Oberhausen. Nach der Braunkohle-Entscheidung musste sich Oliver Krischer in Oberhausen dem nächsten heiklen Thema stellen. Es geht um einen wichtigen Wald.

NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) verließ mit einem Lächeln und netten Worten den Sterkrader Wald. Der nächste Termin wartete in Dortmund, Verkehrswende mittels Ausbau von Radwegen. Den kurzen Weg über die Autobahn dürfte der Grünen-Politiker zum Verschnaufen genutzt haben. Denn der Ortsbesuch in Oberhausen war kein angenehmer.

Am Dienstag hatte Krischer stolz in den sozialen Medien den vorgezogenen Braunkohle-Ausstieg bis 2030 verkündet. Diskutiert wird aber vor allem über Lüzerath. Das Dorf, das die Protestbewegung zu verteidigen versuchte, auch mit Unterstützung der Grünen. Auch mit Krischer. Und es nun nicht schafft zu retten, obwohl die Grünen seit Juni in NRW mitregieren.

Oliver Krischer (zweiter von rechts) beim Spaziergang durch den bedrohten Abschnitt im Sterkrader Wald, der im Norden Oberhausens liegt. Im Hintergrund ist die Autobahn zu sehen.
Oliver Krischer (zweiter von rechts) beim Spaziergang durch den bedrohten Abschnitt im Sterkrader Wald, der im Norden Oberhausens liegt. Im Hintergrund ist die Autobahn zu sehen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Im Sterkrader Wald könnte sich dieses Szenario wiederholen. Für den geplanten Ausbau des Autobahnkreuzes A2, A3 und A512 könnten bis zu 5000 Bäume gefällt werden. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für das 275-Millionen-Euro-Projekt. Die Protestbewegung wird größer und dürfte noch wachsen, je mehr das Projekt fortschreitet. Statt „Lützibleibt“ heißt es in Oberhausen „Sterkibleibt“. Der Wald ist mehr als Natur und Erholungsgebiet – er ist ein Gradmesser für die Politik der Grünen.

NRW-Umweltminister für Erhalt des Sterkrader Waldes

Dementsprechend genau hörte die kleine, aber wütende Gruppe in Sterkrade hin, als sich Oliver Krischer diesen Satz entlocken ließ: „Ich bin dafür, dass dieser Wald so bleibt, wie er ist.“ Mitglieder aus BUND, der Sterkrader Initiative für den Erhalt des Waldes und Fridays for Future applaudierten, machten aber auch deutlich, dass sie diese Aussage sehr genau nehmen.

Fast 57.000 Unterschriften

NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) verließ den Sterkrader Wald mit einer grünen Mappe. In ihr war eine Liste mit 56.752 Unterschriften für den Erhalt des Gebietes.

Die Unterschriften hatte das Sterkrader Bündnis gesammelt. Es erinnerte den Grünen-Politiker auch noch einmal an das eigene Wahlplakat für die Landtagswahl im Mai 2022. Darauf hatte sich die Partei in Oberhausen ebenfalls für den Erhalt des Waldes eingesetzt.

Beim Ortsbesuch in Sterkrade sollte es um den Wald als Schutzraum für Menschen, Vögel und Pflanzen, als Entdeckungszone für Groß und Klein gehen. Doch um Anwohner, Buchen oder Kindergärten, die dorthin Ausflüge machen, ging es nur kurz. Das Hauptthema: Lützerath und die Folgen der Entscheidung. Der Kompromiss der schwarz-grünen Landesregierung sorgte für Fassungslosigkeit bei den jungen Klimaaktivisten. Die Regierung solle regieren und keine Schönheitskorrekturen vornehmen, schließlich sei der Kohleausstieg längst beschlossen worden, sagte ein Teilnehmer – und ist überzeugt: Lüzerath hätte gerettet werden können.

Minister Krischer: Kohle-Kompromiss „ein Riesenerfolg für den Klimaschutz“

Doch das sieht Oliver Krischer anders. Lützerath sei unbewohnt, andere umliegende Dörfer nicht. „Ich bin heilfroh, dass wir es geschafft haben, fünf Dörfer zu retten“, sagte der gebürtige Rheinländer über seine Heimat. Ein früherer Kohleausstieg sei vor Jahren noch unvorstellbar gewesen. „Das ist ein Riesenerfolg für den Klimaschutz.“ 280 Millionen Tonnen klimaschädliche Braunkohle würden so unter der Erde bleiben. In einer Zeit, in der über die Verlängerung von Atomkraftwerk-Laufzeiten nachgedacht werde, sei das ein wichtiger Schritt. „Wir haben es endlich klar, dass mit der Braunkohle Schluss ist.“

Lesen Sie auch

Krischer konnte seine Zuhörer damit kaum zufriedenstellen. Vor allem, weil das Beispiel Lützerath keine Hoffnung für den Sterkrader Wald macht. Oliver Krischer wollte Mut machen, dazu animieren, lauter zu werden, die Stadt direkt zu konfrontieren, dann käme Bewegung rein. Nur die Antwort hatte sich der 53-Jährige wohl anders vorgestellt. „Das haben wir schon gemacht“, rief einer dazwischen. Die Stadt behaupte, dies sei eine Entscheidung des Bundes.

NRW-Umweltminister Oliver Krischer argumentierte gegen Autobahnkreuz-Ausbau

Krischer selbst gab an, als Bundestagsabgeordneter 2016 in dem Ausschuss gesessen zu haben, in dem unter anderem über den Sterkrader Wald und das Autobahnkreuz diskutiert wurde. Er habe schon damals dagegen argumentiert. Auch heute halte er das Projekt für nicht realisierbar, sagt der 53-Jährige. Es sei nicht mehr zeitgemäß. Was es brauche, sei eine Verkehrswende, erneuerbare Energien. Dafür setze er sich ein.

37f164ba-4493-11ed-a81d-f56e187dbbc1

Die Entscheidung über das Oberhausener Autobahnkreuz treffe am Ende Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), erläuterte noch Oliver Krischer. Am Nachmittag werde er mit ihm sowieso telefonieren, da spreche er das an. Prompt wurde der Minister gefragt: „Werden Sie es tun? Werden Sie über den Sterkrader Wald sprechen?“ Krischers Antwort klang dann doch wieder wie Alltag: „Ja klar, ich spreche mit ihm über viele Projekte.“