Oberhausen. Die Mitarbeiter des Oberhausener Chemiewerks OQ haben Angst um ihre Zukunft. Jetzt sprachen Beschäftigte sehr offen darüber, was sie befürchten.
Eigentlich wollte sich die Chemie-Gewerkschaft IGBCE im Oberhausener Norden wie üblich bei Jahresversammlungen um die Regularien kümmern, sprich den Vorstand wählen und Aktivitäten planen. Diese Formalien mussten diesmal schnell erledigt werden, denn den IGBCE-Mitgliedern im Ortsverein brannte ein bedrückendes Thema unter den Nägeln. Sie wollten wissen, wie es mit OQ Chemicals, früher Oxea, auf dem Gelände der Ruhrchemie weitergeht. Nachdem der OQ-Eigentümer, das ferne Sultanat Oman, zu Ostern angekündigt hatte, eine bereits zugesagte Finanzspritze von 200 Millionen Euro als Basis für ein Kreditfinanzpaket nun doch nicht zahlen, ist die Zukunft des Werks mit gut 800 Mitarbeitern ungewiss.
Bange Fragen nach dem Fortbestand der Firma OQ Chemicals mit seinem Werk Oberhausen
Da standen - kaum verwunderlich - bei einem Gewerkschaftsabend die bangen Fragen nach dem Fortbestand der Firma im Mittelpunkt. Da äußerten die einen ihre Sorge aus eigener Betroffenheit, sie arbeiten schließlich in dem Werk, die anderen, meist Mitarbeiter anderer Betriebe, weil sie befürchten, dass eine Schließung des Standorts dem Ruhrgebiet insgesamt betrachtet immensen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Denn über die Beschäftigten mit ihren Familien hinaus sind auch zahlreiche Zulieferbetriebe von der Chemieproduktion auf dem großen Areal abhängig.
„Aus den Worten der OQ-Mitarbeiter spricht regelrecht Existenzangst“, berichtet Franz Eckl, Vorsitzender IGBCE-Ortsgruppe, im Gespräch mit der Redaktion. Bei allen Wortmeldungen blieb genug Zeit zur Aussprache. „Unsere Kolleginnen und Kollegen wissen nicht, wie es für sie weitergeht, warten auf Antworten, die ihnen niemand gibt oder geben kann.“
Gewerkschafter bekunden Solidarität
Nun ist bei einer solchen Zusammenkunft kaum mit Neuigkeiten zu rechnen, sitzen doch die Verantwortlichen nicht mit am Tisch. Dass die Beschäftigten dann doch an den Treffen ihrer Gewerkschaft teilnehmen, hat sicherlich mit der Verbundenheit zur IGBCE zu tun. Gerade in Krisenzeiten ist der Zusammenhalt wichtig - und die Chemiearbeiter haben aber eben auch die Hoffnung, von der in der Branche so gut vernetzten IGBCE irgendetwas zu erfahren, was zumindest ein wenig Licht ins Dunkel bringen könnte. Einen Eindruck konnten sie auf jeden Fall mit nach Hause nehmen: Im Kampf um ihre Jobs stehen sie nicht allein, sondern andere Gewerkschafter aus der IGBCE sind an ihrer Seite.
Oberhausener SPD meldet sich zu Wort
Solidarität mit der OQ-Belegschaft kommt auch in der Pressemitteilung der Oberhausener SPD zum Ausdruck. Sie meldet sich fast vier Wochen nach Bekanntwerden der bedrohlichen Lage für die frühere Oxea erstmals zu Wort und titelt dann ihr Schreiben mit „SPD Oberhausen: Landesregierung darf bei OQ nicht tatenlos zusehen“. Diese Forderung stammt vom Holtener Landtagsabgeordneten Stefan Zimkeit: „An den 800 Arbeitsplätzen hängen wirtschaftliche Existenzen und persönliche Schicksale. Da ist jede einzelne Stelle wichtig.“ Partei- und Parlamentskollege Frederick Cordes sieht die Lage ebenso bedrohlich an: „Wir hoffen mit den Beschäftigten, dass sich noch ein Investor findet und es nicht zu einem Massen-Stellenabbau kommt. Unsere Solidarität ist Ihnen sicher.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Oberhausener SPD-Chef Dirk Vöpel knöpft sich die Bundes- und Landesregierung gleichermaßen vor - und kritisiert Amtsträger der Grünen und der Christdemokraten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) würden sich im Ruhrgebiet gerne mit einem Förderbescheid in Pose werfen. „Jetzt wäre aber der Moment, wo Habeck und Wüst mal zeigen könnten, wie ernst sie es wirklich mit dem Erhalt des Industriestandortes NRW meinen.“
Sorge um Standort für hochqualifizierte Industrieberufe
Auch Cordes greift Habeck und Neubaur an. Beide waren im Sommer 2023 noch zu Besuch bei OQ Chemicals auf dem Holtener Ruhrchemie-Gelände, „um eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff zu würdigen. Das sind schöne Wohlfühl-Termine. Aber wo sind sie denn jetzt, wo es ganz konkret um die Arbeitsplätze von 800 Menschen geht?“ Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier erhöht ebenso den Druck auf die NRW-Wirtschaftsministerin und den Bundeswirtschaftsminister: „Sie müssen jetzt ihren Job machen.“ Denn bisher haben sich weder Neubaur noch Habeck zu den Verwerfungen in einem wichtigen Chemiewerk geäußert.
Oberbürgermeister unterstreicht Stellenwert der Industrie für Oberhausen
Nicht nur für die Oberhausener SPD-Ratsfraktionschefin Sonja Bongers gehört „die chemische Industrie zu Oberhausen wie der Gasometer und der Kaisergarten“. Die Stadt müsse ein Standort für hochqualifizierte Ausbildungs- und Industrieberufe bleiben. Die Bedeutung der Industrie für Oberhausen unterstrich auch Oberbürgermeister Daniel Schranz. Er redete auf dem Arbeitnehmerempfang der Stadt, zu der sie mit dem DGB diesmal in das Sterkrader Werk von MAN Energy Solutions eingeladen hatte. Der Oberbürgermeister hatte bereits Anfang April der OQ-Belegschaft zumindest moralische Unterstützung zugesichert.
Am Vortag des 1. Mai, Tag der Arbeit, meinte Schranz nun, die aktuelle Entwicklung des Unternehmens zeige, dass die Transformation (gemeint ist der Wandel der Industrie, Anm. d. Red.) „längst nicht immer glatt verläuft. Ganz im Gegenteil: Die Unsicherheiten, die in den letzten Wochen für die Beschäftigten auf dem Ruhrchemie-Gelände entstanden sind, müssen uns umtreiben.“ Der Industrie, so untermauerte Schranz, soll auch in Oberhausen die Zukunft gehören.
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