Oberhausen. 50 rasante Minuten zum ökologischen Nahtod unseres Planeten sind das langlebigste Schauspiel am Theater. Großer Applaus für die neue Besetzung.
Schulklassen könnten dem Thema ganze Jahre widmen: Wie lässt sich unser Planet retten – mit Konsumverzicht und Fahrradfahren? Im Saal 2 des Theaters sausen Ronja Oppelt und Daniel Rothaug in 50 Minuten durch „Trashedy“, die vielmehr amüsant als tragisch gespielte „Mülltragödie“. Und sie überzeugen mit dieser Wiederaufnahme als neue Besetzung dieses ältesten Repertoire-Stückes, das schon seit Beginn der Spielzeit 2017/’18 sein junges Publikum immer wieder überraschte, manchmal empörte – aber bestimmt nicht kaltließ.
Noch dazu mit einer Produktion, bei der die Slogans auf Transparenten und T-Shirts mehr Worte machen als das Schauspiel-Paar. Denn Leandro Kees als Autor, Regisseur – und nicht zuletzt auch als Zeichner der gewitzten Filmeinblendungen – stammt wie seine Mitstreiter von der Kölner Performing Group vom Tanz und Physical Theatre. Entsprechend sportlich agieren auf der weiß ausgelegten Spielfläche vor einer kleinen Zuschauertribüne auch Ronja Oppelt und Daniel Rothaug vom Oberhausener Ensemble.
Schon die ersten zwei, drei Minuten sind ein staunenswertes Kunststück stummen Spiels: Allein mit einer hinreißenden Choreographie der Hände und Arme zeigt der „Trashedy“-Auftakt die Evolution des Lebens, zunächst im Meer, dann als Fisch auf dem Trockenen, schließlich zu den gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Affe: ein fein ausgestalteter pantomimischer Zauber in aller Kürze.
Die schrecklichen Schlachthof-Töne
Derber wird’s mit den rasant die Leinwand im Hintergrund füllenden Zeichnungen von Leandro Kees: Sie skizzieren, mit Sinn für Pointen, aber auch mit überwältigender Fülle, was industrielle Produktionen und Warenkreisläufe dem Planeten antun. So hechtet Ronja Oppelt (vorschriftsmäßig maskiert) zur Tribüne, um sich einen Schuh zu greifen. Und schärfer noch als die Cartoons schneidet hier die Soundcollage ins Geschehen: Klang- und Videokünstler Martin Rascher agiert hier ebenso konsequent brachial wie einst Morrissey, der in seinen Song „Meat is Murder“ die schrecklichen Schlachthof-Töne verquirlte.
Für manche Momente sind die beiden „Trashedy“-Akteure denn auch vor allem Slogan-Träger. Das Transparent „Esst weniger Fleisch“ erhält ebenso Applaus wie Daniel Rothaugs knackiger Biss in einen Apfel. Man könnte natürlich monieren, dass ein Appell vom Schlage „Tu was“ erheblich unterkomplex ist – angesichts der bedrängenden Krakel von Leandro Kees’ wuchtiger Filzstift-Apokalypsen.
Doch diese Vorbehalte kontert charmant eine Playback-Szene: Zum (vermeintlichen) O-Ton aus den ersten „Trashedy“-Proben von 2012 mimen und gestikulieren die beiden in Weiß-Rot mit Feinsinn für den satirischen Fingerzeig. So erhalten die zerquälten Stimmen des Selbstzweifels, ob denn diese Produktion irgendwie ins Positive zu drehen wäre, wieder mal pantomimisch gewitzte Konter – zum hörbaren Vergnügen des Publikums dieser „Wiederaufnahmepremiere“.
Keine Antworten – aber die richtigen Fragen
Ins Finale sausen Oppelt und Rothaug wie Superhelden mit roten Tüchern, die sie wie Capes umflattern. Beide schmeißen sich in Posen als heroische Statuen der Antike, feiern so die Macht der Demokratie – und jene der Konsumenten: „Wenn du etwas kaufst, verteilst du Power!“ Mit einem bissigen Rock-Chanson (und den entsprechenden T-Shirt-Slogans) stellen die „Trashedy“-Protagonisten aber auch die allerletzte Konsequenz vor: „Bring dich um, um den Planeten zu retten!“
Zur ungleich friedlicheren Musik des letzten Bildes kehrt das Gestenspiel schließlich zurück ins Wasser. Nach dem „achten Planeten“, dem riesigen Müllkreisel inmitten des Pazifischen Ozeans, hatte zuvor eine giftige Quizshow-Parodie gefragt. „Trashedy“ gibt seinem jungen Publikum ab zehn Jahren keine wohlfeilen Antworten – aber es stellt mit Vehemenz die richtigen Fragen.