Oberhausen. Riesige Erdkugel, riesiges Interesse: Astronaut Gerst berichtete im Gasometer Oberhausen aus dem Weltall. Was Schulkinder von ihm wissen wollten.

Samstags ist auf der Internationalen Raumstation (ISS) Filmabend. Dann mümmeln sich die Astronauten in ihre engen Kojen. Reihum dürfen die Wissenschaftler bestimmen, welcher Kinostreifen auf dem kleinen Bildschirm, rund 400 Kilometer über der Erdkugel, gezeigt wird.

Der deutsche Weltraum-Star Alexander Gerst berichtete am Donnerstagabend vor mehreren Hundert Menschen im Gasometer Oberhausen aus dem Feierabend eines Astronauten. Und ja, auch „Alien“, den fiesen Außerirdischen-Horror in einem Raumschiff, haben sie im All schon geschaut. Stimmungsvoller geht’s wohl nicht!

Gasometer: Normalos und Nerds lauschen unter der Erdkugel

Eine amüsante Randnotiz aus zwei kurzweiligen Stunden des ausverkauften Gasometer-Themenabends „Über unsere Horizonte - warum wir den Weltraum erforschen“, für den es neben der zugegeben schwer erreichbaren ISS wiederum kaum eine passendere Kulisse hätte geben können.

Alexander Gerst schreitet cool im blauen Raumfahrer-Overall die Treppen in der schwarz-dusteren Kultur-Tonne hinunter. Links und rechts klatschen Zuschauer auf den angestrahlten Treppenstufen. Über den Köpfen leuchtet die 20 Meter große Erdkugel der aktuellen Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“.

„Das ist übrigens meine Lieblingsposition der Erde“, verrät Gerst direkt. „Viele denken, dass wir hochfliegen und dann auf die Erde herunterschauen.“ Doch durch die Bullaugen der Raumstation lässt sich die Erde auch über dem eigenen Kopf betrachten. Das mit dem Oben und Unten ist im All ja so eine Sache.

Der Vortrag wirkt wie ein Dia-Abend der letzten Weltreise. In einem Foto sieht man sogar seine im All schwebende Plüschfigur aus der „Sendung mit der Maus“. Doch schnell wird klar: Seine Missionen bedeuten harte und durchgetaktete Arbeit.

Alexander Gerst: Umweltsünden sind vom Weltall aus sichtbar

Wenn Alexander Gerst berichtet, kleben sie im Gasometer an seinen Lippen. Normalos, Weltraum-Nerds, Ehepaare und viele Schulkinder. Gerst erklärt einfach, verrennt sich nicht in Fachchinesisch und widersteht der Versuchung, trotz aller Erfolge der wissenschaftlichen Evolution abzuheben - beim Abheben.

2014 und 2018 flog Alexander Gerst für die Europäische Weltraumorganisation (ESA) ins All, forschte in der Weltraum-WG mit Kollegen aus vielen Ländern. Zuletzt sogar als Commander.

Der Geophysiker zeigt den Erdball als faszinierendes Lichtspiel mit Ehrfurcht gebietenden Wolkenformationen. Er demonstriert, wie Astronauten auf der Raumstation täglich zweieinhalb Stunden Sport treiben und erklärt, wie die Raumstation einst bei 28.000 Stundenkilometern Geschwindigkeit ohne Probelauf millimetergenau zusammengebaut wurde: „Wenn dann eine Schraube fehlt, können sie nicht zum Baumarkt fahren.“

Man spürt: Gerst will gerade junge Besucher für das Weltall begeistern. Eine Schülerin fragt, ob so die Raumfahrt nicht umweltschädlich sei? Ja, schon. 70 Tonnen Kerosin seien beim Flug nötig, sagt Gerst. Das entspräche aber einem Atlantikflug eines großen Flugzeuges: „Es ist weniger als man denkt.“

Außerdem sei der Nutzen gewaltig: Die Forschung im All helfe, Antworten auf den Klimawandel zu finden - die Medizin weiterzuentwickeln.

Beim Weltraum-Tourismus hört man aber deutlich seine Skepsis heraus. Bei privaten Flügen für Betuchte, die nur zum Runterschauen und ohne wissenschaftlichen Nutzen fliegen, hört seine Begeisterung auf.

Gasometer: Alexander Gerst spricht auch über Weltall-Horror

Die Rodung der Regenwälder, der Braunkohleabbau sehen vom Weltall aus wie Wunden an der Oberfläche, erzählt der Astronaut. Selbst Kriege, startende und einschlagende Raketen, seien sichtbar. „Ich frage mich, was fremdes Leben über die Menschen denken würde“, sagt Gerst kritisch.

Im Gegensatz zum fiktiven Alien-Film erlebte Gerst den Weltraum-Horror bereits real: Als zwei Raumfahrt-Kollegen 2018 den Flug zur ISS abbrechen und notlanden mussten. Und Gerst ihre zerbrochene Sojus-Rakete von der Raumstation beobachten konnte.

Die Kollegen überstanden den Unfall, landeten wieder sicher auf der Erde. Ihre mitgeführte Fracht für die ISS-Besatzung krachte aber unsanft hinunter. Darunter befand sich das Bundesverdienstkreuz für Gerst, das ihm seine Familie ins All schicken wollte: „Es war hinterher etwas verbeult.“

Was bleibt, ist die große Liebe zur Raumfahrt. „100.000 Generationen haben nur in den Himmel geschaut. Wir sind aber die erste oder zweite Generation, die herunter schauen kann. Das zeigt, an welcher Zeitenwende für die Menschheit wir uns gerade befinden.“

>>> Klimaschutz: Weitere Vorträge im Gasometer folgen

Die Vortragsreihe zur Gasometer-Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“ wird fortgeführt. Am Mittwoch, 24. August, ist Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker zu Besuch und fragt „Wie können wir guten Klimaschutz mit hohem Wohlstand kombinieren?“.

Die Eintrittskarten für die Vorträge kosten 20 Euro für Normalzahler und 17 Euro ermäßigt. Der Beginn ist um 19.30 Uhr. Der Einlass erfolgt um 18.30 Uhr. www.gasometer.de