Oberhausen. Das Restaurant am Altmarkt wird mit dem rührigen Literaturverein zum privaten „Kulturinstitut“. Gemeinsam fasst man große Pläne.

Drei Konzertreihen – mit Gitarrissimo, Jazzkarussell und Indie Radar Ruhr – sind fürs Gdanska längst nicht genug. Die Kultkneipe am Altmarkt, längst ein privat geführtes „Kulturinstitut“, gibt nun auch dem Literaturhausverein auf Dauer ein neues Domizil. Und gemeinsam schmiedet man bereits große Pläne.

„Wir sind außerordentlich glücklich“, sagt Hartmut Kowsky-Kawelke, der Vereinsvorsitzende, zum Applaus von Maria und Czeslaw Golebiewski. Im Frühjahr hatte das Literaturhaus sein Logis am anderen Ende der Marktstraße, in der „Weinlounge Le Baron“, aufgeben müssen. Sofort gab’s etliche Zeichen der Solidarität für die „obdachlosen“ Literaturliebhaber – „von unseren Gästen über die evangelische Kirche bis zum Kulturdezernenten“. Und es gab schließlich drei potenzielle Partner, die das Literaturhaus gerne aufnehmen wollten: die Ruhrwerkstatt mit dem AKA 103, die Arbeiterwohlfahrt mit dem „Café Klatsch“ – und das seit 21 Jahren in Oberhausen etablierte Gdanska.

Die wichtigste Stimme eines fortschrittlichen Polen: Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk wollen Maria und Czeslaw Golebiewski voller Enthusiasmus ins Gdanska einladen.
Die wichtigste Stimme eines fortschrittlichen Polen: Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk wollen Maria und Czeslaw Golebiewski voller Enthusiasmus ins Gdanska einladen. © dpa | Friso Gentsch

Lesungen hatte es an allen drei Orten gegeben – und überall fühlten sich die Literaturhaus-Aktiven herzlich aufgenommen. „Es war eine ganz schwere Entscheidung“, gesteht Hartmut Kowsky-Kawelke – und nennt dann drei Gründe, die den Ausschlag gaben fürs Gdanska. Mit Maria und Czeslaw Golebiewski habe man nun „zwei Partner, die Kultur leben“.

Fast jeder Wochentag ist gut gefüllt im Gdanska

Zweitens bietet die Kulturkneipe gleich drei potenzielle Räume: den intimen „Kuro-Raum“ für bis zu 30 Gäste, das etwas größere Gdanska-Theater im Innenhof und den als Konzertort bekannten Saal für die zugkräftigsten Namen. Last, not least, hat das Literaturhaus demnächst unter dem Theaterchen wieder einen eigenen Vereinsraum. „Wir sind hier nicht nur zu Besuch“, so Kowsky-Kawelke, „sondern können uns zuhause fühlen“.

Selbst wenn sich im größeren Raum das Jazzkarussell dreht, versichert der Gdanska-Wirt, käme man sich nebenan im Kuro-Raum akustisch nicht ins Gehege. So ist von 2022 an fast jeder Wochentag gut gefüllt im „Kulturinstitut“ am Altmarkt: dienstags (und freitags) mit Gitarrissimo, mittwochs (und sonntags) mit Indie Radar, donnerstags mit Jazzkarussell und freitags mit dem Literaturhaus. Die rührigen Wirtsleute können sich nichts Schöneres vorstellen.

Einladung an Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk

Mit ihrem Weinlounge-Patron haben die Literaturhäusler während vier Jahren kaum je über Literatur geredet. Im Gdanska fährt Czeslaw Golebiewski ganz groß auf: „Wir wollen jährlich auch zwei Schriftsteller aus Polen einladen.“ Mehr noch: Der Wirt, Kulturmäzen und studierte Meeresbiologe ist fest davon überzeugt, dass es gelingen wird, Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk aus Schlesien nach Oberhausen einzuladen. Die Literaturhäusler wären begeistert: „Es gibt kaum eine stärkere europäische Literatur“, meint Hartmut Kowsky-Kawelke.

Eva Menasse, hier 2017 bei ihrem ersten Besuch im Literaturhaus, wird im Januar ihren abgründigen Kleinstadtroman „Dunkelblum“ vorstellen.
Eva Menasse, hier 2017 bei ihrem ersten Besuch im Literaturhaus, wird im Januar ihren abgründigen Kleinstadtroman „Dunkelblum“ vorstellen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Schließlich setzt auch der Verein 2022 auf Frauenpower. „Erzählungen“ sind das Jahresthema – und aus diesem Genre hatte Eva Menasse bereits vor vier Jahren meisterlich im Literaturhaus gelesen. Die Österreicherin präsentiert am 28. Januar ihren neuen Roman „Dunkelblum“, das Porträt einer Kleinstadt mit düsteren Geheimnissen. Die Lyrikerin Lütfiye Güzel avanciert mit ihrem eigenwilligen und stets selbstverlegten Oeuvre bereits zu einem Lieblingsgast des Vereins – und wird am 25. Februar Gedichte zur Pandemie vortragen. Der Frauensalon widmet sich am 4. März der seit Jüngstem wieder hoch gehandelten „Kopenhagen-Trilogie“ von Tove Ditlevsen (1917 bis 1976).

Den Partnern der „Roadshow“ weiter verbunden

Trotz der aufs herzlichste angebahnten neuen Verbindung von Literaturhaus und Gdanska will der Verein auch weiter bei den Partnern seiner bisherigen „Roadshow“ vorbeischauen: Café Klatsch und AKA 103 bleiben ebenso im Spiel wie der Sterkrader Lesesommer. „Wir würden gerne ein pulsierendes Literaturjahr 2022 gestalten“, sagt Rainer Piecha – wohl wissend um die Unwägbarkeiten der nächsten Wochen. Selbst im kulturell so schwer getroffenen Lockdown-Jahr 2021 war es gelungen, fast alle Termine nachzuholen.

Schließlich würden auch Maria und Czeslaw Golebiewski gerne ihr eigenes Oberhausen-Jubiläum nachholen. „Das wird eine Doppelfeier“, erkennt Rainer Piecha: „Fünf Jahre Literaturhaus und 22 Jahre Gdanska“.