Oberhausen. Der Karriereknick für die Rockstar-Fotografin Linda Eastman hieß Paul McCartney: Das illustriert eine Ausstellung der Ludwiggalerie in Oberhausen.

Ulkerei unter den noch gut gelaunten, gut befreundeten Beatles – nach der ersten Begegnung zwischen Paul McCartney und Linda Eastman.
Ulkerei unter den noch gut gelaunten, gut befreundeten Beatles – nach der ersten Begegnung zwischen Paul McCartney und Linda Eastman. © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann | Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann

Ein staunenswertes Frauenleben, auch ohne die Heirat, die sie weltberühmt machen sollte: Linda Eastman, Tochter eines wohlhabenden New Yorker Künstleranwalts (Willem de Kooning, Mark Rothko) studiert ein bisschen Kunst, heiratet früh und merkt erst nachdem das Kind da ist, dass sie sich verheiratet hat. Scheidung nach drei Jahren, und sie schlägt sich durch als Alleinerziehende. Das Fotografieren hat sie sich im Wesentlichen selbst beigebracht, Walker Evans, Dorothea Lange und Edward Steichen sind ihre Leitsterne.

Und dann gerät sie durch einen Fotografenfreund irgendwie ins Rock-Business, das gerade richtig aufzublühen beginnt. Und während es für alle anderen eine Plage ist, diese ungezogenen Lümmel, die Rebellion zu ihrem Beruf gemacht haben, aufs Bild zu kriegen, kuschen sie vor „Lovely Linda“. Und dann gelingt es ihr, sich 1966 im Hafen von New York an Bord der „SS Sea Panther“ zu mogeln, wo die Rolling Stones ihr „Aftermath“-Album in die Seelen

Eins der legendären Stones-Bilder von Linda Eastman mit den „Glimmer Twins“ Keith Richards und Mick Jagger (v.l.) mit Brian Jones 1966 auf der „SS Sea Panther“ vor New York.
Eins der legendären Stones-Bilder von Linda Eastman mit den „Glimmer Twins“ Keith Richards und Mick Jagger (v.l.) mit Brian Jones 1966 auf der „SS Sea Panther“ vor New York. © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann | Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann

der Rockkritiker massieren wollen. Bis heute die fast am wenigsten gekünstelten Bilder von Jagger & Co. – und Linda Eastman verteilt sie an die Kollegen, ohne Geld dafür zu nehmen. Immerhin explodiert nun ihre Karriere, sie wird die erste Frau sein, deren Foto auf dem Cover des „Rolling Stone“ landet.

Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Keith Moon

Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison – sie lichtet die Stars der Sixties ab, souverän und professionell. Und manchmal mit Hang zum Ikonischen: Hendrix, wie er den linken Arm parallel zum Hals seiner Gitarre schwingt, Keith Moon, der schier platzt vor Energie hinter seiner Schlagzeug-Batterie. Viele dieser Aufnahmen sind nun in einer Ausstellung der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen, die am Samstag eröffnet wird.

Und dann war es, nach nicht einmal sechs Jahren, mit einem Schlag vorbei mit der Rock-Fotografie. Der Schlag hieß McCartney und traf sie in einem Club in London, wo sie den blutjungen Steve Winwood und die Beatles ins Bild setzen sollte. „Hi, ich heiße Paul“, stellte sich einer der vier ihr in einem Club in den Weg, nachdem sich ihre Blicke kurz ineinander verhakt hatten.

New Orleans und Hell’s Kitchen

Alte Nikon F Kamera in der Ludwiggalerie.
Alte Nikon F Kamera in der Ludwiggalerie. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Wenige Monate später hieß auch sie McCartney. Und richtete ihre Objektive (anfangs eine Leica, später meist eine Nikon F) auf die Straße. Meist schwarzweiße Bilder von ganz normalen Menschen, vom Pferdekarren in London Mitte der 80er, von Eckenstehern und Trauergästen, fast immer ohne Belichtungsmesser, manchmal mehrfach belichtet oder etwas länger und mit Bewegungsunschärfe. Das ist manchmal gelungen, manchmal dicht am Kunsthandwerk. Aber die vom Leben gefalteten Menschen in New Orleans oder in „Hell’s Kitchen“ von New York, das sind Bilder, die nicht nur ins Auge stechen, sondern Geschichten erzählen.

Experimentiert hat Linda McCartney auch gern, mit „Sun Prints“, bei denen die Sonne das Foto belichtete und ihr eine zauberschöne blaue Rose bescherte oder einen schwarzweißen Hengst neben einem wie eregiert herumstehenden Hinkelstein. Spätestens hier erweist sich als wahr, was Museums-Chefin Christine Vogt nachdrücklich betont: „Sie als ,Frau von…’ zu beschreiben wäre völlig unangemessen“.

Cover-Geschichte mit den Wings, Beatles, Pink Floyd, Santana und Led Zeppelin

Linda McCartneys Mitfahrer-Blick aus dem Auto - am Steuer ihr Ehegemahlsgatte.
Linda McCartneys Mitfahrer-Blick aus dem Auto - am Steuer ihr Ehegemahlsgatte. © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann | Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann

Album-Cover für McCartney und die Wings, bei denen sie ja auch noch Keyboard spielte, hat sie außerdem fotografiert, und die hat das Museum in der dritten Etage eingebunden in eine liebevolle kleine Schau-Geschichte des Rockalbum-Covers in den 60er- und 70er-Jahren, von den Beatles über Santana und Led Zeppelin bis zu Pink Floyd.

Zur Ausstellung gehören aber auch sehr private, ungestellte, oft heitere Familienfotos. Etwa eine ganze großformatige Polaroid-Serie mit ihren drei gemeinsamen Kindern und Heather aus Lindas erster Ehe, die von Paul adoptiert wurde. Und hier offenbart sich das Bewundernswerteste an Paul und Linda McCartney: Man gewinnt den Eindruck, dass der ganze Pop- und Star-Rummel, dem die beiden je anders ausgesetzt waren, nicht verhindert hat, dass sie daneben ein ganz normales erfülltes Familienleben führen konnten.

Unternehmen für vegetarische Ernährung

Dabei hatte Linda McCartney, die zeitlebens beeinflusst blieb von den Erfahrungen mit Tierfotografie zu Beginn ihrer Karriere, ja „nebenbei“ auch noch ein Unternehmen für vegetarische Ernährung aufgebaut. „Go veggie“ ist denn auch ein nüchtern anklagendes Bild von gerupften Truthähnen betitelt, die mit voll erhaltenem Kopf an einer Leine im Schaufenster hängen. Aufklärerische, politische Fotografie konnte sie also auch. Man ist mehr als geneigt, sich zu verneigen vor dieser Frau, die 1998 mit 56 Jahren schon einem Brustkrebsleiden erlag.