Oberhausen. Auf ein Neues in der Ludwiggalerie: Für die vor zwei Jahren jäh geschlossene Ausstellung „Fotografin unter Musikern“ gibt’s nun viel Zeit.

Eine Ausstellung, die seit 27 Jahren ihre tadellosen „Evergreen“-Qualitäten beweist, darf man ruhig auch ein zweites Mal am selben Ort zeigen: Zumal der Ludwiggalerie im Großen Schloss bei „Fotografin unter Musikern – Linda McCartney“ im März 2020 der erste harte Lockdown einen bis dahin enormen Publikumserfolg gekappt hatte. Also auf ein Neues: Fast vier Monate gibt Direktorin Christine Vogt nun den hinreißenden Porträts, Familienbildern und gelegentlichen Kamera-Experimenten von Linda Eastman/McCartney (1941 bis 1998).

Die New Yorkerin war auf dem besten Wege, einer Pop-Fotografinnen-Karriere wie jener von Annie Leibovitz vorauszueilen – bis sie den berühmtesten Musiker ihrer Zeit heiratete. Aber das „Frau von“-Etikett mag die Chefin der Ludwiggalerie nun ganz und gar nicht. Und während prächtige Bildbände wie das von der McCartney-Familie herausgegebene „Life in Photographs“ zu einem großen Teil mit den im schönsten Sinne „familiären“ Aufnahmen glänzen, setzte die „Fotografin unter Musikern“-Schau schon in ihrer allersten Version einen deutlichen Akzent: Linda McCartney zeigte die Stars so ungezwungen vor der Kamera, dass mit ihr die 1960er eigentlich erst zu „Swinging Sixties“ wurden.

Linda McCartneys zweite Karriere: Als Keyboardspielerin und Harmonie-Stimme während der 1970er in Paul McCartneys „Wings“.
Linda McCartneys zweite Karriere: Als Keyboardspielerin und Harmonie-Stimme während der 1970er in Paul McCartneys „Wings“. © FUNKE Foto Services | Jill Abanico

Das war schon 1995 so: Peter Reichelt und Ina Brockmann hatten gerade ihre gemeinsame Ausstellungsproduktion etabliert. „Ihre Tochter Mary, selbst Fotografin, war die Kontrollinstanz“, erzählt die eigens aus Hamburg angereiste Ina Brockmann (der die Ludwiggalerie übrigens auch 2016 ihre bezaubernde Disney-Ausstellung verdankte): „Diese Ausstellung machen wir immer noch mit ihrer Erlaubnis.“ Und mit kleinen Variationen.

Die Verletzlichkeit hinter dem Hippie-Look

In ihren ersten Berufsjahren als Rock-Fotografin für gerade erst aufblühende Magazine wie „Rolling Stone“ erschien Linda Eastman im exakt richtigen historischen Moment: „Es gab noch nicht diese kontrollierte Selbstdarstellung“, betont Ina Brockmann, „dieses Wissen über das eigene Bild“. Eine Insider-Größe wie Tim Buckley (mit seiner Engelsstimme und den zugleich oft verstörenden Liedern) fotografierte die Autodidaktin während er noch auf sie einredete: Keine Pose, sondern ein sicher festgehaltener Blick auf die Verletzlichkeit hinter dem Hippie-Look.

Das war bei Jim Morrison schon ein bisschen anders: Der „Doors“-Schamane zählte wohl zu den ersten, die sich ihrer selbstdesignten Aura allzu sicher waren. So sieht man hier mehr den Poseur als den Underground-Dichter, der Morrison so gerne sein wollte.

Linda McCartneys dritte Karriere: Die engagierte Tierschützerin veröffentlichte vegetarische Kochbücher und brachte – eine Pioniertat – „Veggie Food“ in britische Supermärkte.
Linda McCartneys dritte Karriere: Die engagierte Tierschützerin veröffentlichte vegetarische Kochbücher und brachte – eine Pioniertat – „Veggie Food“ in britische Supermärkte. © FUNKE Foto Services | Jill Abanico

Jimi Hendrix dagegen wirkt auf allen Aufnahmen (ob er gähnt, raucht oder linkshändig die Fender spielt) wie ein Mozart seiner Zeit: ein begnadetes großes Kind. Eine typische Sixties-Anekdote erzählt von Hendrix’ Wunsch, eine McCartney-Aufnahme seiner „Experience“ am Londoner „Alice im Wunderland“-Brunnen als Cover für das Doppelalbum „Electric Ladyland“ zu verwenden. Der schüchterne Saitenzauberer bekam stattdessen David Montgomerys zuverlässig skandalöses Gruppenbild nackter Models.

Phalanx von Janis Joplin-Porträts

Ein knapp auf wenige ikonische (Klapp)Cover konzentriertes „Best of“ aus der großen Zeit der psychedelischen Plattenhüllen ergänzt auf der zweiten Etage die feinsinnig komponierte Schau. Im Parterre des großen Schlosses reihen sich die Popstars von der noch immer ikonischen „Flegel“-Pose des Rolling Stone Brian Jones bis zum eindrücklichen Vis-a-vis mit Stephen Stills oder einer ganzen Phalanx von Janis Joplin-Porträts. Den Beatles und Paul McCartney gebührt natürlich ein eigenes Kabinett.

Handshake des weltgrößten Komponistenduos: Ihre ersten Beatles-Fotos schuf Linda Eastman 1967 bei der Präsentation des „Sgt. Pepper’s“-Albums.
Handshake des weltgrößten Komponistenduos: Ihre ersten Beatles-Fotos schuf Linda Eastman 1967 bei der Präsentation des „Sgt. Pepper’s“-Albums. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die erste Etage zeigt das wohl am wenigsten bekannte Oeuvre McCartneys – als „Street Photographer“. Sie selbst nannte die überaus gekonnten Schnappschüsse aus fahrenden Autos „Roadworks“: Das grandiose „My Love“ porträtiert Sir Paul im Rückspiegel; meist aber sind alltägliche bis surreale Szenen des britischen Alltags hier souverän gerahmt. „Fotografieren war für sie eine Berufung“, meint Ina Brockmann, selbst Fotografin. Selbst gelegentliche Stillleben sind – so unverkennbar wie amüsant – typisch McCartney: Wenn sie denn auf einem unaufgeräumten Tisch voller Malstifte eine Milchflasche mit Schnuller neben dem schottischen Whisky zeigen.

Prachtbände, Booklet und ein „Four Letter Word“

Die Ausstellung „Fotografin unter Musikern – Linda McCartney“ ist vom 15. Mai bis zum 11. September, also für fast vier Monate, in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro (online ludwiggalerie.de).

Statt eines eigenen Kataloges gibt’s ein 16-seitiges Booklet für 5 Euro – schließlich sind im Taschen Verlag mit dem Klassiker „Life in Photographs“ und den „Polaroid Diaries“ zwei Prachtbände erschienen.

„Rock and other Four Letter Words“ brachten Linda Eastman und Autor J. Marks bereits am Ende der Hippie-Ära heraus: als kleinformatiges Paperback auf billigem Papier. Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie, sieht in dem antiquarischen Schätzchen ein maßgebliches Werk, „das man als Prachtband neu auflegen sollte!“

Die „Fotografin unter Musikern“ hatte es eben nie nötig, die Stars als glamouröse Wesen aus einer entrückten Sphäre zu inszenieren.