Oberhausen. .
Besucher der eskalierten Autogrammstunde im Centro berichten von eingeengten Fluchtwegen aus der Oase hinaus und ungehindertem Zugang in die längst überfüllte Halle. „Wir hatten wirklich Angst um das Leben unserer Kinder“, schreibt eine Mutter.
Während die Veranstalter vom Centro Oberhausen für Fragen zur abgebrochenen Autogrammstunde mit den Kandidaten von „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) bis Montagmittag nicht erreichbar waren, schilderten Eltern ihre Eindrücke vom Chaos vor Ort und von scheinbar überforderten Sicherheitsleuten. Die 30 Security-Kräfte hatte das Centro nach einer Besprechung mit RTL angeheuert, weil im Vorjahr DSDS-Autogrammstunden in Duisburg und Bochum außer Kontrolle geraten waren. In Bochum waren im April 2010 gar keine Sicherheitskräfte im Einsatz.
Aggressive Jugendliche, eingeengte Fluchtwege
Uta Hackmann-Kamp aus Essen zum Beispiel wollte mit ihren beiden Söhnen (sieben und elf Jahre) am Sonntagnachmittag das Cinestar-Kino im Centro besuchen. Es liegt ebenfalls am Platz, auf dem am Sonntag etwa 15.000 Besucher auf Einlass in die „Coca-Cola-Oase“ warteten, als diese bereits mit 3000 bis 4000 Fans gefüllt und geschlossen war. Die 43-Jährige war mit ihren Söhnen auf dem Weg ins Kino um 15.40 Uhr ungehindert über die Einkaufspassage in die Oase gelangt, also quasi über den “Hintereingang“ zur Halle: „Der Moderator hatte die Fans gerade gebeten, die Oase zu verlassen.“ Die Jugendlichen hätten darauf „sehr aggressiv“ reagiert, Schimpfwörter gerufen.
Auch die Polizei habe die Menschen in der Oase, darunter offenbar nur wenige Eltern, mehrmals über Lautsprecher-Durchsagen dazu aufgefordert, die Halle über die Fluchtwege zu verlassen. „Anders als viele Fans wollten wir ja raus“, erinnert sich Uta Hackmann-Kamp. „Man wurde aufgefordert, zu gehen, aber wir kamen nicht weg, konnten nicht nach draußen ins Freie.“ Die Türen seien zwar nicht abgesperrt gewesen, weil aber draußen direkt davor Wellenbrecher aufgebaut waren, sei der Fluchtweg sehr eingeengt gewesen. Zwischen den Türen und Wellenbrechern hätten sich die Menschen durchquetschen müssen. „Das war keine schöne Situation.“ Obendrein habe die Fans niemand nach draußen gelotst. „Die meisten Sicherheitsleute waren nach meinem Eindruck draußen, an den Wellenbrechern, im Einsatz.“ Auch deshalb leerte sich die Oase offenbar nur sehr langsam.
Uta Hackmann-Kamp und ihren Söhnen öffnete schließlich die Mitarbeiterin der Starbucks-Filiale in der Oase ein Schlupfloch: Die Frau hatte den Laden wegen des Andrangs offenbar kurzerhand geschlossen, ließ die Drei aber hinein und über eine weitere Ladentür wieder nach draußen.
Einige mussten sich übergeben, andere schleuderten Flaschen auf Besucher
Gabi Mulas aus Bottrop hat das Chaos am Sonntagnachmittag mit ihren Töchtern Katharina (15) und Viktoria (10) am eigenen Leib miterlebt. „Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl. Wir haben uns in der Oase vorsichtshalber am Rand in der Nähe des Ausgangs aufgehalten. Als es immer voller wurde, wollten wir nur noch raus.“ Obwohl alle Fenster geöffnet wurden, war es nach Angaben der Mutter „sehr warm und stickig“. Gabi Mulas: „Meine Tochter hat andere Fans gesehen, die kreidebleich waren und sich übergeben mussten. Die Rettungsteams hatten Schwierigkeiten, die Verletzten aus der Oase zu bringen.“
Kurz bevor die Veranstaltung um 15.15 Uhr endgültig abgebrochen wurde, drängte sich die Mutter mit ihren Töchtern Richtung Ausgang. Doch die Glastüren seien verschlossen gewesen. Die Security hatte zu diesem Zeitpunkt bereits alle Hände voll zu tun, die Menge vom Betreten der bereits völlig überfüllten Oase abzuhalten. „Wir konnten die Oase schließlich durch eine kleine Nebentür verlassen. Doch die Stimmung vor dem Centro war sehr aggressiv. Personen, die den Ort verlassen haben, wurden von wartenden Fans mit Flaschen beworfen.“ Nach Ansicht der Mutter hätte man die Veranstaltung früher beenden müssen. „Wir werden solche Massenveranstaltungen zukünftig meiden.“
Unbewachte Seiteneingänge, „Angst um das Leben unserer Kinder“
Welch großen Druck die Massen draußen auf die Zugänge zur Oase tatsächlich ausgeübt haben müssen und wie überfordert die Ordner augenscheinlich mit dem Massenansturm waren, schildert Sandra Maubach aus Voerde unter den DerWesten-Fotos zum Rettungseinsatz.
Die 38-Jährige war mit ihrer sechsjährigen Tochter, ihrer Schwester und deren Tochter in der Oase. „Kurz drauf stürmten die Menschenmengen, die sich vor den Türen drängten, die Oase, indem sie die Türen und die davor postierten Sicherheitsleute einfach bei Seite schoben. Die nun zusätzlich in die eh schon überfüllte Oase hineingeströmte Menge konnte von dem geringen Sicherheitspersonal nicht wieder hinausbefördert werden, da die gerade mal vier oder drei Sicherheitsleute an den Türen reichlich damit zu kämpfen hatten, den Rest der Menge draußen zu halten. Dies war eine sehr beängstigende Situation.“
Darüber hinaus seien auch über die Seiteneingänge Menschen ungehindert in die Halle geströmt. „Was verblüffend war: Auch die Seiteneingänge waren weder bewacht, noch versperrt.“ Sandra Maubach berichtet weiter, sie habe die Oase schließlich mit ihrer Schwester und den beiden Kindern fluchtartig verlassen können. Sie macht die Veranstalter vom Centro verantwortlich: „Meines Erachtens wurde da grob fahrlässig gehandelt. Man hätte das ganze viel früher beenden müssen. Wir hatten wirklich Angst um das Leben unserer Kinder und um unseres, gerade wenn man noch die Bilder von Duisburg im Hinterkopf hat.“
„Keine Ansagen, freier Einlass ins Centro“
Auch User „WAZ-Leser123“ kritisiert die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Veranstaltung. Er kann nicht glauben, dass das Centro ab 12.30 Uhr gegensteuert habe, schildert Eindrücke von der Straßenbahn-Haltestelle Neue Mitte um 13.30 Uhr: „Keine Ansagen in der Bahn, keine Ansage an der Haltestelle, freier Einlass in das Centro, keine Kontrollen, keine Durchsagen. Ich bin bereit, die Veranstalter zu verklagen.“