Oberhausen.

Die 90 Jahre alte Frau litt an einer schweren Infektion. Im Krankenhaus bekam sie lebenserhaltende Medikamente, doch ihr Zweifel wurde lauter: „Ich will so nicht weitermachen.“ Als sie nicht mehr ansprechbar war, ihr Zustand sich weiter verschlechterte, blieb der behandelnde Arzt mit der für ihn schwierigen ethischen Frage allein zurück: Soll er die Behandlung fortführen?

„Wir wollen dem Patienten einerseits wohl tun, ihm nicht schaden, aber eben auch seinen Willen respektieren. Manchmal gerät das in Konflikt“, sagt der Intensivmediziner Dr. Roland Issel von der Helios St. Elisabeth Klinik. Er hat im November 2010 ein ehrenamtliches Ethik-Komitee gegründet, das helfen soll, solche Konflikte zu lösen. In diesen Tagen startet das neunköpfige Gremium seine erste Informationsoffensive für Patienten und Klinik-Mitarbeiter.

20 ethische Leitlinien wurden erarbeitet

Im Komitee haben ein Jahr lang Mediziner, Pflegekräfte und Sozialarbeiter der Helios-Klinik gemeinsam mit Stadtdechant Peter Fabritz als externer Berater 20 ethische Leitlinien erarbeitet. Leitlinien etwa zur Behandlung von Zeugen Jehovas, die grundsätzlich Bluttransfusionen ablehnen. Leitlinien zur PEG-Sonde, über die Patienten künstlich ernährt werden. Leitlinien aber auch dazu, wann ein Arzt von seinen medizinischen Möglichkeiten absehen kann, um einem Patientenwillen nachzukommen. Die Mitglieder des Komitees haben Entscheidungswege vorgezeichnet, auch festgelegt: „Der behandelnde Arzt muss schriftlich festhalten, wie er zu seinem Entschluss gekommen ist. Drei Ärzte unterschreiben das Dokument, es soll eine Konsensentscheidung sein“, erklärt Dr. Issel.

Wichtig ist dabei, den Patientenwillen auch wirklich zu kennen. Für den Fall, dass ein Kranker nicht mehr ansprechbar ist, greifen Ärzten unter anderem auf eine vom Patienten vorher formulierte Verfügung zurück. Diese sind verbindlich, Ärzte müssen sie umsetzen. „Dazu muss die Verfügung aber konkret formuliert sein. Zu schreiben, man wolle an keine Maschinen angeschlossen werden, bringt nichts“, sagt Dr. Issel. Schreibhilfe wollen die Komitee-Mitglieder bei mehreren öffentlichen und kostenfreien Veranstaltungen in diesem Jahr geben.

Angehörige sind eng eingebunden

Bei besonders kritischen Fragen und Fällen können Ärzte, aber auch Pflegekräfte ab sofort die Ethik-Kommission anrufen. Innerhalb von 48 Stunden treffen sich die Mitglieder, helfen bei der Entscheidungsfindung. Dr. Issel: „Eng eingebunden sind natürlich die Angehörigen.“

Ethik-Komitees gibt es auch an anderen Oberhausener Krankenhäusern, aber nicht an allen. Sie einzurichten, ist in Deutschland nicht gesetzlich vorgeschrieben - anders als etwa in den USA.

Ziel sei deshalb sicherlich, diese Komitees auch hierzulande flächendeckend an den Krankenhäusern zu etablieren, sagt Stadtdechant Fabritz. Er will dies in Oberhausen unterstützen, gibt aber zu, dass seine Mitarbeit auch Konfliktpotenzial birgt. Denn die theologische Ethik setzt sich grundsätzlich für den Erhalt des Lebens ein, eine Behandlung abzubrechen, würde dem widersprechen. „Es gibt sicherlich Konfliktfälle, in denen abgewogen werden muss“, sagt Fabritz.

Patientenverfügung muss korrekt verfasst werden

Der erste Informationsabend des klinischen Ethikkomitees KEK dreht sich um Fragen zur Patientenverfügung. In dieser verfügt man im Voraus schriftlich, welche medizinische Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden sollen. Sie wird dann berücksichtigt, wenn der Patient selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann. Die Patientenverfügung muss allerdings möglichst konkret verfasst werden. Was bei der Formulierung berücksichtigt werden muss, darüber spricht am Donnerstag, 26. Januar, Dr. Roland Issel vom KEK ab 17.30 Uhr in der Cafeteria der Helios Klinik (Josefstraße 3). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Teilnahme ist kostenlos.