Oberhausen. Vor rund einem Jahr ertrank die vierjährige Sirin im Oberhausener Aquapark. Dienstag musste sich der Vater vor Gericht verantworten. Zu einem Schuldspruch kam es nicht. Möglicherweise wird das Verfahren eingestellt.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass im Aquapark am Centro die vierjährige Sirin ertrank. Am Dienstag musste sich der noch immer sichtlich erschütterte Vater des Kindes vor dem Amtsgericht Oberhausen verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Fahrlässigkeit und Verletzung der Aufsichtspflicht vor, was den Tod seiner Tochter zur Folge gehabt habe. Nach einer mehr als dreistündigen Beweisaufnahme endete die Verhandlung gestern ohne Urteilsspruch; sie wird mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der 29-jährige Gladbecker seine Fürsorgepflicht gröblich verletzt haben soll.
Die Spurensicherung ergab, dass das Mädchen am 31. Juli 2010 von den Massageliegen gerutscht und ins Wasser gefallen sei. Das Kind, das nicht schwimmen konnte, trug zu dem Zeitpunkt offenbar keine Schwimmflügel und konnte nicht aus eigener Kraft wieder auf die Liegen klettern.
Die leblos im Wasser treibende Vierjährige wurde schließlich von einem Paar entdeckt, ein Bademeister holte sie heraus und begann mit der Reanimierung, die der Notarzt fortsetzte. Sirin wurde ins Evangelische Krankenhaus Oberhausen gebracht, wo sie fünf Tage später an den Folgen des Unglücks starb.
Mißverständnis zwischen den Eltern?
Der Vater des Mädchens, der derzeit arbeitslos ist und sich um seine beiden Söhne (sieben Jahre und zwei Monate ) kümmert, gab gestern vor Gericht an, er habe Gedächtnislücken bezüglich des Unfallhergangs. Mit seiner Frau, dem damals sechsjährigen Sohn, Sirin und Freunden der Familie sei man am 31. Juli im Aquapark gewesen.
„Wir haben gegessen, danach habe ich ‘draußen eine geraucht“, gab der 29-Jährige an. Als er wieder in den Innenbereich des Bades kam, habe er zwar seinen Sohn gesehen, nicht aber seine Frau und die kleine Tochter. Er sei davon ausgegangen, dass sich Sirin zu der Zeit bei ihrer Mutter aufhielt.
Wenig später sei seine Frau zu ihm gekommen und habe nach dem Verbleib der Tochter gefragt. Er habe sich sofort auf die Suche nach Sirin gemacht. Beinahe zeitgleich habe er mitbekommen, dass in der Nähe etwas passiert sei. Im Erste-Hilfe-Zelt habe er seine Tochter gefunden. Der junge Vater kämpfte während der Aussage immer wieder mit den Tränen.
Offenbar waren die Eltern wechselseitig davon ausgegangen, dass die Kleine beim jeweils anderen war. So schilderte die junge Mutter: „Meine letzte Erinnerung an Sirin ist, wie wir alle am Tisch sitzen und essen. Ich kann es noch gar nicht fassen. Wir sitzen jeden Abend zu Hause und weinen. Ich denke immer, sie kommt gleich ‘rein und springt auf meinen Schoß.“
Verfahren könnte eingestellt werden
Die 29-Jährige verdient als Krankenschwester den Unterhalt der Familie und half noch bei der Reanimierung ihrer Tochter. Sie betonte, dass ihr Mann stets übervorsichtig gewesen sei: „Es war sogar ein Streitpunkt zwischen uns. Ich meinte, er soll den Kindern mehr Freiräume lassen.“
Klarheit darüber, wer wann wo war, brachten im Gerichtssaal weder das Video noch die Fotos des Aquabades. Ingo Baltes (Polizei Oberhausen): „Ich wollte die Aufnahmen unmittelbar vor der fraglichen Zeit sichern. Die gibt es aber nicht mehr.“ Sie wurden offenbar vom Aufzeichnungssystem des Aquaparks gelöscht.
Am Ende der Beweisaufnahme regte die Staatsanwaltschaft an, das Verfahren einzustellen, weil „der Täter durch die Folgen genug bestraft sei“. Ein klares Nein dazu kam vom Verteidiger des Angeklagten: „Dazu müsste eine Schuld meines Mandanten festgestellt werden. Die sehe ich nicht.“
In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung. Der Anwalt des 29-Jährigen plädierte auf Freispruch. Zum Urteil kam es nicht, weil Richter Marc Voosen und die beiden Jugendschöffen noch Unklarheiten hinsichtlich der Beweislage erkannten. Die Befragung weiterer Zeugen soll nun Licht ins Dunkel bringen.