Oberhausen. . Pro Familia prangert an: Der Staat bezahlt Armen und Geringverdienern in der Regel keine Verhütungsmittel mehr. Allerdings gibt es einen zinsfreien Kredit für die Spirale und auch ein Schwangerschaftsabbruch wird unterstützt.

Arm, aber kinderreich? Die wachsende Armut in der Bevölkerung besorgt das Team der Oberhausener Beratungsstelle „Pro Familia“. „Die schwierige finanzielle Lage der Schwangeren ist zunehmend ein Thema in unserer Schwangerschaftsberatung“, sagt die stellvertretende Leiterin Dr. Christine Gathmann. Rund 1000 Beratungen führt Pro Familia jährlich durch, etwa die Hälfte (469) beschäftigen sich mit Schwangerschaftskonflikten.

Zu wenig Informationen

Der Anteil von Menschen, die Hartz IV beziehen, spielt dabei eine immer größere Rolle: Es sind - je nach Art der Beratung - zwischen 20 und 50 Prozent. Darunter sind viele Fälle, in denen Leistungen zu gering berechnet wurden, mahnt Gathmann, in anderen Fällen mangelt es an Transparenz: So werden viele Bedürftige nicht informiert, dass sie beim Jobcenter einen zinslosen Kredit für bestimmte, teure Verhütungsmittel wie die Spirale bekommen können.

Auch interessant

Von DerWesten

Tragischer wirke sich allerdings der niedrige Bemessungssatz bei der Verhütung aus, gibt die Medizinerin an. Das Geld für die Pille oder Kondome fehlt in der Haushaltskasse und die Kosten werden in Oberhausen nicht übernommen. Das wirke sich leider zunehmend auf die Zahl der ungewollten Schwangerschaften aus. Betroffen sind ebenso Geringverdiener. Die Verhütung auf Staatskosten ist dabei nicht unmöglich. „Es gibt Städte wie Gladbeck, in denen etwa Kondome noch vom Sozialamt bezahlt werden“, wendet der Oberhausener Pro-Familia-Leiter Andreas Müller ein.

Dabei treibt die augenblickliche kommunale Regelung in seinen Augen widersprüchliche Blüten. Denn die Pille bezahlt man nicht, aber man unterstützt finanziell durchaus einen Schwangerschaftsabbruch, weil dieses Geld aus einem anderen Finanztopf stammt.

Abbruch wird bezahlt

Die Frage, ob arme Menschen ungewollt schwanger werden, dürfe aber nicht abhängen, wo sie wohnen, kritisiert Müller. „Eine wenigstens landesweite Lösung für alle wäre sinnvoll.“

Die Jahresbilanz von Pro Familia zeigt aber auch positive Entwicklungen auf: Zum einen gibt es in der Einrichtung mehr Kontinuität im Personalbereich, man arbeitet außerdem kostendeckend und konnte zumindest einen Teil der Beratungsräume an der Bismarckstraße 3 renovieren.

Die recht neue Stelle von Diplom-Pädagogin Susanne Kaltwasser - sie beschäftigt sich mit sexuellem Missbrauch - ist ebenfalls ausgelastet: 179 Eltern, 87 Fachkräfte und 296 Schüler konnte sie in ihren regelmäßigen Workshops und in 72 Beratungen bereits erreichen.