Oberhausen/Mülheim. Kita-Streik am Internationalen Frauentag in Oberhausen: Die Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen sind unerträglich, betroffen – meist Frauen.
Der Internationale Frauentag lockte am 8. März an die Marktstraße in Oberhausen. Die Frauenorganisationen der Stadt stellten an Ständen ihre Arbeit vor. Die Gewerkschaft Verdi hatte in Oberhausen und Mülheim zeitgleich zu einem Streiktag für die Beschäftigten der Kitas, der sozialen Dienste und der Behindertenhilfe aufgerufen. Über 300 Beschäftigte aus beiden Städten versammelten sich in der City und forderten lautstark eine bessere Bezahlung. Aber auch der Krieg in der Ukraine und die vielen flüchtenden Frauen und Kinder waren ein großes Thema.
Doch was steckt hinter dem Frauentag und wie lange wird er noch gefeiert? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aktionen in Oberhausen sagen: „Solange, bis jegliche Form von Diskriminierung endlich aufhört.“ Denn obwohl die Gleichberechtigung von Mann und Frau seit 1949 im Grundgesetz verankert ist, legte die Corona-Pandemie schonungslos offen: Es gibt bis heute eine gewaltige Schieflage.
„Es waren und sind Frauen, die spontan während des Lockdowns und bei Quarantäneausfällen in Kita und Schule die Betreuung der Kinder sichergestellt haben“, sagt Petra Stanius vom Frauen-Plenum Oberhausen. Frauen übernahmen die Rolle der Lehrerin im Homeschooling oder pflegten ihre Angehörigen und stemmten zeitgleich ihren Job. Und noch immer sind es größtenteils Frauen, „die beruflich mit Menschen arbeiten und darum einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind“. In der ersten Phase der Pandemie sind sie beklatscht worden: All die Frauen, die an den Kassen der Supermärkte sitzen und die in den Krankenhäusern und Alteneinrichtungen die Pflege sicherstellen. Als systemrelevant sind sie gefeiert worden, erinnert Stanius. Ein paar Bonuszahlungen habe es gegeben.
Unerträgliche Arbeitsbedingungen in fast allen sozialen Berufen
Doch die Arbeitsbedingungen in pflegerischen und sozialen Berufen seien trotz des Aufschreis anlässlich der Corona-Pandemie nach wie vor unerträglich: „Schlechte Bezahlung und Ausstattung, Schichtdienst, Überstunden infolge Unterbesetzung, fehlende Wertschätzung“, betont auch Verdi-Vertrauensfrau Monika Reuschenbach (Bezirk Ruhr-West). Damit müsse jetzt Schluss sein. Die Gewerkschaft Verdi nutzte diesen Tag, um den Arbeitgebern in den Kommunen Oberhausen und Mülheim deutlich vor Augen zu führen, dass sie zu einer Verbesserung der Personalsituation und der finanziellen Anerkennung der Beschäftigten in den Kitas und der gesamten sozialen Arbeit bereit sein müssen. „Nur applaudieren reicht uns nicht!“
Denn die Kolleginnen in den Jugendämtern und Kitas (auch dort wird die Arbeit hauptsächlich von Frauen bewältigt) benötigten dringend Entlastung. „Die Belastung ist nach der Flüchtlingskrise 2015 derartig gestiegen, dass viele auch in den Jugendämtern von Oberhausen und Mülheim vor einem Burnout stehen“, sagt Verdi-Vertrauensfrau Susanne Knörle. Ähnlich angespannt ist die Lage in den Kindergärten. „Wir haben durch Corona hohe Ausfälle zu stemmen, obwohl fast alle bei uns geimpft sind“, erzählt eine Kita-Leiterin aus Oberhausen. Zu den Forderungen nach höheren Gehältern gehört deshalb auch die nach zusätzlichen Tagen, „an denen die Kolleginnen einfach mal in Ruhe ihrer Dokumentationspflicht nachkommen können“. Doch bislang sei all dies von den Arbeitgebern abgelehnt worden. Dabei verdienten Frauen 2021 in Nordrhein-Westfalen nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Schnitt noch immer 17 Prozent weniger als Männer.
Pandemie-bedingt digital aus dem In Hostel Veritas fand außerdem der traditionelle Frauenempfang zum Internationalen Frauentag statt. Auch Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, erinnerte an das Leid der vor dem Ukraine-Krieg flüchtenden Frauen und Kinder und an: „Katia, die ich 2018 in Saporishja kennenlernen durfte und die unsere Oberhausener Delegation vier Tage durch ihre Stadt geführt hat – voller Stolz auf ihr Land.“ Die Herzlichkeit, die ihr in der Ukraine entgegen geschwappt sei, die bleibe „und die zerreißt jetzt auch mein Herz“. Katia sei mittlerweile in Oberhausen angekommen. „Mit ihrer Mutter, mit ihrer Schwester, ihrem Neffen und ihrem Sohn hat sie die Flucht weg vom Krieg, weg von ihrer Heimat angetreten.“ Costecki weiß: „Dieses Leid können wir nicht aufheben, aber wir können es lindern. Geben wir ihr, ihrer Familie und all den weiteren Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, ein sicheres, ein friedliches und ein herzliches Willkommen in unserer Stadt.“
Frauen sind dort, wo Entscheidungen getroffen werden, in der Minderheit
Gewalt gegen Frauen und Kinder aber ist nicht nur Alltag im Krieg. Sie ist Alltag vor unserer Haustür und nahm während der Pandemie noch zu. Für eine Stärkung der Mädchen machen sich deshalb Katharina (24) und Jenny (33) beim Kreisverband der Falken in Oberhausen stark. Katharina erzählt: „Alleine in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind vier Frauen Opfer sexueller Gewalt geworden – hier muss viel mehr in Sachen Prävention getan werden, viel mehr in Mädchen-, aber auch in Jungenarbeit investiert werden.“
Wer diesen Tag organisiert: Von IG Bau bis Pro Familia
Am Internationalen Frauentag beteiligt sind: das Frauen-Plenum Oberhausen, der Verein „Frauen helfen Frauen“ Oberhausen, der Verdi Frauenrat Bezirk Ruhr-West, die Industriegewerkschaft BAU Mülheim-Essen-Oberhausen, Amnesty International Oberhausen.Außerdem dabei: das Oberhausener Bündnis für eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung, die Internationale Frauengruppe des evangelischen Kirchenkreises Oberhausen, The Silent University und Pro Familia Oberhausen.Die Veranstaltung wurde unterstützt und gefördert vom Gleichstellungsausschuss der Stadt Oberhausen.
Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer: Immer mehr Unternehmen haben aus der Pandemie gelernt und setzen auf flexible Arbeitsmodelle. Das Arbeiten aus dem Homeoffice setzt sich zunehmend durch und ermöglicht Familien damit auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und die Bundesregierung ist auf dem Weg, den noch aus der Nazizeit stammenden § 219a des Strafgesetzbuches abzuschaffen. „Ein Paragraf, der mit ,Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche’ überschrieben ist, aber bislang bereits die kleinste Information über angebotene Formen von Schwangerschaftsabbrüchen der Ärztinnen und Ärzte strafbar machte“, erläutert Costecki, die auch diese Aussicht zuversichtlich stimmt: „Die Katholische Kirche Oberhausen hat den Oberhausener Bundestagsabgeordneten Dirk Vöpel in einem Brief aufgefordert, dieser Abschaffung nicht zuzustimmen – aber sie konnte ihn nicht von seiner Überzeugung abbringen.“