Auf dem Altmarkt dreht sich ein nackter Mann im Kreis und 500 Menschen schauen ihm dabei zu: In der Nacht zum Pfingstsonntag übersetzte die polnische Theatergruppe „Teatr A“ in der Innenstadt das erste Buch der Bibel in ein bemerkenswertes Straßentheater-Spektakel.
In 60 Minuten erschuf die Truppe die Welt und den Menschen im Adamskostüm, um beide in die Sintflut zu schicken - mit überraschend vielseitiger Requisite, einem beeindruckenden Bild-Ton-Gemisch und mancher clownesken Einlage. Organisiert hat das Straßentheater zum dritten Mal das Team vom Gdanksa. Inhaber Czeslaw Golebiewski verspricht: „Wenn im nächsten Jahr wieder alle zusammen arbeiten, geht es 2012 weiter.“
Adam und Eva auf Techno
Auf Campingstühlen, Bierbänken und Mauervorsprüngen beobachten die 500 Gäste der kostenfreien Draußen-Darbietung, wie Tag und Nacht im Funkenregen eines Silvesterknallers, Himmel und Erde unter fliegenden weißen Luftballons entstehen. Bevölkert wird diese Welt von übergroßen Fischen und Elefanten, dargestellt als riesige, fahrbare Gerüstkonstruktionen mit Fischnetzüberwürfen, auf denen thronend Tänzerinnen den Tieren Leben einhauchen.
Adam und Eva, verführt vom Techno tanzenden Teufel im Coca-Cola-Weihnachtsmannkostüm, taumeln wie im Drogenentzug über den Altmarkt, bis ihnen die Last der Arbeit und der Familie mit musikalischer Härte auf die Schultern gelegt wird. In Sodom und Gomorrah wüten Sekunden später Gogo-Girls in Käfigen und Dickbäuche auf hohen Rossen – zehnminütiger Umbau, da stellen Ross und Käfig unter dem begeisterten Applaus des Publikums zusammen eine wunderbare Arche dar.
Begleitet wird diese wortlose Reise durch das wohl bekannteste Buch der Welt von Videosequenzen, die an die mehrere Meter breite Bühne geworfen zum Takt der Musik wechseln. Worte stehen erst am Ende dieser spektakulären Inszenierung: Die Friedenstaube fliegt, die Sintflut verebbt und die Stimme Gottes klingt wie ein Nachruf auf eine Welt, deren Bewohner ihre Schönheit vergessen haben.
Finanzieren ließ sich die einstündige Darbietung nur mit vielen Sponsoren aus Polen und Deutschland, von Seiten des Einzelhandels, der Stadt und der Kirche sowie in Kooperation mit der „Neanderland-Biennale“. Deren künstlerischer Leiter ist der Oberhausener Kulturschaffende Uwe Muth. Das Theater ist eines der ersten Projekte, das es über das Jahr der Kulturhauptstadt hinaus geschafft hat – auch weil es bereits 2009 seinen eigentlichen Anfang genommen hat: Rund 250 haben damals Cervantes’ Don Quichotte gegen Mühlen kämpfen gesehen. Diesmal also das Auf und Ab der göttlichen Schöpfung - wie hat’s dem Publikum gefallen?
Straßentheater Genesis
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Mehr Engagement für die Innenstadt
„Nicht ganz mein Ding, trotzdem finde ich es super, dass in der Innenstadt so etwas gemacht wird“, sagt Thomas Remih (42) aus Styrum. Die 29-jährige Martina Koc hingegen ist begeistert. „Das war gelungen, mit alle den Effekten und Kostümen.“ Die Geschichte des Genesis-Buchs war ihr zwar nicht mehr so präsent, als dass sie alles Gesehene sofort zuordnen konnte. „Deshalb hat’s wahrscheinlich so viel Spaß gemacht. Wir brauchen mehr Leute, die sich so für die Innenstadt engagieren wie das Gdanska-Team.“
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