Oberhausen. Als neues, für sie lohnenswertes Angriffsziel hat die Oberhausener AfD die Sparkasse Oberhausen ausgemacht – und fordert Kunden zum Wechsel auf.

In der üblicherweise recht gediegen-höflichen Atmosphäre bei Debatten im Oberhausener Stadtrat ist die vierköpfige AfD-Fraktion erneut durch einen erstaunlich harschen Tonfall aufgefallen. Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kempkes widmete sich dabei einem Thema, das viele Menschen schon seit Jahren umtreibt – und damit äußerst populär ist: Warum zahlen denn diese Banken so geringe Sparzinsen und greifen auch noch mit höheren Kreditzinsen ins Portemonnaie der Kunden, die dieses Geld doch so dringend benötigen?

Den Tagesordnungspunkt 7, bei dem den 55 Ratsmitgliedern der Jahresabschluss der Stadtsparkasse Oberhausen zur Absegnung vorgelegt wurde, nutzte der seit der Kommunalwahl 2020 im Oberhausener Rat sitzende Betriebswirt, um eine generelle Abrechnung des öffentlichen Geldinstituts der Stadt Oberhausen anzugehen. „Kaum einer hinterfragt hier die Geschäftspraktiken dieser Organisation“, hob Kempkes im neu renovierten Ratssaal an. „Die Stadtsparkasse bietet den Sparern nur lächerliche Sparzinsen von 0,7 Prozent für Tagesgeld und den Kreditnehmern übertrieben hohe Kreditzinsen von 8 bis 15 Prozent.“

AfD: Die Oberhausener Sparkasse macht Beute, die als Gewinn bezeichnet wird

Auch im Vergleich zu anderen Sparkassen der Region, wie der Duisburger Sparkasse, seien die Angebote der Sparkasse schlecht. „Wer solche Angebote macht, betreibt aktiv die Enteignung seiner Sparer. Die Beute, die die Sparkasse so erzielt, wird hier auch noch als Gewinn bezeichnet.“ Das ist durchaus nicht nur in der Wortwahl bemerkenswert, die die Sparkassen-Belegschaft mit dem Begriff „Beute“ in die Nähe von Diebesbanden rückt, sondern auch in der Stoßrichtung – war man es bisher doch gewohnt, dass die Linken das Geschäftsgebaren von Geldinstituten als „Auswuchs des weltweiten Finanzkapitalismus“ brandmarken.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kempkes (rechts) bei einer Ratssitzung im Mai 2023 mit seinen Ratskollegen Hartmut Mumm, Jörg Lange und Erich Noldus (von links).
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kempkes (rechts) bei einer Ratssitzung im Mai 2023 mit seinen Ratskollegen Hartmut Mumm, Jörg Lange und Erich Noldus (von links). © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Einmal in Fahrt wehrte sich der AfD-Mann gegen Forderungen der anderen Parteien, die mit der Stadt rechtlich eng verbundene Sparkasse möge doch in den nächsten Jahren wieder einmal Gewinne an die Stadtkasse ausschütten, um den notwendigen künftigen Sparkurs der Stadt mit Einschnitten für die Bürger abzumildern. „Die Sparkasse soll sich nicht an der Konsolidierung des Haushalts beteiligen, letztendlich bezahlen das die Kunden der Sparkasse. Die Sparkasse sollte dieses Geld lieber ihren Kunden zurückgeben.“ Kempkes gab dann folgenden Tipp an die Oberhausener Bürger: „Ich kann nur allen Kunden der Sparkasse Oberhausen raten, sich andere Angebote mit höheren Sparzinsen und niedrigeren Kreditzinsen einzuholen – und diese Angebote wahrzunehmen.“

Auch interessant

Die anderen Fraktionen reagierten auf diese Stellungnahme des AfD-Fraktionsvorsitzenden nicht – es ist ohnehin bisher weitgehend Konsens unter den anderen Fraktionen und Gruppen, die Provokationen nicht durch weitere Debatten zu adeln. Nur als AfD-Ratsherr Erich Noldus bei anderen Tagesordnungspunkten die finanzielle Förderung der Kultur und die Schaffung neuer Kultur-Stellen scharf kritisierte, reagierten sowohl SPD als auch Grüne in dieser Montags-Sitzung. „Die AfD unternimmt sehr viele Versuche, gegen unsere Kultur zu schießen. Das weise ich entschieden zurück“, sagte Grünen-Ratsherr Andreas Gadde. Und SPD-Kulturpolitiker Axel Scherer: „Die AfD fordert letztendlich den Bankrott der Kultur in Oberhausen. Das beschädigt Menschen, die sich seit vielen Jahrzehnten um unsere Stadt verdient gemacht haben. Wer dagegen wettert, hat keine Ahnung von der Kultur in unserer Stadt.“

Geschäftsmodell: Sparkassen und Volksbanken leben vor allem von dem Zinsunterschied

Da im Rat niemand auf die herbe Sparkassen-Kritik reagierte, fragte diese Redaktion bei der Sparkasse Oberhausen nach – und recherchiert noch einmal das Geschäftsmodell solcher Institute nach. Grundsätzlich finanzieren gerade Sparkassen und Volksbanken ihre finanziellen Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen in einer Stadt hauptsächlich damit, dass sie nicht zu teuer Geld einkaufen (von Sparern) und nicht zu billig verleihen (an Gewerbetreibende oder Konsumenten). Von dem durch diesen Zinsunterschied eingenommenen Geld werden Belegschaften, Filialen, Dienstleistungen finanziert sowie Rücklagen aufgefüllt, die Kreditrisiken absichern.

Auch interessant

Eine Sparkasse gilt in vielen Kommunen als Schlüsselfaktor für die eigenständige Geldversorgung einer Stadt, aber auch für die Stadtentwicklung, indem das Geldinstitut Immobilienprojekte vorantreibt. Über den Verwaltungsrat der Sparkasse hat die Politik in einer Stadt Einfluss auf die geschäftliche Strategie.

Besonders rendite-stark ist die Sparkasse Oberhausen nicht: Sie erwirtschaftete 2022 gerade einmal knapp 13 Millionen Euro im Jahr als Betriebsergebnis bei einer Bilanzsumme von 2,9 Milliarden Euro, der ausgewiesene Bilanzgewinn liegt sogar nach Abzug von Steuern nur bei 1,8 Millionen Euro. Das macht eine Rendite von 0,45 Prozent bzw. 0,06 Prozent aus. Die Sparkasse benötigt dieses Geld, um ihre Finanzkraft abzusichern und Rücklagen aufzufüllen. Deshalb schüttet die Bank schon seit vier Jahren keinen Gewinn mehr an die Stadtkasse aus.

Sparkasse Oberhausen wehrt sich gegen den Vorwurf der AfD

Und wie sieht es mit den Angeboten für die Sparer und Kreditnehmer aus? „Die Konditionen der Stadtsparkasse Oberhausen sind sowohl im Einlagenbereich als auch im Kreditgeschäft marktgerecht und fair“, meint der Sparkassen-Vorstand. „Ein Vergleich mit Lockangeboten von beispielsweise Direktbanken, die nur zeitlich befristet gelten, häufig betraglich begrenzt sind und vielfach der Gewinnung von Neukunden dienen, ist nicht zielführend, Bestandskunden profitieren häufig nicht von diesen Aktionen.“ Viel wichtiger als die letzte Zahl hinter dem Komma bei Angeboten und meistens unumgänglich sei eine gute Beratung bei der Geldanlage oder bei der Aufnahme eines Kredites.

Wer gerade auf der Suche nach einer Geldanlage ist, erhält auch noch einen Tipp von Sparkassen-Sprecher Frank Wrobel: „Aktuell fragen viele Kundinnen und Kunden ein Festgeld mit einer Laufzeit von einem Jahr und einer Verzinsung von 2,75 Prozent nach. Werden noch längere Anlageziele verfolgt, bieten sich Anlagen in höher verzinste Sparkassenbriefe oder Wertpapiere an.“

Er weist auch darauf hin, dass die Stadtsparkasse mit zu den ersten regionalen Kreditinstituten gehörte, die zum Ende der Negativzinsphase wieder eine Einlagenverzinsung für die vielen Sparerinnen und Sparer eingeführt haben. Für Hauseigentümer, die ihre Immobilie modernisieren möchten, hält die Sparkasse Darlehen mit einer Nominalverzinsung von 4,8 Prozent bereit.

Der Rat jedenfalls erteilte am Montag den Organen der Stadtsparkasse Oberhausen für das Geschäftsjahr 2022 Entlastung – mit breiter Mehrheit. Die Linken enthielten sich, die AfD war dagegen.