Oberhausen. Durch den Ukraine-Krieg müssen sich die Fachleute um immer mehr Kinder und Jugendliche kümmern. Auch der Fachkräftemangel spielt eine Rolle.

Die Landesstatistik machte stutzig: Nach der Erhebung des Landesdatenamtes IT.NRW sanken die Fallzahlen der erzieherischen Hilfe in Oberhausen 2021 in fast allen Bereichen. Ungewöhnlich, denn dieses Thema ist wegen der sozialen Probleme so vieler Familien und wegen seines Kostenvolumens in den vergangenen Jahren in der Stadt intensiv diskutiert worden.

Und so beteuert die Stadtverwaltung auch: Die Zahlen des Landes entsprechen nicht der Realität. Denn tatsächlich nehmen die Fälle vor allem durch den Zuzug so vieler geflüchteter Menschen, vor allem Frauen mit ihren Kindern, weiter zu. Die Oberhausener Haushaltskassen werden auch 2022 mit der Unterstützung für schwierige Familien stark belastet.

IT.NRW hatte gemeldet, dass die Zahl der Fälle im Jahre 2021 um fast 1300 zurückgegangen seien. Für Schuldezernat Jürgen Schmidt und Bereichsleiter Olaf Pütz wäre das ein Grund zum Jubeln. Wenn es denn so wäre. Doch durch ein Update der Verwaltungssoftware sei es zu Problemen bei der Datenübermittlung gekommen. Richtig ist: 2021 gab es erneut eine Zunahme der Fälle um 200. In 5814 Fällen leisteten die verschiedenen Einrichtungen der Stadt erzieherische Hilfe.

52 Millionen Euro für erzieherische Hilfen

Unter dem Fachbegriff „Erzieherische Hilfe“ wird ein breites Spektrum von Unterstützungsvarianten für Familien mit Problemen zusammengefasst: Es reicht von der Jugendsozialarbeit, über Beratungsangebote in Schulen, bis hin zur Heimerziehung und Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen. In Oberhausen stiegen die Kosten in der Vergangenheit an, um mehr als eine Million Euro im vergangenen Jahr. Insgesamt wurden 52,3 Millionen Euro ausgegeben. Mit einem ähnlichen Wert wird auch in diesem Jahr kalkuliert, allerdings verursacht der Zuzug von ukrainischen Geflüchteten zusätzliche Kosten.

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„Wir erleben eine dramatische Arbeitsplatzsituation mit erheblichem Fachkräftemangel. Gleichzeitig beschäftigen uns die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und der Zuzug geflüchteter Menschen“, fasst Olaf Pütz im Gespräch mit dieser Redaktion zusammen. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Oberhausen mehr als 800 Kinder und Jugendliche aufgenommen. Ein Teil von ihnen muss in Einrichtungen der Stadt untergebracht werden. Verpflegung und Betreuung verursachen Kosten, die schon jetzt messbar sind.

Schuldezernent Jürgen Schmidt.
Schuldezernent Jürgen Schmidt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Zahl der Geflüchteten steigt – die Kosten tun es ebenfalls

So gab die Stadt für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) im zweiten Quartal 2022 exakt 641.000 Euro aus. Das waren 200.000 Euro mehr als im ersten Quartal. Die Ausgaben belasten den ohnehin schmalen Haushalt der Stadt. Zusätzliche Ausgaben durch die Flüchtlingshilfe Ukraine von 720.200 Euro lagen zuletzt im Rat zur Genehmigung vor. Der Großteil wird allerdings vom Land erstattet.

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Betreuung kostet Geld und ist zeitintensiv. In vielen Fällen wird sie durch die Schulen geleistet, die die Kinder gut kennen. Das Problem hier: Die Schülerzahlen steigen in Oberhausen rasant. „Durch den Zuzug geflüchteter Kinder und Jugendliche werden die Klassen voller. Das hat zur Folge, dass Einzelbetreuungen nicht mehr in dem nötigen Umfang stattfinden können“, nennt Jürgen Schmidt einen der Gründe. Der Schulsektor fiel zwar in der Pandemie als Säule weg, kann jetzt aber wieder im gewohnten Maß unterstützen.

Nun kommt allerdings der Fachkräftemangel hinzu. „Nicht nur wir, sondern auch die stationären Träger klagen über Fachkräftemangel“, sagt Olaf Pütz. „Es ist in der heutigen Zeit nicht mehr einfach, qualifiziertes Personal zu halten. Der Arbeitsmarkt hat sich geöffnet, so etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Die Ansprüche haben sich geändert: Gefragt wird nach Home-Office und Parkplätzen, Wohnortnähe wird bevorzugt.“ Der Fachkräftemangel muss anderweitig kompensiert werden und verursacht zusätzliche Kosten.

Bereichsleiter Pütz: Das müssen Kinder und Jugendliche wert sein

Schmidt und Pütz betonen unisono, dass diese Ausgaben notwendig sind und nach Möglichkeit nicht gekürzt werden sollten. Die Erzieherische Hilfe sei gesetzliche Pflichtaufgabe, sagt Schmidt. Natürlich werde die Arbeit analysiert und effektiver gestaltet. Pütz könne jede der Maßnahmen rechtfertigen. Er sagt: „Wenn es Kinder und Jugendliche nicht wert sind, dann hat eine Gesellschaft keine Perspektive.“