Oberhausen. .
Almuth Kirsch (66) kann jedes Wort der „Tagesschau“-Nachrichten mit lockerem Handgelenk aufs weiße Blatt Papier jagen, einen Einkaufszettel setzt sie in wenigen Sekunden auf. Kirsch ist gelernte Stenografin.
Sie schreibt keine Stichwörter, sondern Zeichen und Symbole, die nur sie entziffern kann. Wer in die Geheimnisse der Kurzschrift (Stenografie) nicht eingeweiht ist, erkennt bloß zackige Haken und geschwungene Bogenlinien unterschiedlicher Größen.
Einst an deutschen Schulen in den Lehrplänen enthalten oder fester Bestandteil von Ausbildungen, ist die Kurzschrift mit Ausnahme von Sitzungen im Land- oder Bundestag zunehmend bedeutungslos geworden. Wozu also noch „Steno“ lernen - trotz Diktiergeräten, kleinen Netbooks mit langer Akkulaufzeit und Spracherkennungsprogrammen?
Kirsch, die eine Übungsgruppe angehender Stenografen leitet, kann da nur lachen. An die Geschwindigkeit eines Stenografen könne man mit diesen technischen Hilfsmitteln nicht herankommen. „Wir sind schneller als andere an der Tastatur tippen können und in Diskussionen zitieren wir unsere Redner wörtlich“, sagt Kirsch. Ein weiterer Vorteil: Am Konferenztisch wisse der Sitznachbar nie so genau, was man sich da gerade kurz notiert habe.
Bunt gemischte Übrungsgruppe
Die Übungsgruppe im Seminarraum ist bunt gemischt: Ein Student, eine Hausfrau, eine Auszubildende, eine Bürokraft. Es ist der erste Kursus seit längerer Zeit, der wieder angeboten werden kann. Stenografie, ein neuer, alter Trend? Das wäre wohl übertrieben - aber: „Wir stellen in der Tat eine leichte Belebung fest“, sagt Angelika Höffner-Hain vom Vorstand des Oberhausener Stenografenvereins 1891 e.V.
Erol Arslan sitzt mit gezücktem Bleistift am Tisch. Er ist Jura-Student an der Ruhr-Universität Bochum, suchte im Internet nach Stenografie-Kursen und landete beim Oberhausener Verein. Er will nach seinen Vorlesungen nicht immer vor schnell hingeschmierten Notizen sitzen, sondern präzise mitschreiben können, was ihm der Professor im Hörsaal erzählt. „Das ist vielleicht nicht modern und up-to-date, aber hilfreich.“
Petra Gemsjäger hat ihre siebte Übungsstunde. Die gelernte Krankenschwester musste nach einem Bandscheiben-Vorfall an der Halswirbelsäule eine Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen machen, arbeitet jetzt beim Ambulanten Pflegedienst „Viva e.V.“ in Oberhausen. Sie ist nun schon zügiger, wenn der Chef ihr einen Briefwechsel diktiert. „Stenografieren ist für meinen manchmal leicht schmerzenden Arm angenehmer als das normale Mitschreiben“, sagt die 40-Jährige.
Gutes Sprachgefühl erforderlich
Die Übungsleiterin Almuth Kirsch schaut den Teilnehmern bei den Übungen kritisch über die Schulter, weiß aber auch, dass „Steno“-Lernen nicht immer ganz viel Spaß macht. Während ihrer Ausbildung ging es ihr schließlich genauso, gesteht Kirsch. Ein gutes Sprachgefühl sei zwingend notwendig, und - wenn man nicht bei der Verkehrsschrift, der langsamsten Variante der Kurzschrift verweilen will, sondern etwa zur Eilschrift oder Redeschrift (bis zu 500 Silben pro Minute) übergehen möchte - brauche man Fleiß, gute Konzentration und die schnelle Auffassungsgabe für Wortstämme.
Wer Interesse hat, kann jeden Donnerstag von 17 bis 18.30 Uhr in den Räumen des Weiterbildungsinstituts (WBI), Marktstraße 35, Eingang Stöckmannstraße beim Stenografenverein vorbeischauen. Weitere Informationen unter der Rufnummer 37 71 06-0 oder per E-Mail: info@stenografenverein-oberhausen.de.