Oberhausen. Mitten im dichtesten Berufverkehr starb am Mittwochmorgen ein 50 Jahre alter Mann auf offener Straße an einem Herzinfarkt. Nur ein Lkw-Fahrer versuchte, dem reglosen Mann zu helfen. Feuerwehrchef Wolfgang Tingler ist entsetzt über die mangelnde Zivilcourage der Oberhausener.
Mangelt es den Oberhausenern an Zivilcourage? Am Mittwoch gegen 6.40 Uhr starb ein etwa 50 Jahre alter Mann auf einem Bürgersteig an der Hansastraße – mitten im dichtesten Berufsverkehr. Doch helfen wollte ihm nur ein Mann. Noch tief geschockt berichtet der Lkw-Fahrer Oliver Poerting von dem erschütternden Erlebnis.
Leute gingen einfach weiter
Als einziger in der langen Autoschlange, die sich täglich hinter dem Bahnhof in Richtung Autobahn schiebt, ließ der 41-Jährige seinen 40-Tonner stehen, um nach dem reglos auf dem Bauch liegenden Mann zu schauen. „Gerade einmal fünf Meter vom Bahnhofsparkplatz entfernt. Ich habe sofort gemerkt, da ist was Schlimmes passiert.“ Poerting stellte fest, dass der Mann nicht mehr atmete und versuchte ihn zu reanimieren.
Doch der Autoverkehr und die vielen Passanten, die auf dem Weg zum Bahnhof waren, ignorierten das Unglück: „Es war wie im Film: Ich habe nach dem Straßennamen gefragt, um den Rettungsdienst zu verständigen, doch die Leute guckten nur und gingen weiter“, erzählt Poerting, der eine solche Situation nicht für möglich gehalten hatte: Statt zu antworten kurbelten Autofahrer ihre Scheiben hoch, drückten den Türknopf herunter. „Manche haben sogar gehupt, weil der Lkw auf der Straße stand“, Poerting muss bei der Erinnerung schlucken: „Ich bin kein Held“, sagt er, „aber ich muss mich schämen – für uns alle.“
Nur eine Frau blieb stehen
Nur eine Frau blieb stehen und unterstützte den Fahrer, bis der Rettungswagen eintraf. Doch jede Hilfe kam zu spät. „Man sagte uns, der Mann sei an einem Herzinfarkt gestorben“, berichtet Poerting.
Die Unsicherheit, etwas falsch zu machen oder mangelndes Mitgefühl – was geht in Menschen vor, die einfach weiterlaufen? „Ich habe dafür keine Erklärung“, sagt Notfallseelsorger Berthold Rzymski, der Menschen betreut, die etwa schwere Unfälle erlebt haben. Diese Situation hält er für eine schlimme Ausnahme. „Jetzt ist es aber für den Fahrer wichtig, dass er das Erlebte mit Freunden oder mit professioneller Hilfe verarbeitet.“
"Man ist verpflichtet zu helfen"
Rechtlich gesehen ist es übrigens keine Frage des Mitgefühls oder der Zivilcourage: „Man ist verpflichtet zu helfen“, betont der Chef der Oberhausener Feuerwehr, Wolfgang Tingler, so steht es im Strafgesetzbuch. Doch in der Praxis entscheiden Sekunden darüber, ob man anhält oder nicht, „zum Beispiel auf der Autobahn: Bevor man sich entschlossen hat zu helfen, ist man meist schon 300 Meter vorbei.“ Dennoch: Tingler ist über den Vorfall entsetzt. „In meiner 20-jährigen Erfahrung habe ich so einen Fall zum Glück noch nie erlebt.“