Essen. Mit zwei verschiedenen Programmen unterhält Kabarettist René Steinberg sein Publikum in den stressigen letzten Wochen des Jahres. Ein Interview.
Ruhrgebietsmensch, Radiogesicht, Bühnentiger, Powergriller und Mettbrötchen-Fan: Unter anderem mit diesen Attributen beschreibt sich René Steinberg selbst. In diesem Spätherbst und Winter ist der Mülheimer Kabarettist mit zwei verschiedenen Shows unterwegs. Zum aktivierenden Programm „Freuwillige vor“ wie auch zum Weihnachts-Spezial „Ach, du fröhliche ...“ beantwortete der 44-Jährige einige Fragen von Patrick Friedland.
In den kommenden Wochen touren Sie mit zwei verschiedenen Programmen. Zuletzt las ich in verschiedenen Interviews mit Kabarettisten und Komikern, dass es für sie wichtig ist, ein Programm komplett abzuschließen, bevor sie mit einem anderen auftreten können. Wie komplex ist das für Sie?
Gar kein Problem. Weil ich sowieso in jedem Programm viel Wert auf Interaktion, Improvisation und Spontanes lege, ist bei mir kein Abend wie der andere. Gut, während der Weihnachtstour pausiert auch „Freuwillige vor“, was dann erst wieder ab Januar weitergeht - weshalb ich die Tickets dafür ja auch dann perfekt als Weihnachtsgeschenk anpreisen kann (lacht).
Welchen Anteil werden denn Ihre Stimmenparodien in den beiden Programmen ausmachen? Und wen gibt’s zu hören?
Da möchte ich nicht zuviel verraten, aber natürlich werden sie da sein. Und zwar so, dass sowohl Radiohörer als auch Nicht-Hörer Spass daran haben werden.
Ihre Live-Shows sind ja für ausgiebige Interaktionen mit dem Publikum bekannt. Wie gelingt es Ihnen, die ja nicht selten recht schüchternen Besucher zu „lockern“?
Es freut mich sehr, wenn das so wahrgenommen wird, denn es ist mir ausgesprochen wichtig, dass so ein Live-Abend was ganz besonderes ist: interaktiv, überraschend, bestenfalls mit einer einzigartigen Gruppen-Dynamik. Für mich ist das pure Magie. Und da wäre ich ein tumber Trottel, würde ich meine Gäste vorführen oder der Lächerlichkeit preisgeben. Im Gegenteil: eben weil ich mit dem Publikum agiere, muss ich es mit größtem Respekt und Fingerspitzengefühl behandeln. Es darf niemand Angst haben – Gott sei Dank gelingt das fast immer, so dass sich unfassbar herrlich Situationen ergeben.
In Bezug auf „Ach, du fröhliche …“: Wie sieht für sie das perfekte Fest aus?
Dass Menschen da sind. Heiligabend ist bei uns die Hütte voll. Was ich sehr genieße und auch wichtig finde. Der Sinn von Weihnachten ist für mich diese soziale Komponente – die Botschaft des Festes ist ja Liebe und Miteinander. Das ist das, was Menschen generell und besonders in der heutigen Zeit sehr brauchen: Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu erleben; Akzeptanz. Wenn dann auch noch ausreichend Getränke vorhanden sind, bin ich glücklich.
Warum machen eigentlich so viele Künstler, egal ob aus Comedy, Kabarett oder Musik,Weihnachtsprogramme?
Das müssen sie die anderen fragen. Oder besser das Publikum. Ich jedenfalls habe schon vor Jahren Weihnachtslesungen gemacht. Ich mag das Fest einfach und die besondere Stimmung. Na und offenbar geht es vielen Menschen so, dass sie sich in der Vorweihnachtszeit mal einen Abend lang in diesem Sinne erfreuen lassen wollen. Das ist wohl der Grund, warum Weihnachtsprogramme gut laufen. Was ja eine schöne Entwicklung ist.
Müssen Sie an Weihnachten auch zu Tisch mit der Familie irgendetwas Witziges tun und die ganze Meute unterhalten?
Um Himmels Willen, nein (lacht). Und, wie gesagt, ist bei uns so viel los, dass ich froh sein kann, überhaupt mal zu Wort zu kommen. Zumindest an Weihnachten empfindet es mal als großes Glück, dass da Menschen um mich herum sind,die alles andere als still sind und wir uns gegenseitig sehr, sehr viel „unterhalten“.
Als „bekennender Powergriller“ und Mettbrötchen-Fan: Was entgegnen Sie dem zunehmend veganen, Fleischesserverurteilenden Zeitgeist?
Dass sie natürlich im Grunde Recht haben. Mit ist ja selber auch klar, dass Fleischkonsum verantwortungsvoll sein muss; was ich auch versuche. Aber ich möchte ebenfalls entgegnen, dass jeder im Grunde vernünftige Gedanke sicherlich nicht mit Druck, Wut und Ideologie durchzusetzen ist. Und der missionarische Charakter einiger dieser Zeitgenossen erschrickt mich mitunter.
Davon abgesehen: Nicht wenige sprechen mit Blick auf unsere heutige Gesellschaft von einer „Angstgesellschaft“.Was können Sie dem entgegensetzen? Sollten Menschen einfach mal mehr Klamauk und Nonsens in ihr Leben lassen?
Das ist ja mein Kern-Thema. Ich sage: wir haben so viel Angst und Wut in der heutigen Welt, da bringt es nichts, darauf mit noch mehr Wut zu antworten. Allerdings vermute ich hinter ihrer Formulierung eine Skepsis gegenüber dem Lachen, die mir bekannt ist. Wenn ich sage, dass wir mehr Humor brauchen – Humor ist ein Wutdrucksenker – dann meine ich NICHT das, was gemeinhin mit Klamauk oder auch Schlagworten wie „Spassgesellschaft“ assoziiert wird. Es ist nicht „läppisch“ oder gar oberflächlich. im Gegenteil: Ich meine Humor als Haltung, als Stärke; ja, quasi als Waffe. Etwas mit feinem Spott zu überziehen ist viel effektiver und enttarnender, als mit der gleichen Wut tumb zurück zuschnauzen. Humor ist eine intelligente Weltsicht. Sie entspannt und bezieht Menschen mit ein, statt sie auszugrenzen. Man erkennt den Menschen in seiner Unvollkommenheit und muss drüber lachen, versucht aber dennoch – wie Tucholsky sagte – die Welt ein bisschen besser zu machen. Humor, wie ich ihn verstehe, da denke ich an Ustinov,Kishon, an Hanns Dieter Hüsch. Große Namen; alle vereint ein riesiger Humor, auch Bissigkeit, aber stets verbunden mit großer Menschenfreundlichkeit, mit – um ein großes Wort zu nutzen – mit Humanismus. Darum geht es mir im Kern, denn das braucht es heute meines Erachtens nach mehr denn je.
Sie waren auch mal freier Mitarbeiter bei uns. Warum wurde es denn nichts mit der Karriere bei der Zeitung?
Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, wurde da wohl schon ein Grundstein für meine heutige Arbeit gelegt. Ich fand als Lokaljournalist jede Kaninchenzüchter-Austellung, jedes Pfadfinderlager ungemein interessant. Meine riesige Neugier auf Menschen wurde da gesättigt. Menschen sind so spannend. Nur muss ich zugeben, dass ich deutlich lieber mit den Menschen redete, als dann später im stillen Kämmerlein noch drüber zu schreiben. Und – was ich ganz schlimm fand –alles, was die Menschen mir erzählten dann zusammen zu fassen oder gar zu kürzen. Ähem,.. wird dieses Interview eigentlich gekürzt?
Nein, keine Bange! Ein abschließender Tipp von Ihnen an alle Leser für die Advents-/Weihnachtszeit?
Entspannt euch. Das ist das Wichtigste. Es ist das Fest der Freude, also ist es blanker Unsinn, sich vorher kaputt zu stressen. Bricht mal wieder alles über euch zusammen, lacht drüber! Denkt dran: die Katastrophe, die dir heute geschieht - ist die lustige Anekdote von morgen.
„Freuwillige vor“: 7.11. Mülheim (Ringlokschuppen), 8.11. Witten (Saalbau), 9.11. Voerde (Aula Schulzentrum Nord), 29.11. Kamp-Lintfort (Stadthalle), Karten ab ca. 21 €. „Ach, du fröhliche …“: 24.11. Rheinberg (Schwarzer Adler), 4.12. Arnsberg (Kulturschmiede), 5.+11.12. Essen (Stratmanns), 7.12. Langenfeld (Schaustall), 8.12. Waltrop (Majestic). Karten ab ca. 19 €.