Oberhausen. Im Großen Haus in Oberhausen sind Michael Endes hexende Bösewichter irrwitzig komisch und die beiden tierischen Helden zum Knuddeln sympathisch.

Bei allen guten Wünschen! Dieses Ensemble im Theater Oberhausen muss selbst von einem genialischen Punsch (ohne die anderen bösen Vorsilben) gekostet haben: So schwungvoll, funkelnd von Ideen und tierischer Spielfreude gelang Ingrid Gündischs Inszenierung nach Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“. Dafür gab’s im ausverkauften Großen Haus tosenden Applaus – als hätten Kater und Rabe tatsächlich soeben die Welt gerettet.

Denn gerade dies ist kein kleines Kunststück einer Produktion, die mit 50 Vorstellungen bis weit über die Vorweihnachtszeit hinaus traditionell die wichtigste Premiere der Spielzeit bedeutet. Und die Samstags-Premiere hat selbst hochgestimmte Erwartungen erfüllt, wenn nicht übertroffen. Schon beim Eintreten hörte man, von Kindern wie Eltern, staunende Kommentare angesichts des „coolen“ Bühnenbildes: Franziska Isensee gab der Giftküche des Hexenmeisters eine Anmutung zwischen Chemiewerk und Science-Fiction – verzichtete aber zum Glück auf langweilige PC-Monitore. Digital war hier nur die unerbittliche gen Mitternacht sausende Uhr.

Ihre Magie ist ein irrwitziges Timing: Philipp Quest und Anke Fonferek als Hexenmeister und Geldhexe sowie Neffe und Tante.
Ihre Magie ist ein irrwitziges Timing: Philipp Quest und Anke Fonferek als Hexenmeister und Geldhexe sowie Neffe und Tante. © Theater Oberhausen | Jochen Quast

Als Meister der dunklen „Wissenschaft“ stolperte Prof. Dr. (soviel Zeit muss sein) Beelzebub Irrwitzer (Philipp Quest) in einem Gruselfans bekannten Look und Gebaren durch die futuristische Szenerie: ein bisserl wie Richard O’Briens „Riff Raff“ aus der „Rocky Horror Show“ oder wie all jene buckligen Butler, die sonst mit blakenden Kandelabern in Spukschlösser winken. Allerdings hat hier das kalte Unbehagen (man spielt schließlich für Publikum ab sechs Jahren) nie eine Chance gegen das Vergnügen. Dafür sorgen schon die beiden tierischen Weltretter, die sich eigentlich gar nicht vertragen dürften.

Die meisten Pointen krächzen aus des Rabens Schnabel

David Lau kitzelt mit barocker Puderperücke zum Plüschfell jede Faser Eitelkeit aus seinem Möchtegern-Tenor Maurizio di Mauro – und ist eigentlich nur ein gewöhnlicher Hinterhofkater namens Moritz. Die meisten Pointen allerdings krächzen aus dem Schnabel (der ihr als Requisite zum Glück fehlt) von Simin Soraya: Ihr Rabe Jakob krakeelt in voralpiner Tonart und mit altfränkischer Grammatik, die wo vorzüglich zu diesem Schandschnabel passt. Und die artgemäß flatterhafte bis phlegmatische Gestik ihrer tierischen Spione sitzt bei beiden wie angegossen.

Mehr als ein bisschen Tier steckt auch in Klaus Zwicks Maledictus Made mit seinen sechs Armen und dem wie für einen Engerling gesteppten Mantel: Dieser höllisch höfliche Bote aus der Unterwelt setzt dem Hexenmeister und dessen Tante Tyrannja Vamperl jenes Ultimatum bis Mitternacht, vor dem nur noch besagter satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch retten kann.

Gleich muss der arg erkältete Kater in seinem Versteck kräftig niesen: In dieser „Wunschpunsch“-Inszenierung lassen Spannung und Humor 75 Minuten lang nicht locker.
Gleich muss der arg erkältete Kater in seinem Versteck kräftig niesen: In dieser „Wunschpunsch“-Inszenierung lassen Spannung und Humor 75 Minuten lang nicht locker. © Theater Oberhausen | Jochen Quast

Ist das nicht um ein, zwei Schräubchen überdreht, könnten man argwöhnen, zumal für die jüngsten Zuschauer? Eltern, die zuhause aus dem „Wunschpunsch“-Buch vorlesen, dürften durchaus ihre liebe Not haben mit Michael Endes detailversessenem bis silbendreherverliebten Countdown gen Weltuntergang.

Doch auf der Bühne erklärt sich alles fast wie von selbst – zumal Anke Fonferek als schrille Tante „Tyti“ aus der Bosheit einer Geldhexe vom ersten Moment an die schönsten komödiantischen Funken schlägt: „Na, wo bleibt der Applaus?“ Der Applaus kommt wie herbeigehext. Es blitzt nur so vor Glanzlichtern im rasanten Dauerduell der beiden Bösewichter, die einander herzlich zuwider sind, aber aus Angst vor der Made zur Erkenntnis kommen: „Wir werden uns gemeinsam retten oder gemeinsam untergehen.“

Brummkreiselnd in die vierte Dimension: Bei diesem „Wunschpunsch“ steckt auch das Bühnenbild voller Tricks.
Brummkreiselnd in die vierte Dimension: Bei diesem „Wunschpunsch“ steckt auch das Bühnenbild voller Tricks. © Theater Oberhausen | Jochen Quast

Der einzige Helfer der beiden Tiere schwebt aus einer eisig glitzernden Winternacht-Kulisse wie ein arg zerstreuter Engel in funkelndem Pailletten-Gewand. St. Silvester (wieder Klaus Zwick) will zwar erst abwimmeln: „Wunder dauern etwas länger.“ Doch dann überlässt er den völlig verfrorenen Rabe und Kater eine einzige Note der Mitternachtsglocke: Sie muss nur noch in den höllischen „Wunschpunsch“ plumpsen.

Beschwipste Verse an den „Punsch aller Pünsche“

Grandiose Fieslinge haben auf großer Bühnen ihr Publikum meist fest im Griff: Das galt bei „Bübchen“ und „Tyti“ nicht nur für die hinreißende Tanznummer mit wahrlich untergründigen Hip-Hop-Verrenkungen, sondern mehr noch für die arg beschwipsten Wunschverse an den „Punsch aller Pünsche“: Zum Schluss hexen sich beide wieder Jugend, Schönheit – und noch dazu Güte statt Bosheit – auf den Leib. Wie diese Verwandlung hinter der sekundenkurzen Tarnung des Bühnennebels gelingt, ist nur eine von vielen Bühnenzaubereien, die (ganz ohne Filmbilder oder digitale Sperenzchen) alle habilitierten Hexen und ihre Meister in die Schranken weisen. „Ich könnte die ganze Welt umärmeln“, lallt das verzückte Tantchen „Tatütata“. Man müsste nur auf den Hohen Rat der Tiere hören – und dankbar seine beiden Spione kraulen.

Noch mehr Termine als bei „Pünktchen und Anton“

Für den „Wunschpunsch“ im Großen Haus bietet das Theater Oberhausen Termine in Fülle. Disponiert sind bisher die Vorstellungen bis einschließlich Januar 2024. Allerdings bleibt der „Wunschpunsch“ für seine jungen – und die älteren – Fans bis März nächsten Jahres zu erleben. Schließlich gibt es zwei komplette Besetzungen aus dem Ensemble, damit möglichst kein Termin ausfallen muss.

Das Theater plant mit insgesamt 55 Terminen – das wären noch fünf mehr als bei Ingrid Gündischs Erfolg mit Erich Kästners „Pünktchen und Anton“.

Karten gibt’s zu 5,50 und 8 Euro unter 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de