Oberhausen. „Vielfalt – Oberhausener Frauengeschichte(n)“ zeigt auf, wie Frauen die Stadtentwicklung beeinflusst haben. Was man von ihnen lernen kann.

Männer machen die Geschichte – dieses Zitat prägte schon im 19. Jahrhundert der Historiker Heinrich von Treitschke. Doch auch wenn die Geschichtsbücher oft einen anderen Eindruck vermitteln, haben nicht nur Männer den Lauf der Dinge beeinflusst. Dass auch Frauen deutliche Spuren in Oberhausen hinterlassen haben, darauf machen die städtische Gleichstellungsstelle und die Geschichtswerkstatt aufmerksam. Bereits zum elften Mal geben sie ihre Broschüre „Vielfalt – Oberhausener Frauengeschichte(n)“ heraus. In der aktuellen Ausgabe geht es um eine bekannte Oberhausener Persönlichkeit: Heide Kamps.

„Wenn junge Menschen diese Biografie mit offenem Hirn und Herz lesen, können sie viel lernen“, glaubt André Wilger von der Geschichtswerkstatt. Denn Heide Kamps habe gezeigt: Man kann viel erreichen, wenn man dranbleibt. Das fing schon in ihrer Kindheit an, die die im Jahr 1930 geborene Heide Kamps auf der ostfriesischen Insel Langeoog verbrachte. Wegen Lehrkräftemangel muss ihre Schule 1944 schließen. die gerade 14-Jährige zieht also aufs Festland, um dort die Mittlere Reife zu erreichen. Ihre Familie sieht sie nur am Wochenende.

1963 zieht Heide Kamps nach Oberhausen

Doch Heide Kamps schafft ihren Abschluss – trotz aller Schwierigkeiten, die die Nachkriegszeit mit sich bringt. 1952 schließt sie ihr Examen als Kindergärtnerin ab. Bei ihrer Arbeit in einem Kinderheim lernt sie dann den Sozialarbeiter Jochen, einen gebürtigen Oberhausener, kennen. Sie heiraten, bekommen vier Söhne. 1963 ziehen sie nach Oberhausen.

Doch zehn Jahre später stirbt Jochen. Auf einmal steht Heide Kamps alleine da, mit vier jugendlichen Kindern und einem unfertigen Haus. Aber: „Sie ist immer wieder aufgestanden“, sagt Historiker André Wilger. „Ich glaube, sie ist auch daran gewachsen, dass sie Schicksalsschläge erlebt hat.“

Alleinerziehend und berufstätig

Auch Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, sagt über Heide Kamps: „Sie hat immer wieder vorgemacht, dass alles zu schaffen ist.“ Sie selbst habe den Mut dieser Frau bewundert – berufstätig und gleichzeitig alleinerziehend in einer Zeit, in der das absolut unüblich war. „Das, was sie geleistet hat, war für mich bemerkenswert.“

Besonders herausragend in der Biografie: Heide Kamps Arbeit als Vorsitzende des Oberhausener Kulturausschusses von 1984 bis 1999. In dieser Zeit setzt sich die SPD-Politikerin unter anderem für die Umgestaltung des Ebertbades ein und für den Fortbestand der Gedenkhalle am Schloss Oberhausen. All das habe sie immer gemeinsam mit anderen angeregt und umgesetzt. „Das Gemeinsame war ihr wichtig“, fasst es André Wilger zusammen. Getreu ihrem Motto: „Lass uns miteinander reden und nicht übereinander.“

Kinder sollen bestmöglich betreut werden

Eine wichtige Rolle in Heide Kamps Leben spielt auch die Arbeiterwohlfahrt (Awo), deren Geschäftsführerin sie von 1981 bis 1993 ist. Die habe sie in Oberhausen entscheidend weiterentwickelt, bewertet Wilger ihre Arbeit. Ein besonderes Anliegen war ihr: „Wir müssen uns als Awo auch um Kindern kümmern.“ Kinder sollen bestmöglich versorgt und betreut werden, auch damit die Mütter im Gegenzug ein eigenständiges Leben führen können.

Heide Kamps habe immer die Macht der Frauen betont und dafür plädiert, Dinge nicht einfach hinzunehmen, berichtet Britta Costecki. Sie sei eine „starke Persönlichkeit“ gewesen, die ihre Meinung stets klar vertreten habe – aber dennoch offen blieb für andere Argumente. „Frauen wie sie wurden zum Vorbild für andere.“

Am 30. März 2021 stirbt Heide Kamps in Oberhausen. Sie hinterlässt zwei Söhne. Für die „Vielfalt“-Broschüre haben die Söhne mit den Ehrenamtlichen der Geschichtswerkstatt über ihre Mutter gesprochen. Die Broschüre ist kostenlos erhältlich bei der Geschichtswerkstatt und bei der Gleichstellungsstelle der Stadt Oberhausen.

Die erste Frauengeschichten-Ausgabe erschien 2012

Seit zehn Jahren bringen Geschichtswerkstatt und Gleichstellungsstelle die Broschüre „Vielfalt – Oberhausener Frauengeschichte(n)“ heraus. Im Mai 2012 gab es die erste Ausgabe. Die aktuelle hat eine Auflage von 500 Exemplaren. Ziel ist es, insgesamt 24 Ausgaben herauszubringen – und dabei Frauen aus unterschiedlichen Bereichen wie Sport, Politik und Kultur in den Blick zu nehmen.

Die Ausgaben erscheinen in unregelmäßigen Abständen. Die nächste befasst sich mit einer „spannenden Persönlichkeit“, kündigt Wilger an, will den Namen aber noch nicht verraten. Nur so viel: Sie ist katholisch und hat eine Einrichtung (auch katholisch) in Oberhausen mitgegründet. Die kostenlose Broschüre kann auch zugeschickt werden. Kontakt: 0208-825-2050.