glücklich geschieden ist, führt das Ja-Wort eher zu quälendem Sodbrennen und Magenschmerzen.
Spekulationen in den Pausen
Beinahe fühlt er sich schuldig für die Ehen, die er schließt und lamentiert im Angesicht seiner Sekretärin Fräulein Lamm (Julia Cyzewski): „Wenn man nur ein wenig Verantwortungsgefühl hat, dann muss man ja an diesem Job kaputt gehen. Sie glauben nicht, was ich heute wieder alles zusammengetraut habe.“ Das hält Jäger allerdings keineswegs davon ab, ein Verhältnis zu seinem so genannten Lämmchen zu haben und dafür zu sorgen, dass es in keiner Woche ungeschoren davon kommt. Aber nur dienstags! Denn Standesbeamte Jäger weiß: Liebe muss man dosieren.
Kompliziert wird es, als sein Sohn Ullrich (Markus Psotta) verkündet, seine schwangere Freundin Gaby (Patricia Schäfer) heiraten zu wollen. Linderung seiner Magenschmerzen und seiner Schwarzseherei in Sachen Liebe erfährt Wolfgang Jäger aber bald, als er Gabys Tante Julia Goertz (Sylvia Schmenk) kennenlernt. So einfach ist es dann leider trotzdem nicht, denn schließlich sind ja auch noch der leidenschaftliche Italiener Robertino (Clemens Filarsky), Julias Affäre Teddy Brennet (Wolfgang Kessel) und Jägers Exfrau Sonja (Lucy Bongartz) mit von der Partie.
„Pass auf, jetzt kommt er!“, flüstern Zuschauer, als Hauptdarsteller und Regisseur Michael Oslislo unter Beifall zum ersten Mal die Bühne betritt. Es gelingt den Schauspielern mit Wortwitzen, Charme und Selbstironie ihre Zuschauer mehr und mehr in den Bann zu ziehen. In den Pausen wird eifrig spekuliert, wie es wohl weitergehen wird.
Viele Überraschungen
Die Stimmung ist großartig. Den von Gaby häufig zum Besten gegebenen Satz „Das ist ja irre!“ sprechen die Zuschauer nach einer Weile mit. Der Saal lacht schallend, fühlt mit dem in rotem Kimono und hochhackigen Frauensandalen gekleideten Standesbeamten mit und raunt anerkennend, wenn die von Wolfgang Jäger Sonja Jäger im hübschen Sommerkleid auf die Bühne tritt.
Dass das Stück für einen Saal mit Drehbühne konzipiert wurde, hielt die Akteure nicht auf. Die Kleinstädter präsentieren vier Bühnenbilder und zwei Spielflächen.
Während einer Umbauphase verteilen die Schauspieler Prosecco und Käsehäppchen. Zur Freude des gesamten Publikums endet das Stück in einem turbulenten Durcheinander und vielen kleinen Überraschungen. Eine ist zum Beispiel, als Ehe-Entsager Jäger kleinlaut zugibt: „Ich suche etwas ganz Bestimmtes für eine Hochzeit. Eine Frau!“