Oberhausen. Eingestuft als rechtsextremistischer Verdachtsfall – und doch wollen viele die AfD wählen. Ein Ruhrgebiets-Oberbürgermeister nennt die Ursachen.
Den derzeitigen Höhenflug der rechten Partei AfD betrachtet der Oberhausener Oberbürgermeister und Christdemokrat Daniel Schranz mit großer Sorge. „Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, das ist eine Gefahr für die Demokratie“, sagte Schranz im Gespräch mit der Redaktion.
Verfassungsschutz beobachtet AfD seit März 2021 als Verdachtsfall
Gerichtlich bestätigt beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz seit Frühjahr 2021 die gesamte AfD und deren Jugendorganisation JA als rechtsextremen Verdachtsfall für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Nach der jüngsten Forsa-Umfrage kommt die AfD bei der Sonntagsfrage gleichwohl auf 19 Prozent – und würde damit bei einer Bundestagswahl hinter der CDU zweitstärkste Partei werden.
Schranz, seit 2015 erster CDU-Oberbürgermeister seit 60 Jahren in Oberhausen, erklärt sich die hohe Zustimmung der Bevölkerung für die AfD in diesen Zeiten mit einer „großen Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger“. Gespeist wird dies nach Einschätzung des studierten Historikers und Politologen hauptsächlich durch drei Themenblöcke, die bisher falsch oder zu wenig politisch gemanagt werden: Klimaschutz bei Gebäuden, Zuwanderung und Kriminalität.
„Wir benötigen zwar mehr Klimaschutz auch im Gebäudesektor, wer aber das Heizungsgesetz so gestaltet, treibt die Menschen in große Sorgen, dass sie sich das alles finanziell nicht mehr leisten können. Wir verunsichern damit die Bürger enorm, wie sie ihre Zukunft gestalten können.“
Oberbürgermeister: Sicherheitsempfinden der Menschen massiv geschädigt
Unterschätzt werde auch, wie massiv das Sicherheitsempfinden der Menschen geschädigt wird, wenn sich in Ruhrgebiets-Städten kriminelle Clan-Familien Schlägereien liefern oder Banden einfliegen, die mitten in der Osterfelder City Geldautomaten in Wohnhäusern sprengen. „Bürger fragen sich, ob der Staat noch in der Lage ist, seine Schutzfunktion zu erfüllen und die Bürger zu schützen. Das sorgt für massive Verunsicherung.“ Er habe keinen Zweifel, dass NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) diese Problemfelder intensiv beackern lässt. „Doch bisher haben wir das nicht in den Griff bekommen, wir müssen den Kampf dagegen noch ausweiten.“
Der frühere NRW-Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung sieht den Staat insgesamt, insbesondere aber die Städte vor Ort angesichts der enormen Zuwanderung vor allem auch durch Asylbewerber sehr belastet. „In Oberhausen haben wir eine Kultur der Weltoffenheit - und das soll auch so bleiben. Doch schon 2015 trieb die Bürger die Sorge um, dass der Staat einen Kontrollverlust erleidet, dass niemand weiß, wie viele Flüchtlinge noch zu uns kommen.“ Deshalb sei er nun froh, dass die EU mit ihrem Asylkompromiss endlich Schritte einleitet, die Asylverfahren schon an den Außengrenzen zu beschleunigen und irreguläre Zuwanderung zu reduzieren. Denn: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich“, zitiert er den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck. Schranz: „Wir benötigen zwar Zuwanderung für viele Branchen wie Pflege oder IT-Technik, doch es ist nicht davon auszugehen, dass wir unseren Fachkräftebedarf mit einem nennenswerten Anteil der Asylbewerber erfüllen können.“
CDU-Oberbürgermeister warnt seine Partei vor einem Strategiewechsel nach rechts
Daniel Schranz warnte seine Partei davor, rechte und nationalistische Töne anzuschlagen. „Unsere Partei und ganz Deutschland ist seit Jahrzehnten mit unserem bisherigen Kurs der Mitte gut gefahren. Wahlen in Bayern und im Osten haben gezeigt, dass man so Protestwähler nicht zurückgewinnt, sondern diese dann lieber das Original wählen. Wir sollten alte Fehler nicht wiederholen.“ In der Breite der CDU sei man sich auch einig, die Strategie, sich von der AfD abzugrenzen, weiterzuverfolgen. „Es gibt überhaupt keine Unterstützung für einen Kurs, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Wir wollen mit dieser Partei nichts zu tun haben.“
Der Oberbürgermeister von Oberhausen beobachtet als Vorsitzender des Stadtrates eine zunehmend aggressive Radikalisierung der hiesigen AfD-Fraktion. „Durch den Einzug der AfD in den Rat im Herbst 2020 ist die vorher recht sachliche Atmosphäre bereits beschädigt worden. Die AfD versucht zunehmend eine starke Polarisierung in Sitzungen, auch durch völlig unangemessene Versuche, einzelne Ratsmitglieder und Vertreter der Stadtverwaltung persönlich zu attackieren. Wir akzeptieren das nicht, wenn Menschen ungerechtfertigt beschimpft werden.“
Die Strategie der AfD sei, Unsicherheiten in der Bevölkerung zu erhöhen. „Sie radikalisieren Themen, um daraus politisch Kapital zu schlagen. So stilisieren sie beispielsweise einzelne Gewaltfälle an Schulen zu einem generellen Problem hoch, stigmatisieren bestimmte Schulen zur Gänze. Natürlich müssen wir über die einzelnen Gewaltfälle reden und Konsequenzen ziehen, aber wir dürfen nicht pauschalisieren.“