Oberhausen. Die Waren des täglichen Lebensbedarfs verteuern sich schneller und schneller. So mancher Kunde reagiert recht erbost.
Manchmal geht es nur um zehn Cent. Was heißt hier „nur“? Für den einen sind zehn Cent in dieser Gesellschaft Klingelgeld, bei den anderen lösen zehn Cent Wutausbrüche aus, weil sie um jeden Cent ringen müssen. Ob Brot, Butter, Speiseöl, Eier, Döner oder Kleidung – die Preise sind in praktisch allen Geschäften spürbar gestiegen, für viele äußerst schmerzhaft. Und so nimmt dies eine erkleckliche Zahl an Kunden nicht mehr achselzuckend hin.
Brotpreis stieg um zehn Cent – und sorgt für Ärger
„Wir haben unser einfaches Brot um zehn Cent erhöht, aber schon da fangen einige an zu diskutieren: Warum denn bloß? Das geht doch nicht. Die ärgern sich total – und wir müssen uns das anhören“, sagt eine Verkäuferin bei der umsatzstärksten deutschen Bäckerei-Filialkette Kamps in der Oberhausener Innenstadt. Was macht man da? Sie zeigt auf ihre Ohren: „Ich nehme das so hin, das geht hier rein und dort raus.“
Adem Ugur, seit 2011 Inhaber des Döner-, Backwaren- und Süßigkeiten-Geschäfts „Gözde Firin“ an der Friedrich-Karl-Straße, kennt diese Diskussionen. Der 68-Jährige musste den Preis für einen Kalbfleisch-Döner mit Salat von einst 3,50 Euro auf 5 Euro erhöhen, zuletzt kamen 50 Cent dazu. „Eigentlich müsste der Döner noch teurer sein. Für die Gasflasche zahle ich nun 25 Euro statt 13 Euro, der Strom kostet statt 2200 nun 3300 Euro, der Preis für das Kilo Kalbfleisch hat sich stark erhöht.“
Viele Arbeitslose in Oberhausen
Noch mehr Geld nehmen kann er nicht: Die Döner-Konkurrenz ist groß – und: „Hier sind doch viele Arbeitslose, die können sich nicht mehr leisten.“ Der gelernte Bäcker, der täglich frische Fladen backt, mache schon seit vier Jahren keinen Urlaub mehr, viele Angehörige arbeiten im Laden mit. So musste er den Preis für den Fladen um zehn Cent auf 1,80 Euro erhöhen, um die gröbsten Kostensteigerungen aufzufangen. „Doch das sehen einige einfach nicht ein.“
Einige Kunden schimpfen beim syrischen Geschäftsmann Wasim Naseeh, der seit einem Jahr seinen Nuss-/Gebäck- und Süßigkeiten-Laden „Paradies Sweets“ an der Marktstraße 133 öffnet, sofort laut los: „Das ist doch alles Quatsch mit dem Ukraine-Krieg und den hohen Energiepreisen. Ihr Araber wollt nur mehr Geld verdienen.“ Tatsächlich sind schon die Einkaufskosten der Süßigkeiten wie Baklava für Naseeh höher denn je – sie stiegen von 25 auf 28 Euro je Kilo. „Und ich bin doch auch Privatmann und muss privat viele Alltagsdinge teurer einkaufen. Eigentlich müsste ich tatsächlich mehr Geld verdienen als früher, um mir das leisten zu können.“
Oder eben den Gürtel enger schnallen. Doch wie? Saxophonist Klaus Neukamp hält von den nun überall veröffentlichten Spartipps wenig. „Ich lebe schon seit Jahrzehnten sparsam. Wohnung, Heizung, Lebensmittel – man benötigt ja einen bestimmten Grundbedarf, da kann man kaum ausweichen, muss die Preise hinnehmen. Die ganze Lage sieht schwierig aus, die kleinen Leute müssen das Ganze ausbaden. “
Kaufverhalten der Oberhausener verändert sich
Trotzdem beobachten die Händler in der Oberhausener City bereits ein verändertes Kaufverhalten. Während in der Pandemie mehr und mehr Paare Luxus-Lebensmittel in Delikatessen-Läden und gehobenen Supermärkten entdecken, profitieren jetzt die Discounter Aldi und Lidl, trotz ihrer flächendeckenden Preiserhöhungswelle im April: Sie sind halt oft günstiger als andere. „Die Leute halten ihr Geld eher fest, schauen auf den Preis“ berichtet Verkäuferin Hillebrand vom Reformhaus Kaubisch. Sie beobachtet: Wenn die Käufer die Chance haben, nehmen sie den günstigeren Artikel einer Produktreihe, wie etwa bei Hautcremes. Hillebrand erlebt zwar keine Beschimpfungen, aber immer wieder Beschwerden über die gestiegenen Preise überall. Nicht nur Oberhausener verzichten auf als Luxus-Lebensmittel eingestufte Leckereien wie Spargel und Erdbeeren – das mussten die Bauern in diesem Jahr leidvoll erfahren.
Wenn da die Oberhausener Familienbäckerei Agethen an dem alten Kaffeepreis festhält, dann herrscht bei Kunden gleich eitel Freude. „Der konstante Kaffeepreis wird ausdrücklich gelobt“, erzählt eine Verkäuferin. Sie hat durchaus Sorge, dass die nächste notwendige Preiseerhöhungswelle Kunden abschreckt. „Bisher sind die Verkaufszahlen aber gut.“ Denn noch gibt es Brötchen für 38 Cent.
Wie sich künftige Verteuerungen auf das Verhalten der Kunden auswirken, kann noch kein Händler genau sagen. Doch man spürt in den Gesprächen mit den Händlern, wie unberechenbar die Lage ist. Reinhard Behnert, Inhaber des gleichnamigen Sportgeschäftes auf der Marktstraße 116, spricht zwar von seinem loyalen Kundenstamm, die gute Beratung von Fachleuten im Geschäft schätzen. Doch noch musste er Turnschuhe, Sporthosen oder Trainingsanzüge nicht mit drastischen Preisaufschlägen versehen – er hatte noch in alten Zeiten gut eingekauft.
Großhandelspreise für Sporttextilien um über zehn Prozent geklettert
Die aktuellen Großhandelspreise für Sporttextilien sind zuletzt spürbar geklettert – zwischen zehn und zwölf Prozent. Und das wirkt sich auch demnächst im Geschäft aus. „Ich muss die gestiegenen Einkaufspreise eins zu eins weitergeben, aber ich werde auch nicht mehr draufschlagen“, versichert Behnert. „Deutlich höhere Preise wären in Oberhausen gar nicht durchsetzbar.“ Und vielleicht würden dann selbst treue Kunden doch mehr im Internet oder bei einem Sport-Discounter kaufen – oder gleich auf den neuen Schuh verzichten. Die Lage in Zeiten mit den höchsten Inflationsraten seit 50 Jahren ist unsicherer denn je.