Oberhausen. Seit 22 Jahren gibt es nun schon die Kultkneipe Gdanska in Oberhausen. Am Altmarkt mitten in der Innenstadt wird daher nun ausgiebig gefeiert.

„Jetzt sammelt sich hier die Bohème“, sagt Czeslaw Golebiewski mit stolzer Betonung – und der Gdanska-Wirt übertreibt kein bisschen: „Hier finden sich Menschen, die mit Kultur zu tun haben. Das haben wir geschafft.“ Maria und Czeslaw Golebiewski sehen mit Freude einem Vielfach-Jubiläum entgegen – das durch diverse Lockdowns nur etwas verspätet anrollt. „Wir feiern wie die Karnevalisten“, so erklärt’s Maximilian Janetzki vom Indie Radar Ruhr: „22 in ‘22.“ So heißt auch das dreitägige Festival.

Am 1. April 2000 hatte – kein Scherz – der studierte Meeresbiologe das für Oberhausens alte Mitte so bedeutende „Kulturinstitut“ Gdanska eröffnet. Drei Monate später war bereits das Jazzkarussell von Walter „Kuro“ Kurowski an den Altmarkt umgezogen. Längst ist seine Tochter Eva die erfolgreiche „Anschieberin“ eines verjüngten Karussell-Programms. Gitarrissimo e.V. als Hort der Saitenkünstler von Fingerpicking bis Hardrock ist seit 18 Jahren dabei – und spielt noch vor dem Jubiläum das Konzert Nr. 820. Angesichts soviel Tradition meint Maxi Janetzki nur lachend: „Der Indie Radar kommt jetzt mit zweieinhalb Jahren in den Kindergarten.“

Der nach Stadtkünstler Kuro benannte Raum war einst ein Friseursalon – das dritte Kapitel der stetigen Gdanska-Expansion.
Der nach Stadtkünstler Kuro benannte Raum war einst ein Friseursalon – das dritte Kapitel der stetigen Gdanska-Expansion. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Am verlängerten Festwochenende vom 30. Juni bis 2. Juli haben sie alle Anteil – inklusive des vor fünf Jahren am anderen Ende der Marktstraße gegründeten Literaturhauses. Zum Auftakt würdigen die guten Gastgeber Golebiewski das Andenken an einen langjährigen Helfer im Hintergrund: Jörg Hüttemann erhält postum am Donnerstag, 30. Juni, die Neptun-Statuette.

Ein Künstler seines Fachs an den Klangreglern

Der Musiker und Tontechniker des Gdanska „war für uns oft der Feuerwehrmann“, sagt Maria Golebiewski. Den im Vorjahr Verstorbenen hatten sie selbst spätabends anrufen können, wenn die Klangregler nicht wollten: „Er war ein Künstler in seinem Fach.“ Für die Musik am Eröffnungsabend sorgen Eva Kurowski und das junge polnische Urs Quartett.

Für Freitag, 1. Juli, haben sich Gitarrissimo und Indie Radar zusammengetan zu einem Aufgebot junger Bands aus der Region und „einem richtigen Festival-Set“, wie Maxi Janetzki sagt: „Seelachs“, „Faser“, Leo Karter und „Keskeskester“ lauten die vielversprechenden Namen. Mit seiner Terrassenbühne, betont der Impresario des Indie Radar, habe Czeslaw die junge Konzertreihe gerettet: „Draußen konnten wir 31 Konzerte geben“ – als viele Bands und Veranstalter an den Lockdown-Folgen verzweifelten.

In einen „Hof der Künste“ mit sieben Wandgemälden verwandelten 2016 die Aktiven der KiR-Galerie den Gdanska-Hof: darüber die Zimmer des kleinen „Hotelik“.
In einen „Hof der Künste“ mit sieben Wandgemälden verwandelten 2016 die Aktiven der KiR-Galerie den Gdanska-Hof: darüber die Zimmer des kleinen „Hotelik“. © FUNKE Foto Services | Daniel Elke

Am Samstag, 2. Juli, übernehmen schließlich die „Neuen“ vom Literaturhaus mit einem literarisch-musikalischen Programm: Der kabarettistische Lokalmatador Matthias Reuter wird am Nachmittag nach Kai Weiner am Klavier sitzen. Abends spielt die feine Coverband „The Muted Fox“.

Kuro wollte nur in der kleinen Kneipe spielen

Dabei hatte Kuro als Stammgast und Kontrabassist des Jazzkarussells seinem gastlichen Wirt seinerzeit dringend abgeraten, bloß nicht die kleine Kneipe am Altmarkt zu erweitern. „Heimlich“, erzählt Czeslaw Golebiewski verschmitzt, unterschrieb er 2005 und übernahm den leerstehenden Drogeriemarkt nebenan: heute der Gdanska-Konzertsaal. Der jüngst offiziell nach Kuro benannte Raum war ein Friseursalon. Und im kleinen Gdanska-Theater, 2011 eröffnet, traf sich zuvor eine freikirchliche Gemeinde.

Zu Hoteliers schließlich wurden Maria und Czeslaw 2014, um die bis dato hohen Übernachtungskosten für die vielen Künstler, denen sie eine Bühne bieten, zu bändigen. Im Konzert der gefragten Locations, meint Maximilian Janetzki, „sind wir eigentlich ein kleiner Laden – aber voller Charme“. Und Czeslaw Golebiewski, der seinen melodischen Akzent so liebevoll kultiviert wie seine Kulturgewächse, meint: „Ich fühle mich jetzt etwas deutscher.“