Oberhausen. Vier Mal hat die Energieversorgung Oberhausen (EVO) 2022 den Gaspreis erhöht. Die Rechnung einer Familie steigt um mindestens 1500 Euro im Jahr.
Der Doppelschlag der Energieversorgung Oberhausen (EVO) innerhalb von zwei Monaten, den Preis fürs Heizgas um insgesamt 70 Prozent zu erhöhen, trifft fast alle 18.500 Gaskunden im Stadtgebiet mit ihren Familien hart.
Verkündete EVO-Vorstand Hartmut Gieske zunächst in der ersten August-Woche, die Gaspreise müssten um 33 Prozent ab 1. Oktober 2022 steigen (plus 3,6 Cent pro Kilowattstunde), so legt das halb städtische Unternehmen Mitte September überraschend nach: Zusammen mit der Gasumlage berechnet die EVO Gaskunden nochmals ab 1. November 2022 mehr – ein erneuter Aufschlag von vier Cent. Davon sind 2,5 Cent bedingt durch die von der Bundesregierung bisher noch geplante Gasumlage, 1,5 Cent allerdings durch die EVO.
Finanzielle Probleme für Normalverdiener und ärmere Bürger
Jetzt befürchten die EVO-Manager, dass viele Normalverdiener und ärmere Bürger die horrend hohen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können. Denn was sich im Cent-Bereich pro Kilowattstunde noch gering anhört, macht absolut pro Familie in Musterrechnungen mindestens 1500 Euro aus – Mehrkosten wohlgemerkt. Wie dramatisch die aktuelle Lage ist, zeigt sich beim Blick zurück in den Herbst vor einem Jahr: Damals zahlten die Gaskunden nur 8,84 Cent pro Kilowattstunde an verbrauchtem Gas, ab 1. November 2022 sind es 18,5 Cent. Das ist ein Preisanstieg von 110 Prozent.
Wie viel das in barem Geld für einen typischen Oberhausener Haushalt ausmacht, berechnet die EVO regelmäßig. Sie geht dabei von einem Vier-Familien-Haus aus, in dem alle Bewohner zusammen 58.500 Kilowattstunden im Jahr an Gas verbrauchen. Teilt man also diesen Verbrauch durch die vier Haushalte, war eine Familie im Herbst 2021 noch mit 1315 Euro für ihre warme Wohnung dabei. Ab 1. November werden es 2890 Euro (monatlich 241 Euro) sein – das ist ein Mehrpreis von 1575 Euro (plus 120 Prozent).
Vergleicht man den bundesweit üblichen Musterfall von 20.000 Kilowattstunden Gasverbrauch für eine Familie, dann kommt man zu noch höheren Kosten: Zahlte die Familie dafür noch vor einem Jahr 1858 Euro, so sind es in diesem Winter 3880 Euro (monatlich 323 Euro) – das ist ein Mehrbetrag von 2022 Euro (plus 109 Prozent).
Gieske: Gas-Tariferhöhungen waren absolut notwendig
Kein Wunder, dass die EVO-Manager tief besorgt über die Entwicklung sind. Wenn Bürger ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, dann kommt auch die EVO ins Schlingern. „Das macht uns keinen Spaß, die Tariferhöhungen waren leider absolut notwendig“, versichert Gieske im Gespräch mit der Redaktion. „Wir versuchen, das ein wenig auszutarieren; die Anteilseigner der EVO haben bereits auf einen großen Teil des geplanten Gewinns von elf Millionen Euro verzichtet.“
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War der Doppelschlag vom 1. Oktober und 1. November geplant oder haben sich die Einkäufer der EVO verkalkuliert? „Nein, es liegt keine Fehlkalkulation vor. Wir haben die erste Erhöhung so knapp berechnet, dass wir damit hingekommen wären, wenn sich die Gaspreise an den Börsen beruhigt hätten. Doch das war kaum der Fall, deshalb mussten wir eine weitere Erhöhung vornehmen.“
Der EVO-Vorstand hält die an den Börsen derzeit ermittelten Preise für Gas nicht für realistisch. „Wegen des Krieges ist da viel Panik drin. Doch wir müssen auch jetzt Gas weiter einkaufen, weil wir in erster Linie die Versorgungssicherheit gewährleisten müssen. Wir können nicht sagen, wir decken uns einfach nicht ein.“ Die EVO kauft nach einem rollierenden System Gas, Monat für Monat, stets für zwei bis drei Jahre. Zuletzt hat die EVO schon mehr Gas mit kürzeren Laufzeiten erworben – in der Hoffnung, dass sich die Börsenpreise in naher Zukunft wieder nach unten bewegen.
Einem Teil der Kunden der EVO ist die hohe Gefahr bewusst, die Endabrechnung für Gas in einem Jahr nicht mehr begleichen zu können – und auch schon durch die automatisch erhöhten Abschläge finanziell ins Schleudern zu geraten. Im EVO-Kundenzentrum häufen sich die Anfragen, doch bisher sind tatsächliche Schwierigkeiten von Zahlungsengpässen in der EVO-Finanzbuchhaltung nicht aufgetaucht.
EVO sieht sich gezwungen, bei Zahlungsrückständen Strom, Gas und Fernwärme zu sperren
Wenn allerdings Kunden ihre Energie-Rechnungen nicht bezahlen, bleibt der EVO nach eigener Auskunft nichts anderes übrig, als die Lieferungen von Strom, Fernwärme und Gas zu sperren. „Solange vom Gesetzgeber keine anderen Regelungen getroffen werden, wird die EVO von ihrem Recht der Energiesperre bei zahlungsrückständigen Kunden Gebrauch machen“, schreibt der EVO-Vorstand auf Nachfrage der Redaktion. Denn wirtschaftlich sei man beim Einkauf des Gases bereits in Vorleistung getreten, diese Kosten müssten durch Einnahmen wieder hereingeholt werden.
Um Energie-Sperren zu vermeiden, bietet die EVO nur individuelle Ratenzahlungen an – und verweist ansonsten auf Schuldnerberatungsstellen. In vielen Fällen hat dies schon früher nichts genutzt: 1828 Mal drehte die EVO den Kunden 2019 den Hahn ab, 1167 Mal im Jahr 2020 und 1670 Mal im Jahre 2021.
Und ist denn nun bei den Preiserhöhungen endlich das Ende der Fahnenstange erreicht? „Wir können nichts garantieren, die Lage ist unkalkulierbar. Beim Strom rechnen wir gerade“, sagt Gieske. Genauso unsicher sind bisher noch Gasumlage und Mehrwertsteuer-Belastung. „Wenn die Bundesregierung die Gasumlage kippt oder die Mehrwertsteuer absenkt, setzen wir das natürlich eins zu eins um. Aber noch ist da ja nichts beschlossen.“