Oberhausen. Nach hitzigem Start bieten die „Schlossnächte“ im Ambiente der Ludwiggalerie musikalische Kleinkunst, kriminelle Literatur und ganz großes Drama.
Das heimliche Prinzip der frisch im Schlosshof etablierten „Oberhausener Schlossnächte“ lautet offiziell „ein Sommertheater“. Doch eigentlich müsste es viel plakativer „Greatest Hits!“ schmettern. Denn mit den größten Erfolgen, überwiegend nach Lachern pro Minute gezählt, trumpfen hier fast alle auf: die Komödianten und Kabarettisten und nicht zuletzt das Kindertheater.
Nur die jungen Musikerinnen und Musiker des Indie Radar Ruhr agieren noch nicht nach dem „Greatest Hits“-Prinzip: Ihnen gehören zwar vom 7. bis 16. Juli zwei Wochenenden im Schlosshof. Doch die Rock- und Pop-Stars in spe haben, am Anfang vielversprechender Karrieren, noch nicht so viele Hits aufgehäuft, die alle Welt mitsingen könnte. Dafür lohnt sich das Hinhören und Entdecken.
Für ein Kleinkunst-Solo geradezu verdreht-philosophisch startet der „Schlossnächte“-Juli mit Anna Schäfers Erkenntnis „Jetzt – morgen war gestern“. Sind das die Gedanken, die eine vielbeschäftigte TV-Schauspielerin wenige Tage vor ihrem 50. umtreiben? „Hat die Unschärferelation etwas mit Kurzsichtigkeit zu tun?“, fragt sich die Kölnerin. „Ist Bewusstseinserweiterung auch oder nur ohne Drogen möglich?“ Ob’s zu den vielen Fragen auch Erkenntnisse gibt, klärt die Schauspielerin, Sängerin und Komödiantin an der Seite des Musikers Jochen Kilian am Samstag, 1. Juli.
Preisträger des „Herborner Schlumpeweck“
Ein „Best of“ (so die Übersetzung von „Greatest Hits“) holt Oberhausens heimische Kleinkunst-Fachkraft Matthias Reuter am Mittwoch, 5. Juli, aus seinem „Unfugskarton“, randvoll gepackt mit Perlen aus fünf Programmen mit Kabarett und Geschichten. Der 46-jährige Preisträger des „Herborner Schlumpeweck“ (und etlicher nicht minder skurril benamster Auszeichnungen) spielt satirische Songs und liest Gedichte und Geschichten aus den letzten 15 Jahren. Denn da hat sich einiges angesammelt: Storys aus der Reihe „Schrecken des Alltags“, Szenen über russische Hacker und chattende Letten sowie staubig-schwarzer Kohlerevier-Country.
Gerade mal zwei Dutzend Schaffensjahre, von den „Räubern“ des 21-jährigen Regimentsmedicus bis zu „Wilhelm Tell“, waren Friedrich Schiller vergönnt. Das bisschen Weimarer Klassik bringen vier tollkühne Bühnentiere als „Schillers sämtliche Werke . . . leicht gekürzt“ an insgesamt sechs Abenden in den Schlosshof, der so noch ein Quäntchen nobler wirkt. Die zweite Schiller-Runde folgt von Dienstag bis Donnerstag, 18. bis 20. Juli. Ohne Michael Ehnerts faustdicke Frevelei hätte man den Goethe-Kumpel doch nie für einen Erzkomödianten gehalten.
Drei Recken mit Reclam-Heftchen
Drei der vier Recken mit Reclam-Heftchen – nämlich Aydın Işık, Nito Torres und Sascha von Zambelli – stürzen sich ungebremst von Freitag bis Sonntag, 21. bis 23. Juli, auch gleich auf „Shakespeares sämtliche Werke“. Und verglichen mit dem dramatischen Output des „Schwans vom Avon“ waren selbst die addierten Goethe und Schiller für die Bühne nur Gelegenheitsschreiber. Ob tatsächlich alle 36 Schauspiele – vom Gemetzel des „Titus Andronicus“ bis zu den derb-feministischen „Lustigen Weibern von Windsor“ – in eine einzige Schlossnacht passen?
René Steinberg hat’s am Mittwoch, 26. Juli, leichter, seinem Publikum ein „Best of“ zu versprechen. Im bestenfalls knöcheltiefen Flachwasser der Formatradio-Wellen haben die Scherze des 50-jährigen Mülheimers schon fast intellektuelle Tiefe. Also darf das Publikum des WDR-„Radiogesichts“ (seine Selbstbeschreibung) durchaus auf mehr als seichtes Geblubber hoffen.
Statt Hanns-Josef Ortheil liest Christine Sommer
Hanns-Josef Ortheil hätte allein dank seiner literarischen Vita ein wahres „Best of“ treffend gewählter Worte versprochen. Doch anders als im „Schlossnächte“-Flyer angekündigt, ist der Gast des Literaturhauses im Schlosshof am Freitag, 28. Juli, nun Christine Sommer mit einer Lesung aus Ferdinand von Schirachs „Verbrechen“, „Schuld“ und „Strafe“. Der erfolgreiche Berliner Strafverteidiger (und Enkel des NS-„Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach) beherrscht auch als Erzähler alle Kniffe. Christine Sommer, die in Recklinghausen heimische Wienerin, präsentiert dieses Programm erstmals, begleitet von Gitarrist Udo Herbst. Als „furios“ erlebten Fans des Literaturhauses vor zwei Jahren den Auftritt mit ihrem Mann Martin Brambach im Sterkrader Stadion.
Kindertheater verwandelt Märchen von „Gebrr und Grimm“
Kindertheater zum kleinen Preis gibt’s an zwei Juli-Sonntagen: Mit „Gebrr und Grimm“ erzählt das „Theater kreuz & quer“ am 2. Juli um 15.30 Uhr auf ganz neue, clowneske Art das Märchen vom Froschkönig. Und auch bei „Der Fischer, seine Frau und das Fischstäbchen“, zu erleben am 30. Juli um 15.30 Uhr, verwandelt die Duisburger Truppe ein weiteres Grimmsches Märchen. Karten kosten für Kinder 5 Euro, für Erwachsene 8 Euro.
Für das Gros der 32 Abende gilt ein Vorverkaufspreis von 22,50 Euro. Die Abendvorstellungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr; Einlass ab 18.30 Uhr. Für den Ticketverkauf sorgen das Ebertbad sowie die Abendkasse.