Oberhausen. . Wenn das eigene Kind an Krebs erkrankt, ist das für Eltern schwer. Aynur Çelikdövens hilft mit ihrem Verein “Weg der Hoffnung“ türkischstämmigen Müttern und Vätern - mit Informationsabenden, Freizeitaktivitäten und einer monatlichen Frühstücksrunde.

Bahar Akcapinar ist die ruhigste in der doch recht regen achtköpfigen Runde junger Frauen, die an diesem Montagvormittag beisammensitzen und frühstücken. Sie hat vor kurzem ihr Kind verloren, es starb an einem Tumor. Was sie erlebt hat, könnte manch einer hier noch bevorstehen. Andere haben das Schlimmste überwunden, ihr Sohn oder ihre Tochter ist geheilt. Sie alle eint der dauernde Kampf mit dem Krebs – und die seelenheilende Bekanntschaft Aynur Çelikdövens.

„Sie spricht mit dir, stundenlang“

Çelikdöven (45) leitet den Verein „Weg der Hoffnung“, der dieser Tage sein zehnjähriges Bestehen feiert. Die Osterfelderin begleitet türkischstämmige Eltern krebskranker Kinder auf ihrem Leidensweg. Sie organisiert Informationsabende im Krankenhaus, sommerliche Gartenfeste der Ablenkung oder eben die allmonatliche Frühstücksrunde zum Gedankenaustausch. Vor allem aber ist sie jederzeit für die Betroffenen da. „Man kann sie immer anrufen. Sie spricht mit dir, stundenlang“, sagt Bahar Akcapinar.

Die Vereinsgründerin, die an diesem Vormittag ganz in ihre Lieblingsfarbe Grün gewandet ist, kann die Trauer Akcapinars nachempfinden. Sie musste selbst zweimal erleben, dass bei ihren Kindern die Diagnose Krebs gestellt wurde, beide litten an einer seltenen, Leukämie-ähnlichen Bluterkrankung. Die inzwischen 25-jährige Tochter hilft der Mutter an diesem Morgen, das Frühstück aufzubauen. Der Sohn starb 1998.

„Wenn man das bei zwei Kindern erlebt, hat man viel Erfahrung, hat viel Zeit in Krankenhäusern verbracht“, sagt Çelikdöven. Dabei merkte sie auch, dass ihren Landsleuten bei aller medizinischen Sorgfalt etwas fehlte. „Diese Krankheit braucht Motivation und Unterstützung, die Ärzte geben ja nur die Medikamente.“ Was auf den Kinderkrebsstationen abseits davon geboten würde, sei naturgemäß an christlichen Traditionen orientiert: Geschenke und kleine Feiern zu Ostern und Weihnachten etwa. Çelikdöven sorgte mit ihrem Verein dafür, dass auch das muslimische Zuckerfest Einzug hielt.

Frühmorgens arbeitet sie im Supermarkt

Die Familien, denen „Weg der Hoffnung“ zur Seite steht, kommen aus ganz NRW. Für seine Gründerin ist der Verein inzwischen zur Vollzeitbeschäftigung geworden. Dabei hat Çelikdöven auch noch einen regulären Job – jeden Morgen vor Ladenöffnung räumt sie bei Kaufland Regale ein. „Für mich ist das super. Bis die Leute aus dem Bett sind, habe ich meine Arbeit schon hinter mir und den ganzen Tag Zeit für den Verein.“

Ganz so leichtfüßig freilich hat die 45-Jährige ihr Ehrenamt nicht immer ausgeübt. Anfangs war es schwer. „Ich musste in die gleichen Krankenhäuser, in denen ich damals mit meinem Sohn war, da kamen viele Erinnerungen hoch“, sagt Çelikdöven, die einräumt, dass sie sich mit dem Engagement auch ein Stück weit selbst therapiert. In der Frühstücksrunde hat dagegen niemand etwas einzuwenden – im Gegenteil. „Hier wird zusammen gelacht und zusammen geweint.“

Keine Beratung in Therapiefragen

Der Verein: Der Verein „Weg der Hoffnung“ („Umut Yolu Dernegi“) hat 145 Mitglieder, er finanziert sich aus Beiträgen und Spenden. Der Verein ist Ansprechpartner für Eltern krebskranker Kinder, lockert den Klinikalltag durch kleine traditionelle Feiern auf und organisiert mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) Typisierungsaktionen. Der Beratung in Therapiefragen enthält man sich ausdrücklich, dolmetscht aber schon mal. Aynur Çelikdöven, die die Aktivitäten nach wie vor von ihrer Wohnung aus organisiert, ist derzeit auf der Suche nach einem Büroraum. www.wegderhoffnung.com

Der Preis: Aynur Çelikdöven ist für den Ehrenamtspreis nominiert, den die NRZ und die Freddy-Fischer-Stiftung erstmals vergeben. Er soll den Einsatz jener Menschen in den Fokus rücken, die sich vor ihrer Haustür für Hilfsbedürftige einsetzen. Dotiert ist der Solidaritätspreis mit 10.000 Euro, verteilt auf die ersten drei Plätze. Die Stiftung und die NRZ stellen zudem Sonderpreise für die Plätze vier bis zehn bereit. Anfang Mai kürt eine Jury die ersten drei Gewinner. „Chance Zukunft“, so lautet das Motto der Freddy-Fischer-Stiftung und das ihres Stifters, eines Essener Unternehmers. Informationen auf: www.freddyfischer-stiftung.de/solidaritaetspreis