Oberhausen. . Berührend intensiv gestaltet Daniel Rothaug im Theater-Saal 2 „Die Tiefe“. Jón Atli Jónasson widmete den Monolog allen verunglückten Seeleuten.
Die aufgewühlte See – ein Haufen umgekippter Stühle. Der Nachthimmel – zehn nackte Glühbirnen. Mehr Bühnenbild braucht es nicht im Saal 2 des Theaters, um Jón Atli Jónassons Monolog „Die Tiefe“ als bewegendes Drama zu gestalten. Denn da ist ja Daniel Rothaug, der sich die kurze Lebensgeschichte eines Ertrinkenden mit Hingabe einverleibt hat. Und der 29-Jährige fand in Josef Zschornak einen 20 Jahre jungen Regisseur, der die Nuancen sieht und die stärkeren Effekte sicher einsetzt.
Zunächst aber müssen sich die an Tischen gruppierten Zuschauer umdrehen zur Bar, denn auf dem Tresen sitzt Rothaug als der namenlose junge Seemann – und spielt zur Ukulele „I Wanna Dance with Somebody“ der im Februar 2012 in der Badewanne ertrunkenen Whitney Houston.
Der Traum vom Oldtimer
So geht’s weiter mit schaurigen Andeutungen im leichten, warmherzigen Plauderton. Der junge Isländer träumt wie so viele Skandinavier von einem Oldtimer – einem 1974er Plymouth Barracuda mit schneidigen Heckflossen. Er bewegt sich zwischen den Rundtischen des Saals wie in der Messe seines Fischkutters, stellt einige der anderen Seeleute vor – und erzählt schön melodramatisch das Ende des „Titanic“-Films, erzählt, wie der im Eismeer erfrierende Jack seiner Rose auf ihrer rettenden Tür Lebensmut zuspricht.
Schon in diesen leichthändigen Szenen glänzt Daniel Rothaug mit enormer Präsenz. Man kennt natürlich „Titanic“ und hängt doch an dieser hellen Stimme. Für eine Stunde will der Fischer sich in der Kajüte hinlegen – gegen deren Mief ihm seine Mutter noch ein Spray mitgegeben hatte. „Ich höre einen Schlag, nein, nein, einen Donner, und als ich die Augen öffne, steht die Welt kopf. 300 Tonnen Stahl. Ich liege auf der Kabinendecke.“
Die Bewegungen des durch den Kutter Tauchenden deutet Rothaug nur an; er lässt seine Hände vor sich schweben wie die Kartenblätter im Ruderhaus. „Ich bin so alleine, wie ein Mensch nur sein kann.“ Allein auf dem Meer treibend, behält er einen Seevogel im Blick – als wär’s jener Albatros aus der Ballade von S. T. Coleridge, der Mannschaft und Schiff aus der Eiswüste herausgeführt hatte.
Die Sehnsucht nach dem heimischen Fjord
Für den trotzigen Willen des um sein Leben Kämpfenden findet die Inszenierung starke (Klang)-Bilder: So fliegen alle Stühle der mörderischen See in eine Saalecke – und wieder auf der Ukulele gibt’s die berühmteste aller Pink-Floyd-Gitarrenmelodien: „Two lost souls swimming in a fish bowl.“
Die letzten Gedanken des jungen Mannes kreisen um seine Rückkehr ins Dorf am Fjord: Er würde in Ruhe mit seinen Eltern frühstücken, würde die Rate für den Plymouth Barracuda bezahlen, würde sich endlich trauen, beim Haus des aus der Ferne bewunderten Mädchens vorzufahren – und tatsächlich anklopfen. Dann flackern die zehn Glühbirnen immer unruhiger und verlöschen. Herzlicher Applaus dankt Daniel Rothaug für ein bravouröses Solo.
>>> Weitere Aufführungen erst im April
Der Monolog des isländischen Autors Jón Atli Jónasson wurde schon mehrfach mit Preisen bedacht. Wer jetzt gespannt ist auf eine weitere Aufführung, braucht allerdings Geduld: Weitere Termine folgen erst im April.
Denn „Die Tiefe“ entstand als Produktion für Saal 2 recht spontan nach einer „Späti“-Lesung des Textes. Und im ausgetüftelten Repertoire des Theaters findet sich erst nach acht Wochen wieder Raum und Zeit für den Untergangs-Monolog.