Oberhausen. Drei Oberhausener Stellen bieten Beratung bei Erziehungsfragen an. Doch einen Teil der Bevölkerung erreichen sie nicht. Woran das liegt.

Die drei Oberhausener Erziehungsberatungsstellen erreichen Familien mit Wurzeln in anderen Ländern nur unzureichend bis gar nicht. Dies geht aus einem gemeinsamen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 hervor. Dabei stellen Zuwanderer-Familien einen großen Teil der Klientel und der Oberhausener Bevölkerung dar.

Laut des Berichts hatte in 24 Prozent aller Beratungsfälle im vergangenen Jahr mindestens ein Elternteil eine ausländische Herkunft. Der Anteil der Kinder mit Einwanderungsgeschichte beispielsweise in Kindertageseinrichtungen beträgt in Oberhausen über 39 Prozent. Dieser Wert ist in Nordrhein-Westfalen üblich.

Für die Teams der Psychologischen Beratungsstelle der Stadt, der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes und der Evangelischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und Lebensfragen stellt die Therapie und Beratung von Familien mit Migrationshintergrund eine besondere Herausforderung dar. Berührungsängste und mangelnde Sprachkenntnisse werden in dem Bericht, der jüngst im Jugendhilfe-Ausschuss vorgestellt wurde, als Hauptursachen benannt. Doch es gibt auch Ideen, wie man es in Zukunft besser machen kann.

Skepsis gegenüber den Behörden

Andere Länder, andere Sitten. Das sagt sich so leicht, dabei hängt an dem Wort „Sitten“ ein riesiges Wollknäuel an Verhaltenscodes und Emotionen. Was kann öffentlich gesagt werden, was ist tabu? Was wird als verletzend empfunden? Es ist nicht leicht, eine Gesellschaft zu durchdringen, deren Mitglied man nicht ist.

So gibt es auch für die Fachkräfte der Erziehungsberatungsstellen Barrieren bei der Zusammenarbeit mit Familien, die ihre Wurzeln in anderen Ländern haben. Im Bericht heißt es dazu: „Sie kennen aus ihren jeweiligen Herkunftsländern oftmals nicht die Unterstützungsstrukturen, wie sie in Deutschland vorgehalten werden, und begegnen den Behörden mit Argwohn.“

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass jemand, der in seiner Heimat Korruption in Ämtern und anderen öffentlichen Stellen erlebt hat, der aufgrund politischer Repressalien gelernt hat, staatlichen Stellen gegenüber Vorsicht walten zu lassen oder hier in Deutschland schlechte Erfahrungen in Ausländerbehörden machen musste, dass so jemand nicht frei und fröhlich zu einer Beratungsstelle geht. Hier, so mahnen die Autoren des Papiers, laute die Aufgabe, „das Angebot so niedrigschwellig wie möglich zu halten“. So biete beispielsweise die Mobile Erziehungsberatung ebenso wie Kooperationen mit Kitas die Möglichkeit, erste Kontakte in einer bekannten Umgebung zu knüpfen.

Sprachbarrieren und Traumata

Als großes Problem wird die oftmals vorherrschende Sprachbarriere benannt. Hier könnten mit dem Kommunalen Integrationszentrum Sprachmittler angefragt werden. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass Übersetzer und die betroffene Familie sich nicht persönlich kennen – was nicht in allen Fällen, beispielsweise bei seltenen afrikanischen Dialekten, gewährleistet werden kann. Wenn Freunde oder Bekannte dolmetschen, könne dies dazu führen, dass die Ratsuchenden sich nicht in der Tiefe öffnen können. Bei der Zusammenarbeit mit Geflüchteten komme erschwerend hinzu, dass es sich häufig um schwer traumatisierte Menschen handelt. Stoßen die Erziehungsberater hier an ihre Grenzen, werden vom Jugendamt Psychotherapeuten eingesetzt.

Trotz aller bisherigen Maßnahmen müssen die Fachkräfte in der Erziehungsberatung an ihren interkulturellen Kompetenzen arbeiten. Im Bericht steht eine lange Liste, wie migrantenspezifische Beratung funktionieren kann: Es brauche Kenntnisse über die kulturellen, religiösen und politischen Hintergründe ebenso wie über Erziehungs- und Werthaltungen. Einsichten, die für die Stadt Oberhausen nicht nur von sozialem, sondern auch von wirtschaftlichem Interesse sind. Denn rutschen Familien mit verschiedenen Problemlagen erst einmal ab, kosten sie viel Geld für Förderungen, Beratungen und Betreuung: In diesem Jahr mussten im städtischen Haushalt hierfür rund 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.