Oberhausen. Selbst „Klimbim“-Regisseur Michael Pfleghar war mal Olympia-Filmer. Traditionsfestival erinnert an das Jahrzehnt der „Sportfilmtage“.

Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen feiern vom 1. bis 6. Mai mit ihrer 70. Ausgabe nicht nur ein stolzes Jubiläum. Offensichtlich will das betagte Festival auch seine Langzeit-Fitness beweisen, denn neben den großen Wettbewerben erleben Kurzfilmfans ein dreiteiliges Themenprogramm mit historischen Sportfilmen von 1926 bis ins 21. Jahrhundert. „Sport im Film“ präsentiert sich damit als eine Wiederentdeckung der einstigen „Sportfilmtage Oberhausen“, denen mit fünf Ausgaben von 1968 bis 1977 nur eine kurze Ära beschieden war. Ergänzend laufen unter dem Titel „Leibeserziehung“ quasi-antike Sportlehrfilme aus den 1930er bis 1950er Jahren sowie ein historisches Programm von Sportfilmen aus dem Ruhrgebiet.

„Sport und Film haben ein wesentliches Grundelement gemeinsam: die Bewegung“, schrieb Hilmar Hoffmann, der Gründervater der Kurzfilmtage, zum Debüt der Sportfilmtage 1968. Dieses „Festival im Festival“ war unabhängig, doch eng verbunden mit den Kurzfilmtagen. Zahlreiche Preisträgerfilme bewahrt bis heute das Archiv der Kurzfilmtage in mittlerweile zuverlässig klimatisierten Räumen des Stadtarchivs.

Werner Herzogs Drama über die Gefahren des Skispringens

Die Programme der Sportfilmtage waren breit angelegt, sie reichten von ikonischen Filmen wie Werner Herzogs „Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“ (1974), der mit 45 Minuten fast das Format sprengt - und anders als hymnische Sportberichterstatter auch nicht die Todesgefahr beim Skispringen verschweigt, über weitgehend unbekannte Filme späterer Berühmtheiten wie Michael Pfleghar bis hin zu Lehrfilmen wie „Neue Wege zum Wedeln“. Der „Klimbim“-berühmte Regisseur und Produzent Pfleghar (1933 bis 1991) war 1972 sogar einer von acht internationalen Filmemachern, die jeweils eine Episode der Kino-Doku „München 1972 – berühmte Regisseure sehen die Spiele der XX. Olympiade“ ins Bild setzten.

Die Goldmedaille für den dramatischsten Sportfilmtitel kann der Kanadier Robin Spry einheimsen: „Fahr um Dein Leben“, hieß sein 1966er Werk.
Die Goldmedaille für den dramatischsten Sportfilmtitel kann der Kanadier Robin Spry einheimsen: „Fahr um Dein Leben“, hieß sein 1966er Werk. © Internationale Kurzfilmtage | Robin Spry

Die rund 25 Sportfilme der 70. Kurzfilmtage stammen zum größten Teil aus dem Archiv des Festivals, eingestreut sind einige aktuellere Arbeiten. Dabei geht es nicht um eine Chronik, sondern einen bildmächtigen Themenmix: Es geht um „Körperbewegung“, „Emanzipation des Frauensports“, „Zuschauer und andere Randständige“, „Heroen in postheroischen Zeiten“ und „Sport als soziales Handeln“. Neben dem allgegenwärtigen Fußball sehen Sportbegeisterte hier auch Wasserpolo, Tischtennis, Motorradrennen und Eishockey. Wer nur Augen hat fürs runde Leder wird sogar mit „Aberglauben im Fußball“ konfrontiert.

Sport-Lehrfilme - oder die ungebrochene Tradition seit der NS-Zeit

Im Internet geht‘s „Prequel“-mäßig schon vor dem 1. Mai los. So zeigt der Kurzfilmtage Channel online eine Reihe mit Sportfilmen, die mit ihrer Länge das Kurzfilm-Programm gesprengt hätten. Dazu kommt ein Podcast und ein Journal, das im Countdown zu den Kurzfilmtagen täglich auf Fundstücke im Netz, seien sie literarischer oder filmischer Art, hinweisen will. Als Kurator engagierten die Kurzfilmtage einen profunden Kenner: Schließlich zählt zu den Publikationen des 70-jährigen Dietrich Leder, der von 1994 bis 2021 als Professor für Fernsehkultur an der Kunsthochschule für Medien in Köln lehrte, auch „Die Erfindung des Mediensports“.

Eine bizarre Tradition von Sport-Lehrfilmen überspannte die Kriegs- und Nachkriegsjahre, hier der 1944er Film „Gymnastische Bewegungsspiele und Mädeltänze“.
Eine bizarre Tradition von Sport-Lehrfilmen überspannte die Kriegs- und Nachkriegsjahre, hier der 1944er Film „Gymnastische Bewegungsspiele und Mädeltänze“. © Internationale Kurzfilmtage | N.N.

Ergänzt wird „Sport im Film“ durch eine Auswahl von frühen Lehrfilmen. Das 1950 gegründete Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht stand im Nachkriegs-Westdeutschland durchaus in der „Tradition“ seiner vom NS-Staat installierten Vorgängerin, der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. So interessierten die beiden Kuratoren Tobias Hering und Peter Hoffmann bei ihrer Filmauswahl die Sport-Lehrfilme als Zeugnisse einer Mentalitätsgeschichte, die verblüffende Kontinuitäten in den Unterrichtsmethoden der Kriegs- und Nachkriegszeit freilegen.