Oberhausen. .
Noch vor genau einem Jahr hieß das meist verwendete Wort im Arbeitgeberlager Krise. Jetzt ist allerorten vom Aufschwung die Rede. WAZ-Redakteur Thomas Schmitt sprach darüber mit dem Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, Wolfgang Schmitz (51).
Ist der Aufschwung da?
Wolfgang Schmitz: Unsere Mitglieder sind optimistisch. Eine Umfrage zum Jahreswechsel hat den positiven Ausblick, den die IHK für die Region Mülheim-Essen-Oberhausen gibt, bestätigt. Die Auftrags- und Ertragslage wird in Oberhausen mit befriedigend bis gut eingeschätzt. 20 bis 30 Prozent der Unternehmen planen 2011 die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte.
Die Krise ist also überwunden?
Schmitz: Unser Optimismus beschränkt sich auf die kommenden sechs Monate. Noch herrscht große Unsicherheit, ob sich dieser Trend so fortsetzt. Viele Firmen stehen deutlich besser da als 2009 und 2010. Den guten Stand aus dem Top-Jahr 2008 haben wir aber noch nicht wieder erreicht. Dies begründet auch die abwartende Haltung vieler Unternehmer in Bezug auf Investitionen.
Maschinenbau und Automobilzulieferer besonders erfolgreich
Welche Branchen sind besonders erfolgreich?
Schmitz: Die Bereiche Maschinenbau oder Automobilzulieferer. Diese waren von der Krise aber auch am meisten betroffen als der Export zusammenbrach. Jetzt ziehen die Exporte wieder an, die Geschäfte gehen gut. Ein aussagekräftiges Barometer für die Wirtschaftslage sind auch die vollen Auftragsbücher unserer Industriedienstleister, die dafür sorgen, dass die Produktion funktioniert, sie reparieren, halten instand, reinigen, versorgen und entsorgen.
Versorgt werden müssen auch immer mehr Menschen im Bereich Pflege.
Schmitz: Das ist richtig. Soziale Dienstleistungen boomen. Lebenshilfe, Krankenhäuser, Alteneinrichtungen.
Und auf dem Arbeitsmarkt fehlen bald die entsprechenden Fachkräfte.
Schmitz: Laut unserer Umfrage gibt es in Oberhausen kurzfristig noch keinen akuten Fachkräftemangel. Mittel- bis langfristig gehen aber alle von einem solchen aus. Schon heute können sich Ingenieure und Schweißer ihren Arbeitsplatz aussuchen. Im industriellen Bereich werden künftig auch qualifizierte Helfer und Hilfskräfte sehr begehrt sein. Alle Zahlen sprechen dafür. Außerdem hat ein Großteil unserer Mitglieder erkannt, dass eine Überalterung ihrer Belegschaften bevorsteht.
Kontakt zu den Schulen
Arbeitgeber müssten also künftig wieder mehr ausbilden, oder?
Schmitz: Ja, als Verband fördern wir ganz bewusst den Kontakt zu den Schulen, damit die Schüler wissen, welche Berufe es überhaupt gibt. Die Firmen ihrerseits haben Interesse daran, rechtzeitig gute Kandidaten kennen zu lernen. Auch verfügen wir über gute Beziehungen zu den Hochschulen in der Nachbarschaft. Studium und betriebliche Ausbildung werden immer öfter miteinander verbunden.
Wird es demnach bald mehr Lehrstellen als Bewerber geben?
Schmitz: In Düsseldorf ist das schon so. Dort stehen für jeden Jugendlichen rechnerisch 1,3 Lehrstellen zur Verfügung. In Oberhausen teilen sich zurzeit noch zwei Jugendliche eine Lehrstelle, aber in Mülheim sind es bereits nur noch 1,3 Jugendliche pro Stelle.
Was ist dran am Klagelied der Arbeitgeber über die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger?
Schmitz: Es stimmt. Und man darf es nicht nur auf Hauptschüler beziehen. Vielen jungen Menschen fehlt es an den Grundfertigkeiten. Lesen, Schreiben, Rechnen.
Eltern gefordert
Unsere Bildungspolitiker sind demnach immer noch kräftig gefordert?
Schmitz: Nicht nur, zuerst einmal sind die Eltern gefragt, die sich mehr um ihre Kinder kümmern müssen. Die Politik kann die Zahl der Lehrerstellen und die Qualifikation der Lehrer beeinflussen.
Und sie muss dafür sorgen, dass Lehrer wissen, wie Wirtschaft funktioniert. Ein guter Ansatz sind unsere Arbeitskreise Schule/Wirtschaft für Lehrer und die Vertiefte Berufsorientierung für Schüler. Im Jahr 2010 haben bei uns in Oberhausen insgesamt 28 Firmen und fast 1000 Schüler an dem von der Agentur für Arbeit geförderten Projekt teilgenommen.
Wann werden die Arbeitnehmer am Erfolg teilhaben? Wann werden die Löhne entsprechend steigen?
Schmitz: Wir haben als zuständiger Verband im vergangenen Jahr mit der IG Metall einen Stufentarifvertrag über zwei Jahre abgeschlossen. Der sah eine Einmalzahlung für 2010 und für April 2011 eine Erhöhung der Löhne um 2,7 Prozent vor. Dafür sind wir beschimpft worden. 2,7 Prozent, hieß es, seien nicht zu verantworten. Heute wird das anders gesehen. Einige Firmen ziehen die Lohnerhöhung auf den 1. Februar vor.
Könnte dieses Beispiel Schule machen, die Lohnerhöhung hier und da deutlich höher ausfallen?
Schmitz: Wie gesagt, viele Unternehmen sind noch skeptisch, sie wollen heute keinen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Treffen unsere Erwartungen ein, wird sich das in der nächsten großen Tarifrunde deutlich widerspiegeln, diese steht im Frühjahr 2012 an.
Interkommunale Zusammenarbeit
Auf den großen Gewerbeflächen Stahlwerksgelände und Waldteich droht Stillstand, weil diese im privaten Besitz sind und die Eigentümer sich viel Zeit lassen. Die Stadt ihrerseits beklagt den Mangel an Flächen, auf die sie Zugriff hat. Wie bewerten Sie die Situation in Oberhausen?
Schmitz: Gewerbeflächen sind überall recht knapp. Wichtig ist die Bereitschaft zur interkommunalen Zusammenarbeit. Die Städte der MEO-Region haben das vereinbart, sie müssen diese Kooperation aber auch leben. Gewerbeflächen kann sich kein Oberbürgermeister aus dem Rippen schneiden.
Wie können die Städte den Unternehmen am besten helfen?
Schmitz: Indem sie so viel Bürokratie abbauen wie möglich. Da gibt es positive Rückmeldungen gerade hier in Oberhausen. Es heißt, die Stadt sei kooperativ, pragmatisch und schnell. Wir fordern, dass Oberhausen nicht weiter an der Gewerbesteuerschraube dreht. Mit 490 Prozent haben wir bereits die Rote Laterne.
In der Neuen Mitte will die Stadt Wirtschaftsförderung WFO, Entwicklungsgesellschaft ENO sowie Tourismus & Marketing TMO unter einem Dach in einem Haus zusammenführen. Halten Sie das für sinnvoll?
Schmitz: Wir haben mit dem Haus der Unternehmer in Duisburg und dem Haus der Wirtschaft in Mülheim positive Erfahrungen gemacht. Wichtig ist, dass es ein Haus der Wirtschaft wird und nicht nur ein Haus der Wirtschaftsförderung. Zu meinem Anforderungsprofil gehörte, dass wir als Unternehmerverband mit unserer Regionalniederlassung ebenso vertreten wären wie die IHK. Schön wäre, wenn auch Existenzgründer dort günstig Büros anmieten könnten. Bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt.
"Ich begrüße jedes Projekt"
Auch wenn es nicht zu Ihren originären Aufgaben gehört: Wie bewerten Sie die Erweiterung des Centro und den Bau der Skihalle gleich nebenan?
Schmitz: Ich begrüße jedes Projekt, das unseren Firmen Aufträge bescheren könnte. Bei beiden Vorhaben aber muss man sich doch fragen: Macht das Sinn? In Oberhausen kommen auf jeden Einwohner 1,5 Quadratmeter Einzelhandelsfläche, landesweit sind es 1,14. Das sind also 30 Prozent mehr als im Schnitt. Muss man das ausbauen? Vor allen Dingen, wenn man die Entwicklung an der Marktstraße sieht.
Skihallen gibt es in Neuss und Bottrop. Schöner wird das vermutlich in Oberhausen auch nicht. Der Gasometer, das ist eine prächtige Geschichte. Daran haben wir auch als Unternehmer ein Interesse. Besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel spielt die Attraktivität einer Stadt eine große Rolle. Solche Highlights darf man nicht unterschätzen.