Essen. Nach Jahren legt Filmemacher Werner Herzog einen neuen Roman vor: „Das Dämmern der Welt“ erzählt vom Ein-Mann-Krieg des Japaners Hiroo Onoda.

Wir leben doch alle in unserer eigenen Welt. Auch wenn sie womöglich nicht ganz so eigen ist wie die des Japaners Onoda. Denn für Hiroo Onoda endete der Zweite Weltkrieg erst 1974; und dies auch nur, weil sein ehemaliger Vorgesetzter, Major Taniguchi, ihn von der Kapitulation Japans offiziell in Kenntnis setzte. Dafür wurde Taniguchi, der längst auf Buchhändler umgeschult hatte, eigens auf die philippinische Insel Lubang geflogen, wo Onoda seinen Ein-Mann-Krieg lange nicht hatte aufgeben wollen.

Sehr, sehr lange.

Was für ein Leben, was für ein Stoff. Onoda selbst hat Bücher veröffentlicht, war nach seiner Rückkehr in seiner Heimat Japan ein geehrter Mann. Und als Filmemacher Werner Herzog 1997 in Tokio eine Oper inszenierte, da wünschte er sich ein Treffen mit ihm. So schildert er es über zwei Jahrzehnte später im Vorwort seines Romans, der von Onoda erzählt.

Werner Herzog schreibt über Hiroo Onoda, der auf der Insel Lubang kämpfte

In Zeitsprüngen und entlang der bekannten Fakten schildert Herzog ein Abenteuer, das zunächst so einsam gar nicht war, schließlich hatte Onoda 1945 erstmal noch drei Soldaten an seiner Seite. Gemeinsam sollten sie einen Guerillakrieg gegen die Amerikaner führen, nachdem die japanischen Truppen sich zurückgezogen hatten, sollten sich unsichtbar machen, eins werden mit der Natur. Als Flugblätter abgeworfen wurden, die von der Kapitulation Japans kündeten, hielt Onoda sie für feindliche Propaganda. Und selbst, als man seinen Bruder in den Dschungel brachte, der ihn rief und bat, zurückzukehren – da glaubte er an eine Falle.

Wir leben alle in unserer eigenen Welt. Onodas Welt hat Herzog bis in die Tiefen durchdrungen, führt uns durch ein wild wucherndes Dickicht: „Der Traum hat seine eigene Zeit, sie spult sich rasend vorwärts oder rückwärts, sie stockt, steht still, hält den Atem an, macht jähe Sprünge als habe man ein ahnungsloses Wild erschreckt.“ Die „formlose Zeit des Schlafwandelns“ beschreibt Herzog ebenso wie das „Spektakel von roten und orangen Farben“ bei Sonnenaufgang, die Reisfelder und Büffel. Dazwischen Einbrüche der Realität, die aber Onoda auszulegen versteht, so wie die „neue Generation von Bombern“, die seit Mitte der 60er Jahre über die Insel fliegen, allerdings in verwirrende Richtungen, aber, ganz klar: „Indien hat sich von England befreit, und Sibirien sich von Russland abgespalten. Zusammen mit Japan formen sie jetzt eine mächtige Allianz gegen Amerika.“ So ist das!

Auch über die Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ schrieb Herzog einen Dschungel-Roman

Was der Dschungel mit dem Menschen macht, das hat Werner Herzog 2004 in seinem Roman „Die Eroberung des Nutzlosen“ dargelegt: Hier ging es um die Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ in Südamerika. Nun hat er sich einmal mehr den inneren Landschaften verschrieben, dem Menschen im Dickicht seiner selbst, hat jene Natur, der er auch in seinen Dokumentarfilmen so nahe gerückt ist, der Literatur einverleibt: „Ein Lagerfeuer. Zikaden. Moskitos. Regen, Regen.“

Er habe, schreibt Herzog, sofort eine Draht zu Onoda gehabt, „weil ich im Dschungel unter schwierigen Bedingungen gearbeitet hatte und mit ihm über Dinge reden und ihm Fragen stellen konnte, die ihm sonst niemand stellte.“ Die Antworten hat Herzog in diesem Roman mit uns geteilt.

Werner Herzog: Das Dämmern der Welt. Hanser, 127 S., 19 €