Oberhausen. Die Ludwiggalerie eröffnet am 19. Januar die Linda McCartney-Ausstellung. Neuer Soundwalk verwandelt die „Sixties“-Schau in eine stille Disco.
Zum eigenen Kunstbestand der Ludwiggalerie zählt nun auch ein Original von Linda McCartney: „Das Mädchen mit den roten Stiefeln“ erzählt – wie das Gros der jüngst in einem Prachtband versammelten „Polaroid Diaries“ – mit dem typischem Humor der Fotografin vom Familienleben der McCartneys. Großzügig schickte Sir Paul zu diesem vom Förderverein der Galerie ermöglichten Kauf noch die Nummer 115 der von ihm signierten Diary-Bände zum Schloss Oberhausen. „Er hat auch das Polaroid signiert“, meint Direktorin Christine Vogt fast pikiert, „das er gar nicht gemacht hat“.
Paul McCartney und die vier Kinder Heather, Mary, Stella und James sehen eben das große fotografische Vermächtnis als Familienbesitz: Schließlich waren die Fünf bis zum Tod von Linda McCartney bevorzugtes Fotomotiv – allerdings eines, das in dieser Ausstellung eher knapp wegkommt. Das liegt an der Geschichte der Sammlung von Ina Brockmann und des Konzertveranstalters Peter Reichelt, die sich vor allem auf die begeisterte Rockmusiker-Fotografin Linda Eastman kapriziert hatten.
Als Fotografin war sie vor allem Fan
Mit der heute hinter Sicherheit-Kordons und PR-Wachhunden isolierten Welt der Popstars musste sich die spätere Mrs. McCartney nie messen: Die junge Autodidaktin war als Fotografin vor allem Fan – und fand in einer damals offensichtlich wesentlich entspannteren Szene sofort Zugang zu den gleichaltrigen Musikern. Ein Foto wie jene vier von Janis Joplin wäre heute von einer Sängerin undenkbar: ungeschminkt, abgekämpft, mit unreiner Haut, deren jede Pore auf dem Foto sichtbar ist.
So „nah dran“ eröffnet auch der begleitende Soundwalk: Wie im Vorjahr bei der Ausstellung „British Pop Art“ kuratierten Linda Schmitz-Kleinreesink und Jennifer Liß eine „stille Disco“, um Besucher auch diese Foto-Schau durchtänzeln zu lassen. „Respect“ von Aretha und Janis’ genialisches A-cappella-Liedchen „Mercedes Benz“ machen den Anfang der 19 Songs – etwas weniger als beim ersten Soundwalk.
Mit „Waterloo Sunset“ vor Londoner Straßenszenen
Zu hören sind aber längst nicht nur Kompositionen mit dem Label Lennon/McCartney, denn die Kuratorinnen setzen anspielungsreich auf Abwechslung: So darf man bei Ray Davis’ „Waterloo Sunset“ vor Londoner Straßenszenen verweilen. „Roadworks“, also die Situation blitzschnell erfassende Fotos aus dem fahrenden Wagen, dürften neben den Familienbildern das größte Oeuvre von Linda McCartney ausmachen.
In der obersten Ausstellungsetage wird’s ausgedehnt psychedelisch: Ergänzend zu den Fotos der Sixties prunkt ein Raum mit dem Rokoko der Schallplatten-Gestaltung, die im Laufe der 60er und mehr noch der 70er zur eigenen Kunstform avancierte. Dort begleitet Pink Floyds „Wish you were here“ im Angedenken an Syd Barrett prächtige Inszenierungen von Hipgnosis, der Londoner Design-Agentur um Storm Thorgerson and Aubrey Powell. Dort prunkt neben dem Cover von Santanas „Abraxas“-Album das Original des Hamburger Surrealisten Mati Klarwein – und die von einem Engel umschwebte Schönheit begleitet „Black Magic Woman“.
Ein Longtrack von rockklassischer Güte verabschiedet schließlich die Soundwalk-Genießer, die vor dem Linda-Porträt auf ihrem einzigen, erst posthum veröffentlichten Soloalbum „Wide Prairie“ verweilen.
Prachtbände, Booklet und ein „Four Letter Word“
Die Ausstellung „Fotografin unter Musikern – Linda McCartney“ ist vom 19. Januar bis zum 3. Mai in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro (online ludwiggalerie.de).
Statt eines eigenen Kataloges gibt’s ein 20-seitiges Booklet für 5 Euro – schließlich sind im Taschen Verlag mit dem Klassiker „Life in Photographs“ und den jüngst veröffentlichten „Polaroid Diaries“ zwei Prachtbände erschienen.
„Rock and other Four Letter Words“ brachten Linda Eastman und Autor J. Marks bereits am Ende der Hippie-Ära heraus: als kleinformatiges Paperback auf billigem Papier. Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie, sieht in dem antiquarischen Schätzchen ein maßgebliches Werk, „das man als Prachtband neu auflegen sollte!“