Oberhausen/Mülheim. .

Warum ließ das Centro während des DSDS-Chaos’ seine Haupteingänge nicht kontrollieren? Warum gab es im ÖPNV keine Durchsagen? Und warum erfuhr die Stadt erst am 24. März von der Aktion? Wo die Autogrammstunde doch seit dem 18. März feststand.

Es brodelt in ihm. Wütend und schockiert sei er, sagt ein 42-jährige Vater aus Mülheim: Zum einen „geht es mir sehr nahe, dass mein Kind und mit ihm all die anderen Jugendlichen von vielen als Asoziale verunglimpft werden.“ Seine 14-jährige Tochter zählte zu den geschätzten 19.000 Menschen, die am Sonntag die Kandidaten der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) in Oberhausen sehen wollten und in ein gefährliches Chaos geraten waren. Viel mehr noch als abfällige Kommentare über die DSDS-Fans im Internet bringt den Vater aber das „mangelhafte Krisenmanagement“ der Centro-Verwaltung und das „Schwarze-Peter-Spiel“ zwischen Stadt, Centro und RTL in Rage.

Aber der Reihe nach:

Ungehinderter Zugang zur Oase - auch nach 12.30 Uhr

Was er und andere Augenzeugen nicht verstehen: Warum konnten Jugendliche noch in das Einkaufszentrum, direkt in die „Coca-Cola-Oase“ gelangen, nachdem die Sicherheitskräfte die Außentüren der Oase verriegelt hatten? Das war nach Angaben des Veranstalters bereits um 12.30 Uhr geschehen.

Aber die vier Haupteingänge und alle Nebeneingänge des Einkaufszentrums waren am Sonntag durchgängig geöffnet und unbewacht. Somit war auch der Weg über die Passagen in die Oase frei. So war etwa die Tochter des 42-Jährigen, der lieber anonym bleiben möchte, über einen Nebeneingang noch um 14 Uhr ungehindert in die Oase gelangt. Wie viele andere Fans und Schaulustige auch. Denn den Zustrom dorthin kontrollierte das Sicherheitspersonal ausschließlich an den Türen zur Oase - selbst nach dem Abbruch der Autogrammstunde um 15.15 Uhr.

Jens Knetsch, Pressesprecher des Centro Managements, verteidigt die offenen Türen („Wir müssen den Zugang auch für andere Besucher offen halten“) und betont: „Außerdem war die Situation drinnen, in der Oase, nicht kritisch.“ Unkontrollierbar sei „ausschließlich“ das Gedränge auf dem Vorplatz gewesen. Er verweist zudem auf die Videoauswertung, nach der weniger als 3000 Personen in der Oase gewesen sein sollen. Augenzeugen hatten dennoch von großem Gedränge dort gesprochen.

Keine Hinweise auf vorzeitigen Abbruch - nicht im ÖPNV, nicht im Radio

„Versagen“ wirft der Vater dem Centro auch vor, weil sich bis zum späten Nachmittag, noch lange nach der Sperrung der Oase um 12.30 Uhr, Jugendliche nichts ahnend mit Bus und Bahn auf den Weg zum Centro machten. Wie seine Tochter, Schülerin des Otto-Pankok-Gymnasiums Mülheim, ihm berichtete, habe es im ÖPNV keine Durchsagen gegeben: keine Warnungen, dass die Oase geschlossen wurde, dass eine Fahrt zu den DSDS-Sternchen ohnehin ohne Autogramm, ohne Blickkontakt enden würde.

„Da wäre die eine vernünftige Hälfte der Leute vielleicht gar nicht mehr zum Centro gefahren“, vermutet der Vater. „So aber wurde die Situation auf dem Vorplatz zusätzlich verschärft, weil immer noch mehr dorthin drängten.“

Durchsagen im ÖPNV oder Hinweise im Radio gab es am Sonntag tatsächlich nicht, bestätigt Jens Knetsch. „Wir haben uns auf den Brennpunkt konzentriert, auf das, was wichtig war: die Megafon-Durchsagen auf dem Vorplatz. Zu allen weiteren Dingen kann ich keine Stellung beziehen.“

Termin stand neun Tage zuvor bereits fest

Das Argument des Centro-Managements, man habe mit einem derartigen Menschenansturm nicht gerechnet, lässt der 42-Jährige ähnlich wie die Polizeigewerkschaft nicht gelten: „Schon gar nicht nach dem, was in Duisburg und Bochum passiert war. Und meine Tochter und ihre Schulkameradinnen wussten doch seit Tagen, dass die Kandidaten am Sonntag im Centro Autogramme schreiben würden. Das hatte sich doch überall rumgesprochen.“

60 Verletzte im Centro

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    Kein Wunder: Der Termin für die Autogrammstunde stand laut RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer seit dem 18. März fest. Obendrein wurde die Aktion in der Mottoshow am Samstagabend (19. März) ebenfalls beworben. „Und in unseren Magazinen in der Woche mit Bauchbinde“, so Eickmeyer. Darüber hinaus hatte RTL die Autogrammstunde nicht nur auf der eigenen Website angekündigt. Bereits am Montag, 21. März, verschickte der Sender eine Pressemitteilung zur Bewerbung der Aktion am Sonntag, 27. März. Noch am selben Tag hatte zum Beispiel DerWesten die im Centro geplante Autogrammstunde angekündigt.

    Umso erstaunlicher, dass die Veranstalter den Ordnungsbehörden die Aktion erst am Donnerstag, 24. März, meldeten. „Dabei teilen die uns doch sonst jede Modenschau lange im Voraus mit“, sagt Stadtsprecher Ralf Terlau. Der aber erneut betont: „Im angekündigten Rahmen war die Autogrammstunde in der Oase nicht genehmigungspflichtig.“ Die Meldung nicht genehmigungspflichtiger Events an die Bereiche Öffentliche beziehungsweise Bauordnung sei in Oberhausen allerdings „gute Sitte“.

    Die Stadt habe sich umgekehrt allein schon deshalb nicht beim Centro nach der DSDS-Aktion erkundigen müssen, weil diese eben nicht genehmigungspflichtig gewesen sei, findet Terlau.

    „Die Kinder können nichts dafür“

    Für den 42-jährigen Vater aus Mülheim trägt der Veranstalter, trägt das Centro die Hauptschuld daran, dass 60 Menschen verletzt wurden. Darum kränkt ihn auch das Meinungsbild über die DSDS-Fans so sehr, das sich in den Nutzer-Kommentaren in Portalen und Foren abzeichne. „Sicher. In Oberhausen mögen - wie überall, wo viele Menschen zusammenkommen - aggressive oder undisziplinierte Leute in der Menge gewesen sein.“ Nun aber alle Besucher in eine Ecke zu stellen oder gar „zu Tätern zu machen“, sei oberflächlich: „Meine Tochter ist keine Asoziale. Die Kinder können nichts für das, was passiert ist.“

    Die Kommission „Oase“ ermittelt.