Essen/Mülheim. Ab Montag erhöht der Discounter Aldi seine Preise kräftig. Wie teuer Lebensmittel werden und was Kundinnen und Kunden wissen müssen.
- Auch Aldi bekommt die explodierenden Kosten zu spüren und bald auch seine Kunden
- Der Discounter wird für einige seiner Produkte die Preise ab Montag deutlich erhöhen
- Welche Produkte sind betroffen und wie teuer werden sie künftig sein?
Der Discounter Aldi kündigt zum Teil massive Preiserhöhungen an. Fleisch, Wurst und Milcherzeugnisse sollen ab Montag „signifikant teurer“ werden, wie der Konzern bestätigt. Bei Butter ist nach Informationen unserer Redaktion ein Aufschlag von rund 30 Prozent geplant. Die Unternehmen aus Mülheim und Essen begründen die Preiserhöhungen mit den explodierenden Kosten vor allem für Weizen, Energie und Futtermittel im Zuge des Ukraine-Krieges. Lesen Sie hier: Diese Produkte könnten bei Aldi, Lidl, Rewe und Co. jetzt rationiert werden.
„Aufgrund der Situation auf den Weltmärkten werden wir Sprünge in den Verkaufspreisen erleben, die es so noch nie gegeben hat“, kündigt Florian Scholbeck, Geschäftsführer bei Aldi Nord, auf Nachfrage unserer Redaktion an. Als größter deutscher Discounter gilt Aldi traditionell als Preisführer in der Branche. Die beiden Schwesterunternehmen aus dem Ruhrgebiet erwarten deshalb, dass der gesamte Lebensmitteleinzelhandel nachziehen wird.
Aldi: Einkaufspreise sollen um bis zu 50 Prozent steigen
Genaue Zahlen will Aldi nicht nennen. Nach Funke-Informationen geht der Konzern aber davon aus, dass die Einkaufspreise für Lebensmittel in den nächsten Wochen zwischen 20 und 50 Prozent teurer werden könnten. Das Münchner Ifo-Institut veröffentlichte am Donnerstag eine Umfrage, der zufolge 94 Prozent der Lebensmittelhändler hierzulande ihre Preise erhöhen wollen. „Der Angriff Russlands auf die Ukraine treibt nicht nur die Energiekosten in die Höhe, sondern auch die Preise vieler Agrarrohstoffe“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen.
Die Marken hinter No-Name-Produkten
Den wachsenden Kostendruck aufseiten der Erzeuger spürt auch Aldi. „Weizen und Futtermittel sind im Moment die Preistreiber Nummer 1 für die Landwirtschaft“, betont Erik Döbele, nationaler Einkaufschef bei Aldi Süd. Die Ukraine und Russland sind bedeutende Weizenlieferanten für den Weltmarkt. Wegen des Krieges fehlt aktuell der Nachschub. Weil Futter für die Tiere fehlt, werden weniger Schweine, Rinder und vor allem Hühner aufgezogen. „Lebensmittel kosten in Deutschland jetzt so viel Geld wie noch nie zuvor“, schreibt das Landwirtschaftsorgan „Agrarheute“.
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Mehr als zwei Euro für die Eigenmarken-Butter
Trotz der angespannten Situation warnt Aldi vor Panikmache. „Es wird keine leeren Regale geben“, prophezeit Geschäftsführer Scholbeck. Wegen der nach wie vor gestörten Lieferketten könne es bei einigen Produkten aber zeitweise zu Engpässen kommen. „Wenn Klopapier heute fehlen sollte, wird es morgen wieder da sein“, so Scholbeck.
Rationierungen etwa von Mehl oder Speiseöl plant Aldi allerdings nicht. „Wir bleiben bei unserem Prinzip, Artikel in haushaltsüblichen Mengen abzugeben“, erklärt Chefeinkäufer Döbele. Auf dieses Modell setzt auch der Discounter-Rivale Lidl, der die Beschränkung aber zusätzlich auf Konserven ausgeweitet hat. „Die Warenversorgung in den Filialen bei Lidl ist grundsätzlich sichergestellt. Lediglich bei einzelnen Produkten kann es zu Lieferverzögerungen kommen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Zu möglichen Preiserhöhungen wollte sich Lidl nicht äußern.
Aldi: Landwirte und Schlachtbetriebe fordern seit Jahren mehr Geld vom Discounter
Somit scheint Aldi vorzupreschen. Seit Jahren fordern Landwirte und Schlachtbetriebe wie Tönnies von den Lebensmittelketten mehr Geld. Doch viel werden die Bauern von ihren höheren Einnahmen durch die Preisrunde bei Aldi nicht haben. Denn ihnen laufen die Erzeugerkosten davon.
Der Preis für das 250-Gramm-Stück „gute Butter“ ist in Deutschland so etwas wie ein Seismograf für die wirtschaftliche Lage. Die „Deutsche Markenbutter“ der Eigenmarke Milsani kostet aktuell 1,65 Euro. Ab Montag dürften Kundinnen und Kunden für die Packung mehr als zwei Euro bezahlen. Denn der Discounter kündigt „signifikante Preiserhöhungen“ an. Bei Butter soll das Plus fast ein Drittel betragen.
Historische Preissteigerung bei Aldi
Die Preissteigerung gilt für Aldi-Verhältnisse als historisch. Die Discounter aus Mülheim und Essen erhöhen und senken Preise in der Regel in kleinen Dosen. Doch erst die Corona-Pandemie und nun der Krieg in der Ukraine stellen die Branche vor eine völlig neue Situation. Angesichts durch die Decke schießender Energie- und Weizenpreise können Landwirte Milch- und Fleischprodukte nicht mehr zu den Konditionen produzieren, die Händler wie Aldi mit ihnen ausgehandelt haben.
„Erzeuger zahlen in dieser Situation drauf. Deshalb muss der Handel reagieren“, zeigt sich Erik Döbele entschlossen. Der Einkaufschef von Aldi Süd verweist darauf, dass es oft mittelständische und regionale Firmen seien, die den Discounter beliefern. „Sie können sich angesichts massiv steigender Kosten nicht mehr an die Verträge mit uns halten“, so Döbele.
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Andere Handelsketten könnten nachziehen
Um die Erzeuger bei der Stange zu halten, will Aldi nun die galoppierenden Kosten ab Montag an die Kundinnen und Kunden im Laden weitergeben. Genaue Zahlen will Aldi nicht nennen. Nach Informationen unserer Redaktion geht der Konzern aber davon aus, dass die Einkaufspreise für Lebensmittel in den nächsten Wochen zwischen 20 und 50 Prozent teurer werden könnten. Auch der Handelsverband HDE rechnet wegen des Ukraine-Kriegs mit einer zweiten Welle deutlicher Preiserhöhungen. Schon vor dem Kriegsausbruch seien die Preise als Folge gestiegener Energiepreise „über die Produktpalette hinweg“ um gut fünf Prozent gestiegen, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagsausgabe). Wegen des anhaltenden Konflikts werde dies noch weitergehen.
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Allein wegen ihrer schieren Größe gelten Aldi Süd und Aldi Nord als Trendsetter bei der Preisgestaltung im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. „Wir erwarten, dass die Verkaufspreise im gesamten Handel in den kommenden Monaten teilweise erheblich steigen werden“, meint deshalb folgerichtig Geschäftsführer Florian Scholbeck. So war es auch bei der ersten Preisrunde nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, die Aldi jüngst für knapp zehn Prozent des Sortiments eingeläutet hatte. Edeka, Rewe, Lidl und andere zogen bald nach.
Discounter könnten trotz Preissteigerungen profitieren
Die beiden Schwesterunternehmen, die ihren Einkauf weitgehend zusammengelegt haben, sehen sich gegenüber der Konkurrenz dennoch im Vorteil. „Discounter werden in dieser Krise für die Kunden wieder zur Alternative“, meint Erik Döbele.
Während der Corona-Pandemie, als Restaurants geschlossen waren und die Menschen zu Hause bleiben mussten, hatten Supermärkte und Hofläden regen Zulauf. Inzwischen beobachtet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wieder einen Trend zu weniger hochwertigen Lebensmitteln.
„Noch im Februar waren die Hoffnungen groß, dass sich mit den absehbaren Lockerungen der pandemiebedingten Beschränkungen auch die Konsumstimmung deutlich erholen kann. Mit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich dies jedoch schlagartig in Luft aufgelöst“, berichtet der . Der Krieg schüre nun erhebliche Verunsicherung und drücke die Verbraucherstimmung. Seit Februar spüren die Discounter wieder Aufwind – zu Lasten vor allem des Online- und des Fachhandels, so die GfK.
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Aldi fühlt sich bestätigt
Bei Aldi ist man davon überzeugt, besser für die Krise mit ungewissem Ausgang gerüstet zu sein als Supermärkte mit personalintensiven Bedientheken oder SB-Warenhäuser mit riesigen Verkaufsflächen.
„Aldi wird der Preisführer bleiben. Wegen ihrer einfachen Strukturen sind Discounter bei den Kosten besser aufgestellt als Vollsortimenter. Deshalb werden wir die Verkaufspreise nicht so stark erhöhen müssen wie Supermärkte und Fachhändler“, meint Florian Scholbeck. Kundinnen und Kunden werden es genau beobachten.